Inhalt der Printausgabe

Wie unser Gehirn uns täuscht

Alles, was wir wahrnehmen, ist die Folge einer Interpretation durch das Gehirn. Und das führt, wie diese Beispiele zeigen, die Augen gerne und geschickt hinters Licht.

 

Das Gehirn. Obwohl Generationen von Wissen­schaftlern es sich zermartert haben, gibt es noch immer Rätsel auf: Durch welche Öffnung kommen die Gedanken hinein? Und wie entsorgt es den verbrauchten Strom?

Das Linienparadox In dieser scheinbar chaotischen Anordnung geometrischer Formen sorgen die roten Linien dafür, daß wir die schwarzen als extrem schräg wahrnehmen. In Wahrheit sind sie aber parallel. Daß die roten zudem alle denselben Abstand voneinander haben, kann ­unser Hirn nicht glauben, weil es das sehr stark bezweifelt. Die blauen Vierecke stören einfach nur.

Das Lattenball-Phänomen Neue neurologische ­Studien belegen verblüffende Zusammen­hänge zwischen dem Sprachzentrum und der Bildverarbeitung durch das ­Gehirn. Legt man englischen Muttersprachlern etwa dieses Bild (3:2) vor und fragt, wie die Szene wohl weitergeht, äußern sie die Erwartung, daß der Ball hinter der Linie ­aufspringen wird. Deutsche dagegen sehen ihn darauf oder gar deutlich davor. Seriöse Forscher gehen davon aus, daß sie recht haben.

Die Gesichtserkennung Dieser Wahrnehmungsprozeß ist nicht, wie bisher angenommen, mit einem außerordentlichen Energieaufwand des Gehirns verbunden, sondern über Jahrmillionen so trainiert, daß er sogar übers Ziel hinausschießt: Unser Hirn zwingt uns, auch in dieser unförmigen Struktur mit willkürlich verteilten Erhebungen und Vertiefungen ein Gesicht zu erkennen, ganz wie bei Wolken, Milchschaum oder Mondkratern.

Die Verwandlung Legen Sie das Heft auf dieser Seite geöffnet auf den Tisch und behalten Sie den Hasen im Auge. Erheben Sie sich, ohne den Blick von der Grafik abzuwenden, und bewegen Sie sich langsam zum Lichtschalter. Wenn Sie nun das Licht ausschalten, scheint der Rahmen plötzlich komplett schwarz ausgefüllt – obwohl in Wirklichkeit nur der Hase weggelaufen ist.

Der dunkle Schatten Fixieren Sie diese Grafik ca. 39 bis 45 Sekunden. Schließen Sie nun die Augen und achten Sie darauf, welche der Konturen sich im Dunkel abzeichnet. Ist es die hellblaue linke, dürfen Sie sich als anständiges Mitglied der Gesellschaft fühlen. Zeichnet sich dabei auch die Linie in der Mitte ab: Glückwunsch, Sie leben noch in einer besseren, glücklicheren Welt. Wer das Ganze einschließlich der dunkelblauen Fläche sieht, sollte sich an einer Wiener Kunsthochschule bewerben.

Die Enttäuschung Klauen Sie das hier abgebildete Satire­maga­zin und blättern Sie es auf. Wenn Sie nun versuchen, den Fettfleck auf Seite 3 wegzuwischen, sind Sie reingefallen. Denn in Wirklichkeit ist es nur der kleine dicke ­Markwort.

Tim Wolff

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt