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Nach "Drachenlord"-Prozess: Interview mit einem Haider

Der YouTuber "Drachenlord" wurde kürzlich zu einer Haftstrafe verurteilt, nachdem er sich gegen Mobber, die regelmäßig vor seinem Haus auftauchen, gewehrt hatte. Doch, was sind das für Leute, diese sogenannten "Haider"? Wir haben einen ausfindig gemacht, um ihm auf den Zahn zu fühlen.

(Rauschen)

TITANIC: Test Test.
(Eine Tür öffnet sich) 
Ah, da sind Sie ja schon. Setzen Sie sich. Wenn Sie möchten: In der Schale sind Nüsschen.

Schulz: Vielen Dank. Wie läuft das mit dem Inter ... Oh. Die sind ja leer.

TITANIC: Ah, wirklich?

Schulz: Ja.

TITANIC: Sekunde. (Fiepen)
Können Sie bitte Nüsschen in Besprechungsraum Zwo bringen, Frau Müller?
So, Sie sind also ein "Haider". Hab ich mir, sag ich mal so frei heraus, etwas einschüchternder vorgestellt jetzt.

Schulz: Einschüchternder?

TITANIC: Verstehen Sie, man bereitet sich ja vor und bekommt ein geistiges Bild im Kopf. Ziemlich viele Menschen in der Republik halten Sie seit der Berichterstattung über den Prozess gegen Rainer W. für ein mieses Schwein und einen Mobbingtäter, der in Wahrheit ganz klein ist. Was antworten Sie denen?

Schulz: Äh, ja also ... 

(Die Tür öffnet sich wieder)

Frau Müller: Nüsschen sind leider aus. Ich habe im Lager nachgesehen. Nichts zu finden.

TITANIC: Danke, Frau Müller. Dann muss unser "Haider" wohl heute ohne Nüsschen auskommen. Also?

Schulz: Ja, also ... Ich bin kein schlechter Mensch. Also wenn Sie das jetzt meinen. Klar gibt es einige Haider im Drachengame, die sind echt extrem ... Manche Sachen waren auch wirklich übel. Ich hätte mich da nicht beteiligt. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren. Aber es wirkt jetzt so, als wäre der Drachenlord ein ganz harmloser Kerl, und das ist auch ein Problem. Das ist er mitnichten!

TITANIC: So?

Schulz: Ja! Er sitzt den ganzen Tag zuhause fett und faul herum, duscht sich nicht, arbeitet nicht, labert nur Dreck und streamt das auch noch live ins Internet.

TITANIC: Was machen Sie denn so? Beruflich, meine ich jetzt.

Schulz: Ich bin Arzt.

TITANIC: Allgemeinarzt?

Schulz: Nein, ich bin als Chirurg tätig.

TITANIC: Ah, ein Chirurg. Das passt ja zu den drei Medizinstudenten und dem Palliativ-Pfleger, die im Prozess gegen Rainer W. als Zeugen ausgesagt haben. Viele Menschen denken über Ihren Berufsstand ja, dass es sich da um leidenschaftliche Sadisten handelt, die hinter einer Maske des Helfens verstecken, dass sie gerne an Menschen herumschnibbeln.

Schulz: Ähm ... Worum geht es denn jetzt hier? Ich dachte, wir wollen über den Drachenlord reden?

TITANIC: Sie haben ja SO Recht, verzeihen Sie mir.

Schulz: Im Übrigen ist der Drachenlord ja selber schuld. Er hat seine Adresse schließlich selber heraus gegeben. Und da muss ich schon sagen, naja, jedem das Seine. Verstehen Sie?

TITANIC: Ich verstehe, nur zu gut. Nun sind Sie ja hier.

Schulz: Ja.

TITANIC: Rainer W. geht jetzt, so wie es aussieht, für zwei Jahre ins Gefängnis. Was fangen Sie dann eigentlich mit Ihrer vielen Zeit an?

Schulz: In der Drachencommunity ist so viel Kreativität versammelt. Es wird sich schon was finden. Im Grunde genommen ist alles ja nur ein großes Spiel, und das geht schon irgendwie weiter. Es ist alles eine große Satire, ein Spiel.

TITANIC: Ein Spiel? Mit schlimmen Konsequenzen in der Realität.

Schulz: Ja aber sehen Sie sich doch an, wen es getroffen hat. Der Mann relativiert den Holocaust, er schickt Frauen ungefragt Bilder von seinem Schwanz.

TITANIC: Sie sind also der Rächer der Unschuldigen, sozusagen?

Schulz: Nein, so wollte ich das nicht sagen ... Hören Sie, es ist doch alles viel harmloser als es jetzt teilweise in den Medien dargestellt wird. Wir vertreiben uns einfach nur die Zeit. Und der Drachenlord spielt mit. Wenn der Tanzbär nicht tanzen würde, hätten wir auch keine Unterhaltung. Aber er macht es ja freiwillig. Und verdient gutes Geld damit, will ich mal meinen.

TITANIC: Im Spiegel steht, Sie haben den Mann dazu erzogen und gezwungen. Er hat keine Ausbildung und keine Perspektive. Was soll er auch anderes tun? Von dem Geld, das Sie ihm überweisen, ist er in den vergangenen Jahren abhängig geworden. Also streamt er weiter. Wie viel haben Sie dem Herrn W. denn über die Jahre gezahlt?

Schulz: Das tut doch hier jetzt überhaupt nichts ...

TITANIC: Mieses Schwein.

Schulz: Was?

TITANIC: Oh, ich sah nur grad, die Zeitung hier. (Zeitungsrascheln) Richard David Precht.

Schulz: Ja?

TITANIC: Wie viel zahlen Sie dem Rainer W.?

Schulz: Ähm ... Im Monat sind es so 20 Euro. Das über etwa fünf Jahre jetzt.

TITANIC: Wie niederträchtig und erbärmlich. Rainer W. wandert wegen Körperverletzung in den Bau. Weil Leute wie Sie ihn attackiert haben. Er hat sich nur gewehrt. Auf dem Beweisvideo ist zu hören, wie die Haider ankündigen: "Jetzt bringen wir ihn in den Knast". Und genau das passiert dann auch. Ist das nicht perfide?

Schulz: Ähm ... Wieso sagen Sie so etwas?

TITANIC: Was?

Schulz: Sie ... beschimpfen mich. Ich dachte, wir führen hier einfach nur ein Interview.

TITANIC: Ich habe sie doch gar nicht beschimpft. Beantworten Sie jetzt meine Frage? Man könnte juristisch argumentieren, dass die Haider Rainer W. schaden wollen und ihn mit Absicht dazu provozieren, Straftaten zu begehen. Man nennt das eine "Absichtsprovokation".

Schulz: (wird lauter) Aber er beleidigt doch freiwillig Polizisten an seinem Haus! Niemand zwingt ihn dazu! Und wenn nichts los ist, schreit er, damit wieder was los ist. Sie müssen die Sache schon aus verschiedenen Perspektiven sehen!

TITANIC: Ich möchte Sie freundlich darauf hinweisen, dass wir für dieses Interview extra einen Sicherheitsdienst gebucht haben. Die Jungs stehen im Nebenraum.

Schulz: Was?

TITANIC: Ja. Regen Sie sich also bitte wieder ab.

Schulz: Ich rege mich doch gar nicht auf.

TITANIC: Doch, tun Sie.

Schulz: Nein. Jetzt ist aber mal gut!

(Die Tür geht auf)

Frau Müller: So, ich war jetzt im Rewe zwei Straßen weiter. Keine Nüsschen! Ausverkauft! Soll ich es noch im Edeka versuchen?

Schulz: Was?

TITANIC: Frau Müller, das ist nun wirklich zu viel der Gastfreundlichkeit. Unser Interviewpartner hier ist sowieso eine ziemlich miese Ratte.

Schulz: Das lasse ich mir nicht bieten! (lautes Stuhlrücken)

TITANIC: Nun BERUHIGEN SIE SICH. NIEMAND HIER WILL DAS ESKALIEREN!

Schulz: SIE WOLLEN MICH PROVOZIEREN!

Security mit tiefer Männerstimme: Ist alles in Ordnung? Brauchen Sie Unterstützung?

TITANIC: Nein, alles gut, alles gut. Unser "Haider" ist nur ein wenig emotional. Wir unterhalten uns nur. Lassen Sie beide uns jetzt wieder allein? Ja? Gut.

Security: Alles klar, Sie sind der Boss.

Schulz: Was wird das denn hier???

TITANIC: Rainer W. ist das erste deutsche Opfer des sogenannten "Swatting". Da wird ein falscher Notruf bei der Polizei abgesetzt und dann kommt ein SEK durchs Fenster gesprungen, prügelt Sie zu Boden und hält Ihnen eine MP5 in die Fresse. Finden Sie das komisch?

Schulz: (Lacht) Ha. Ja, das war epic.

TITANIC: Also finden Sie das gut?

Schulz: Es war zumindest sehr unterhaltsam.

TITANIC: Standen Sie auch schon ein mal vor Rainer W. Haus und haben ihn dort provoziert?

Schulz: Ja, das ... Also ja, ich war dort.

TITANIC: Warum tut man so etwas, wie ein kleiner, mieser Wurm?

Schulz: Weil der Typ ein dummes, grunzendes Schwein ist, das sich für unfehlbar hält. Es muss doch mal jemand was tun!

TITANIC: Deshalb kommt ja gleich mein Sicherheitsdienst reingestürmt und poliert Ihnen die Fresse. Damit mal jemand was getan hat.

Schulz: So jetzt habe ich aber genug. Ich gehe.

TITANIC: HERR HAIDER, LASSEN SIE MICH LOS!

Schulz: ICH MACH DOCH GAR NICHTS!

TITANIC: HERR HAIDER, NICHT DIE TEURE SNACKSCHALE AUS CHINESISCHEM PORZELLAN!!!

Schulz: ICH HEISSE SCHULZ, NICHT HAIDER!!! AAAAAAH!
(Kampfgeräusche)
(Tür öffnet sich)
AUFHÖREN! AUFHÖAAAAAAH
(weitere Kampfgeräusche)
AU, AHHHHHHH
(Mikrofonrauschen)
(dumpfe Schläge)
(Stille)

TITANIC: So, das wäre erledigt. Nüsschen, die Herren?

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Briefe an die Leser

 Kopf einschalten, »Soziologie-Superstar« Hartmut Rosa (»SZ«)!

Wahrscheinlich aus dem Homeoffice von der Strandbar tippen Sie der SZ dieses Zitat vor die Paywall: »Früher waren zum Beispiel die beruflichen Erwartungen, wenn man zu Hause war, auf Standby. Heute kann man andersherum auch im Büro natürlich viel leichter nebenbei private Kommunikation erledigen. Man kann nichts mehr auf Standby schalten, selbst im Urlaub.«

Ihr Oberstübchen war beim Verfassen dieser Zeilen ganz offenbar nicht auf Standby, denn dieser Begriff bezeichnet laut dem Cambridge Dictionary »something that is always ready for use«. Also sind wir gerade im Urlaub und im Feierabend heutzutage für den Job immer im Standby-Modus – also auf Abruf –, anders als bei der Arbeit, wo wir »on« sind, und anders als früher, wo wir dann »off« waren und daher alles gut und kein Problem war.

Dagegen dauerhaft abgeschaltet sind Ihre Hardwarespezis von Titanic

 Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

dass Ihre Kindheit, wie Sie im Bunte-Interview erzählten, von der täglichen Gewalt eines trinkenden Vaters geprägt war. Ganz überraschend kommt Ihr Geständnis vom besoffenen Prügelpapa allerdings nicht. Man hätte sich schließlich denken können, dass dieser Arsch dauernd doppelt gesehen hat.

Verdient im Gegensatz zu Ihnen für diesen Gag auf jeden Fall Schläge: Titanic

 Dumm gelaufen, Kylian Mbappé!

Ihnen wurde ein BMW i7 M70 xDrive »überlassen« (Spiegel), jedoch haben Sie gar keinen Führerschein, haha! Wer soll den geschenkten Gaul nun lenken, rätselte daraufhin die Presse: »Mbappé von Real Madrid: Darum bleibt sein Luxus-Auto in der Garage« (msn.com).

Tja, da kann man nur hoffen, dass von Ihren 72 Millionen Euro Jahresgehalt ein paar Cents übrig bleiben, um einen Chauffeur einzustellen.

Aber bitte vorher alles genau durchrechnen!

Mahnt Titanic

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 LOL, Model Anna Ermakova!

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verrieten Sie Ihre sprachlichen Ambitionen: »Ich möchte unbedingt lernen, Witze auf Deutsch zu machen. Ich will die Leute zum Lachen bringen, ohne dass sie nur über mich lachen«. In Deutschland fühlten Sie inzwischen »eine solche Wärme«.

Der war schon mal gut!

Loben die Witzeprofis von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treehuggers

Bei aller Liebe zum Veganismus: Plant Parenthood geht mir zu weit.

Sebastian Maschuw

 Schierlingsbücher

Kaum jemand erinnert sich an das allererste selbstgelesene Buch. War es »Wo die wilden Kerle wohnen« oder doch Grimms Märchen? Schade, denke ich mir. Es könnte eine Wegmarke in die wunderbare Welt der Bibliophilie sein. In meiner Erinnerung wabert stattdessen leider nur ein unförmiger Brei aus Pixibüchern. Diesen Fehler möchte ich am Ende meines Leselebens nicht noch einmal machen. Und habe mir das Buch »Essbare Wildpflanzen« bestellt.

Teresa Habild

 Zero Punkte für den Underdog

Nach meinem Urlaub in Holstein möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für die oft zu Unrecht belächelte Ostsee brechen. Jene, so heißt es, sei eigentlich gar kein richtiges Meer und habe ihre unwürdige Existenz bloß einer brackigen XXL-Schmelzwasserpfütze zu verdanken. Wellen und Brandung seien lächerlich, die Strände mickrig und das Leben unter Wasser mit der Artenvielfalt in einem Löschtümpel vergleichbar. Außerdem habe ein Gewässer, in das man vierhundert Meter hineinschwimmen und danach selbst als Siebenjähriger noch bequem stehen könne, das Prädikat »maritim« schlicht nicht verdient. Vorurteile, die ich nur zu gerne mit fantastischen Bildern und spektakulären Videos widerlegen würde. Doch daraus wird dieses Mal nichts. Leider habe ich meine kompletten Küsten-Campingferien aus Versehen im »Freibad am Kleinen Dieksee« verbracht und den Unterschied erst zu spät bemerkt!

Patric Hemgesberg

 Ach, übrigens,

der Typ, mit dem ich in jedem Gespräch alle drei Minuten für mindestens fünf Minuten zu einem Nebenthema abschweife: Ich glaube, wir sind jetzt exkursiv miteinander.

Loreen Bauer

 Abwesenheit

Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich bin vom 02.–05.09. abweisend. Ab 06.09. bin ich dann wieder freundlich.

Norbert Behr

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer