Inhalt der Printausgabe
Tibet - Die verbotene Stadt
Geheimnisse eines Mysteriums
Tibet, rätselhafter Enigmastaat im ewigen Eis! Ein Land, in dem geheimnisvolles Elend und zauberhafte Armut sich die Hand in den Mund geben; ein Land, in dem schon Vorschulkinder die Chance haben, von ihren Eltern an verdrehte Mönche verkauft zu werden; ein Land schließlich, das man sehr leicht mit Nepal verwechseln kann, besonders wenn man eine westliche Nachrichtenagentur ist. Tibet, Dach der Welt oder Dachschaden der Weltgesellschaft?
Geschichte
Die Geschichte Tibets beginnt 1944, als der leidenschaftliche Bergsteiger und sympathische SS-Mann Heinrich Harrer (Brad Pitt) aus Versehen die spektakuläre Pyramidenstadt Lhasa (Industrial Light & Magic) entdeckt. In der atemberaubend schönen Bergwelt (Neuseeland) muß Harrer zunächst mühsam lernen, von den Eingeborenen akzeptiert zu werden; dabei kommt es zu witzigen interkulturellen Differenzen, über die viel gelacht wird, die aber auch nachdenklich stimmen. Schnell wird Harrer auf den halbwüchsigen Mönch und Gottkönig Obi-Wan (Wesley Snipes) aufmerksam, einen lustigen kleinen Nichtsnutz, der von allen nur »Dalai Lahmarsch« (dt.: »Ozean der Faulheit«) genannt wird und der sich für Klingelstreiche, Mitmenschlichkeit und Menschenrechte interessiert. Zusammen erleben sie viele Abenteuer (in Dolby Digital) und werden ABF (allerbeste Freunde).
Szenenwechsel, sechzig Jahre später. Harrer ist tot. Obi-Wan hat viel von seinem ursprünglichen guten Aussehen verloren, muß zudem noch ins Exil (Uma Thurman) und eine doofe Hornbrille tragen. Seinen Ruhestand vertreibt sich der schon recht wunderliche Alte damit, Promis unaufgefordert einen Schal umzuhängen, Biographien zu autorisieren und die tibetische Exilregierung in Dharamsala zu verwalten. Ein Job, der ihn unterfordert, denn diese besteht nur aus einem Briefkasten und einem Anrufbeantworter (»Wenn Sie Minister werden wollen, drücken Sie bitte die Sieben«). Gelegentlich ruft er noch halbherzig zu Menschenrechten, Mitmenschlichkeit und maßvoller Gewaltanwendung im Umgang mit den Chinesen auf – aber es ist einfach nicht mehr so wie früher. Manchmal denkt er noch an seine Jugendliebe Brad Pitt zurück und die glücklichen Stunden, die sie gemeinsam hatten. In einer letzten Einstellung sieht man, wie eine Träne an der faltigen Wange des Mönchs herunterrollt, dann Abspann & Credits. Das Lexikon des Internationalen Films spricht von einer »lieblos inszenierten Drittweltschmonzette ohne Charme«.
Religion
Religion spielt für das Leben der meisten Tibeter keine besondere Rolle, Laizität wird hier wie die meisten Substantive groß geschrieben. Der Alltag ähnelt dem unsrigen: Acht Stunden am Tag versucht man nicht aufzufallen; am Abend schaut man dann die neueste Folge von »Desperate Housewifes« (hier: »Verzweifelte Separatisten«) oder trinkt in der Bar einen Flirtini auf Yakmilchbasis. Kichernde Teenager spielen auf Partys Gebetsmühlendrehen mit Zungenkuß oder Gongschlagen mit Gongschlägern. Man hofft, daß das Leben immer so weitergeht und besonders nach dem Tode. Denn gestört wird das atheistische Idyll von den 90% Buddhisten, aus denen das Land besteht und die der Normalbevölkerung das Leben zur Hölle machen. Die meisten dieser Fundamentalisten hängen der sogenannten Tantrasex-Schule an, einem bluttriefenden Dämonenkult, wie er in den Drei Heiligen Büchern der Tibeter festgeschrieben ist: »Glücksregeln für den Alltag« (vom Dalai Lama), »Das tibetische Heilbuch« (von Lama Thomas Dunkenberger) sowie »Das tibetische Geheimnis von Jugend und Vitalität« (von Lama Laura Tuan). Zentrales Mysterium dieser Schriften sind die »Fünf Himmlischen Gefäße«, die mit den »Fünf Lotus-Flüssigkeiten« gefüllt werden müssen, was regelmäßig zu einer riesigen Sauerei führt. Kein Wunder, daß die Religion im eigenen Land so unbeliebt ist und ins Ausland exportiert werden muß – nach Deutschland etwa, wo sich schon seit unvordenklichen Zeiten die Muttis für den Zauber aus Fernost begeistern. Denn Zivilisationsferne, Leibeigenschaft und religiöser Wahnsinn sind Werte, die man auch in Deutschland traditionell hochschätzt. Die geistige Verwandtschaft zeigte sich etwa, als sich der Dalai Lama in Gegenwart des Bürgermeisters von Hamburg, Ole von Beust, ins Gästebuch der Stadt eintrug. Der Beweis ist ein Gerücht: Auch von Beust trägt privat gern rote Fummel (mit nichts drunter).
Sprache
Die tibetische Sprache besteht aus einer Reihe von Lauten, die durch die Stimmbänder artikuliert und aneinandergereiht werden. Durch ein System grammatischer Regeln entstehen aus längeren Lautfolgen Sätze, welche Informationen oder Gefühle zu anderen Sprachnutzern in Hörweite übertragen, etwa vom Berggipfel zum Basislager. Viele nutzen jetzt aber auch WLAN.
Industrie
Das wichtigste Produkt Tibets ist die Gewalt – in all ihren Formen. Seit der erste Erste Dalai Lama Tibets, Dr. Fu Manchu, auf dem Gipfel des Mount Everest das berühmte Shaolin-Kloster errichtete, lauern hinter jeder Straßenecke Lhasas zu allem entschlossene Kung-Fu-Mönche, die ihre weißen Gewänder traditionell im Blut der Erschlagenen färben. Der Grund für diese Aggression ist klimatischer Natur: Das Ineinander von Steinzeitkultur und Sauerstoffmangel, von dünner Luft und dicker Luft macht die Tibeter besonders reizbar. Grundsätzlich hassen die Tibeter alle: die Chinesen, weil es zu viele von ihnen gibt; die Touristen, weil es zu wenige von ihnen gibt, und sich selbst, weil sich zu viele von ihnen immer so leicht aufregen. Nicht zuletzt sind sie Todfeinde des olympischen Gedankens: Die klerikalen Sportmuffel und superfaulen Mönchssäcke hassen jede körperlichen Anstrengung – die Vorstellung, die Olympischen Spiele würden auf ihrem Rücken ausgetragen, bringt die ohnehin wenig belastbaren Modernisierungsverlierer zur Weißglut. Mit den eingängigen Slogans aus der Feder der Dalai-Lama-Clique – »Frieden schaffen mit vielen Waffen«, »Pille palle, Mönchskrawalle – drei Tage Krach«, »Auf dem Dach der Welt, da steht ein Terrornest« und »Buddha zerschmettere die Chinesen mit gewaltloser Faust« – versuchen die Eso-Chaoten, internationales Verständnis für ihre Gewaltexzesse einzuwerben.
Wirtschaft
Die Wirtschaft Tibets kann sich wahrlich sehen lassen: Bei den diskontierten Effekten beobachten Analysten wie Morden Stanley mehrere inkrementelle Schwellungen, auch die No-Futures stehen gut da, Heckler & Koch korrigiert. An der Börse erholte sich der Leidindex und stieg um 0,5% oder 16 Indexpunkte auf einen Endstand von 3156 Zählern – Anleger im Hafen von Lhasa jubilierten. Wenn es der tibetischen Kuhhandelsbank im nächsten Quartal gelingen sollte, sämtliche Abbrucherlöse aus chinesischen Staatsterroranleihen in Abschlagszahlungen umzuwandeln, könnten die Akkreditive noch nicht amortisierter Einzeloptionen in akzessorische Sicherheiten umgewandelt werden – was das bedeutet, kann sich jeder denken! Und sogar der Rentenmarkt steht gut da, seitdem der Dalai Lama seine Nobelpreismilliarden in die Pensionskasse gesteckt hat.
Ausblick
Hervorragend; auf tibetischem Gebiet finden sich fünf der höchsten Berge der Welt, die dem Wanderlustigen einen exzellenten Panoramablick ins feindliche Umland gewähren. Insgesamt steht jedoch zu befürchten, daß die arroganten Tibeter weiter auf uns herabblicken werden.
Leo Fischer