Vom Fachmann für Kenner | Juli 2008


Lebenswandel

So ändern sich die Zeiten, in den Worten eines Freundes: »Ich fahre schon lange nicht mehr so häufig bekifft Auto – was einfach daran liegt, daß ich immer weniger Auto fahre.«

Tim Wolff

Time To Funk

Da mein Badezimmer dank Komplettverfliesung über eine Akustik verfügt, für die »Profis« in englischsprachigen Ländern haufenweise Dollars hinblättern müßten, spielte sich ein ungeahnter Höhe­punkt meiner Musikkarriere neulich beim Baden ab. Verwöhnt vom edlen Klang der Kacheln saß ich auf dem Ecksitz meiner Badewanne und wusch mich dem Wuchs der unteren Bauchhaare entgegen, als mich in Höhe des Genitalbereichs urplötzlich große Freude überfiel. Hatte ich da etwa gerade die klassisch schmatzige Kombination aus Klatschen und Schnipsen gehört, die bei alten Disco- und Funk-Stücken aus den späten Siebzigern immer über der Snare-Drum liegt und für die ich bislang meist stundenlang mischen und an Geräten rumschrauben mußte?

In einem dem Ecstasyrausch gleichenden, nicht enden wollenden Glücks­moment testete ich den Sound meiner neu entdeckten Klangquelle in zahllosen Positionen. Nachdem ich herausgefunden hatte, daß sich der typische »Chorus-­Effekt« durch Befeuchten und Abtrocknen der Testikel erzielen ließ, stieg ich aus dem mittlerweile kühlen Naß, sammelte noch tropfend das nötige Equipment zusammen und baute es vor der Badewanne auf. Der erste Song, den ich mit dem Geräusch verfeinerte, hieß »You Know It’s Time To Funk«. Als nächstes steht ein Liebeslied mit dem Titel »The Things We Did Together« auf dem Plan, das ein Bekannter für seine Herzallerliebste geschrieben hat. Natürlich werde ich es ebenfalls mit dem Sound der späten Siebziger würzen!

Marcel Pfeiffer

Radikal

Eine Bekannte, die jahrelang als Unternehmensberaterin erfolgreich war, hat sich vor kurzem beruflich radikal verändert und arbeitet jetzt als Aushilfskraft in einem Zirkus. Finanziell gesehen bedeutet das natürlich einige Einbußen für sie, aber ich kann die Frau sehr gut verstehen: Immerhin ist das besser, als den ganzen Tag von Clowns umgeben zu sein.

Thea Unangst

Anpassung

Infolge der veränderten Kraftstoffpreise werden die Leute in Zukunft nicht mehr nur Klamotten von Diesel tragen, sondern auch von Benzin, Super und SuperPlus.

Uwe Geishendorf

Pornologie

Glücklicherweise bin ich in meiner geistigen und charakterlichen Reife fortgeschritten genug, um bei der Lektüre des Begriffs »Interpenetration« nicht in pubertäres Gegluckse auszubrechen. Nachdem ich den Kalauerkandidaten bei Wikipedia eingegeben hatte, konnte ich mich eines zarten Lächelns dann aber doch nicht erwehren: »Der Ausdruck wird in der Systemtheorie als aktive ›wechselseitige Durchdringung von Systemen mit fremden Leistungsanforderungen‹ zum ­Zwecke beidseitiger Leistungssteigerung verstanden (vgl. Westerbarkey 1995: 154).«

Dabei bezeichnet der Begriff mit dem Zusammenspiel von medialen und politischen Wirkungsmechanismen ein durchaus ernstes Phänomen. Also Vorsicht: Wer da nicht aufpaßt und nur dumm rumkichert, wird früher oder später vom System gefickt.

Dominik Mauer

Fun

Am Ende der Schulzeit ließ sich mein gesamter Jahrgang zwecks Vorbereitung des Abi­streichs heimlich über Nacht im Schulgebäude einschließen. Wären wir von einem Brand überrascht worden, hätte man am nächsten Tag unsere verkohlten Leichen gefunden. Das wäre ein eigenwilliger Streich gewesen!

Markus Riexinger

Warum Rußland?

Die Türen des Bethauses öffneten sich, und ein Strom von Menschen ergoß sich auf den Bürgersteig. Wir standen am Altglascontainer und betrachteten ein Rudel junger Frauen, die allesamt mausgraublaue Kleider von erstaunlicher Länge trugen. Stoisch und bleich, Untoten gleich, zog die jeunesse dorée der rußlanddeutschen Gemeinde an uns vorbei. Mein Freund ließ vom Entsorgen ab, blickte ihnen nach und seufzte schwer: »Warum mußten diese Deppen damals ausgerechnet nach Rußland auswandern?« Erst verstand ich nicht, was er meinte, aber als er von Nilschwaben zu fabulieren begann, fiel bei mir der Groschen; und der Gedanke, beim Altpapiercontainer anschließend einer Gruppe Kuba­deutscher zu begegnen, hat mich noch lange begeistert.

Oliver Welschar

Heikle Sache

Was ist eigentlich frauenfeindlicher? Wenn man von der geliebten Gattin zum Kauf von Binden in den Supermarkt geschickt wird und diese erst einmal in der Nähe der Windeln sucht? Oder die Tatsache, daß das gewünschte Hygieneprodukt direkt neben den Glitzi-Schwämmchen bei den Putzartikeln zu finden ist?

Askal Bosch

Zusammenprall der Kulturen

Nichts ist trostloser, als spätabends in Paris auf dem Flughafen auf den Heimtransport zu warten, der natürlich mal wieder Verspätung hat. Und bloß nicht die anderen Wartenden in ihrer Selbstbeherrschung stören! Das versuchte auch eine junge Mutter ihrem etwa vierjährigen Kind zu vermitteln, welches fröhlich durch die Reihen der finsteren Gesichter tanzte und vor sich hin sang. Was ihm denn am besten in Paris gefallen habe, versuchte die Mutter das Kind an den Platz zu fesseln. Dankbar für die Kurzweil wuchsen auch die Ohren der wartenden Passagiere. Die Pantomime des Kindes ließ keine andere Schlußfolgerung zu als die wasserspeienden Skulpturen von Niki de Saint Phalle am Centre Pompidou. Entspannung auf allen Gesichtern, nachdem die Mutter dies mit Worten bestätigte. Und was am zweitbesten gefallen habe? Die Fahrt mit dem Boot, durch die Tunnel, mit den Monstern. »Aber das waren doch keine Monster!« rief die Mutter entsetzt. »Das waren Japaner!« Synchrones Nasezuhalten und Fingernägelgucken bei den Nicht-Gestört-Werden-Wollenden.

Norbert Steinhaus

Evolution

Jedes Mal, wenn ich nächtens in meinem Schlafzimmer auf Mückenjagd gehe, plagt mich ein schlechtes Gewissen. Denn nach Darwin pflanzen sich bekanntlich die am besten angepaßten Exemplare einer Spezies fort. Über kurz oder lang werden also die leisesten Mücken überleben und irgendwann alle Mücken lautlos schwirren. Und was machen wir dann?

Volker Surmann

Bäckerphilosophie

Der Weck ist das Ziel.

Wolfgang Beck

Crazy World

Es ist schön, einen Vater zu haben, der die Widrigkeiten dieser Welt stets ins Versöhnliche zu wenden vermag. Jüngst, auf einer Urlaubsinsel, rang er damit sogar einem dunkelhäutigen Sonnenbrillenverkäufer, der sich mit ausgestrecktem Mittelfinger gegen die rassistische Schmähung eines Passanten zur Wehr zu setzen suchte, ein Schmunzeln ab: »Isn’t it a crazy world? We lie in the sun and want the colour, and you have the colour!«

Almuth zu Jeddeloh

Kein Vibrato!

Vibrationsalarm ist der größte Mist unter der Sonne, finde ich. Das Handy soll klingeln, gleichzeitig aber nicht klingeln; das ist Kompromißquatsch, Waldorfunsinn, und das macht krank – ich spüre schon manchmal so ein Phantomvibrieren in der Hosentasche. Übrigens habe ich festgestellt, daß ein Handy mit Vibrationsalarm, als Wecker eingesetzt, auf einer harten Unterlage auch gar nicht mehr so leise ist, wie es sein sollte. Es macht einen Höllenlärm, und dann fällt es krachend vom Nachtschrank, weil es beim Vibrieren bis zur Kante vorgerobbt ist. Eine Zeitlang konnte ich aus Angst vor meinem Handy überhaupt nicht mehr richtig schlafen. Jetzt geht es aber wieder, denn ich wickle das Handy in eine Mullbinde, und die Mullbinde stecke ich in eine Socke und die Socke in einen Scheuerlappen und den Scheuerlappen in einen Schuh. Den Schuh muß ich dann zwar immer überall suchen, weil er wegen der Handyvibration durch die ganze Wohnung gelaufen ist, aber das ist nicht schlimm. Solange er nicht ins Schlafzimmer kommt, weil ich die Tür abgeschlossen habe, habe ich meine Ruhe.

Nils Heinrich

Keine Überraschung

Bei der Wahl zum Thor des Monats konnte sich im Juni erneut ein germanischer Gott durchsetzen.

Andrea Maisy

Gute Konversationsregel

Unlängst wurde ich Zeuge eines unschönen Streits zweier Migrantensprößlinge, bei dem der ältere und deutlich größere dem jüngeren lautstark unterstellte, sich unerlaubterweise einer seiner Zigaretten bemächtigt zu haben. Der energische Protest des Gescholtenen gegen die erhobenen Anschuldigung wurde prompt niedergeschlagen: »Ey Alter, halt die ­Fresse, wenn du mit mir sprichst!«

Ludwig Ensthaler

Systemfrage

Wenn mein Kollege über das System lästert, das zwar auf den ersten Blick gut aussieht, aber in der Praxis ständig versagt und dem kleinen Mann immer weniger Mitbestimmungs- und Entscheidungsfreiheiten einräumt, dann bin ich mir nie sicher: meint er jetzt unsere Demokratie, oder erzählt er von seinem Umstieg auf Windows Vista?

Christian Franzen

Glückliches Österreich!

Als ich einmal in Wien im Café Bräunerhof saß und bei einer Melange durch die Zeitungen blätterte, begegnete mir in der Kronenzeitung ein Leserbrief, den ich sogleich begeistert in mein Notizbuch übertrug. Ein zweifach diplomierter Herr Weisweiller beschwerte sich dort über einen gravierenden Fehler in der Berichterstattung der Vorwoche: »Was sie vertritt, mag mir nicht sympathisch sein, aber trotzdem heißt sie Dr. Condoleezza Rice!«

Mark-Stefan Tietze

Epochenübergreifend

Kürzlich durfte ich lernen, daß sich die Maler des Expressionismus als Ausdrucksmittel oft kräftiger Komplementärfarben wie Grün, Gelb und Rot bedienten; genau wie das Risotto, das wir nach mehreren Wochen in den Tiefen unseres Kühlschranks wiederfanden.

Andreas D. Hesse

Auch nicht leicht

Stellt euch vor, man würde in tagelanger mühsamer Arbeit unzählige Quadratmeter dunkelgrauen brettharten Nadelfilzteppich vom Estrich abkratzen, dann die Fetzen bei strömendem Regen mit dem Fahrrad zum Wertstoffhof transportieren und schließlich, sobald man nach Hause zurückgekehrt ist, feststellen müssen, daß erneut ein unbekannter Bösewicht geradewegs exakt den gleichen Teppichboden in der gesamten Wohnung verlegt hat – so ungefähr, liebe Frauen, verhält es sich bei uns Männern mit der Rasur und dem Bartwuchs.

Theobald Fuchs

Integration

Wenn mich als gebürtigen Allgäuer jemand nach dem Verbleib meines Dialekts fragt, antworte ich: »In Hannover habe ich Oxford-Deutsch gelernt.«

Nico Walser

Tip zur warmen Jahreszeit

Der Thrill beim Verspeisen ganzer Erdbeeren kann beträchtlich gesteigert werden, wenn man sich vorstellt, man verzehre die plumpen, haarigen Hinterleiber der gemeinen Wolfsspinne.

Moritz Borchers

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick