Vom Fachmann für Kenner | Juni 2014
Unnütz
Neulich habe ich zum ersten Mal versucht, meine Einschlafschwierigkeiten mit einem von einer Bekannten empfohlenen »Einschlaftee« zu bekämpfen. Dieser schmeckte zu meiner Überraschung sogar recht gut, und er machte mich tatsächlich müde, also nichts wie ab ins Bett! Der Haken: Wie zum Teufel soll man bitte schlafen können, wenn man vom Teegenuß dann ständig aufs Klo muß?
Thomas Neubauer
Die Wände haben Ohren
Die Räume in meiner neuen Wohnung sind so schlecht isoliert, daß ich, ob ich will oder nicht, immer weiß, welchen Radiosender die Nachbarn gerade hören, wann sie Sex haben, wer zu Besuch ist und so weiter. Ich schätze, ich hätte nicht ins Horchparterre ziehen dürfen.
Frederik Moche
Mein größter Wunsch
Ich wär so gern ein Gsella-Vers,
den du, mein Liebling, liest.
Der Gsella-Vers, der wär ich gern,
vor dem du niederkniest.
Ach, wär ich doch ein Gsella-Vers,
der dich betört, entzückt,
dem du gleich tausend Küsse schenkst,
weil er dich so beglückt.
Ein Gsella-Vers, nur einmal sein,
was würd ich dafür tun!
Nackt läsest du mich jede Nacht,
ich dürfte bei dir ruh’n.
Moritz Hürtgen
Lebensabschnitt
Mein Kumpel Bernd ist von Bier auf Wein umgestiegen. Er meint, er sei jetzt in den Stoffwechseljahren.
Uwe Geishendorf
Lang und schmutzig
Zugegeben, das Bäuerchen »Minsk« entlockte mir ein Schmunzeln, aber sonst fand ich die Idee, spät nachts in der Kneipe »Hauptstädterülpsen« zu spielen extrem nervig und bescheuert, denn ein langgezogenes »Rooom« konnte mich genausowenig amüsieren wie ein baßlastig aufgestoßenes »Ulan Bator«. Weil mich auch ein recht wohl artikulierter »Antananarivo«-Rülpser nicht überzeugte, wollte ich den Kreis der Bekannten gerade verlassen, als ein altgedienter Asienkenner an unseren Tisch kam und, nachdem er eingeweiht worden war, begann, fünfzehn Minuten lang Luft zu schlucken, um dann mit ungeheuerlichem Lungenvolumen in einem Zug den thailändischen Originalnamen von Bangkok in den Schankraum zu röhren: Krung Thep Mahanakhon Amon Rattanakosin Mahinthara Ayuthaya Mahadilok Phop Noppharat Ratchathani Burirom Udomratchaniwet Mahasathan Amon Piman Awatan Sathit Sakkathattiya Witsanukam Prasit. Nachhaltig beeindruckt blieb ich doch noch ein Weilchen.
Karsten Wollny
Geschmackssache
Manche Menschen essen, weil es ihnen schmeckt, manche, um ihre Körperfunktionen zu erhalten. Für letztere gibt es den Vital-Salat, für erstere müßte es eigentlich auch einen Letal-Salat geben: Etwas, das so gut schmeckt, daß man dafür zu sterben bereit ist.
Tibor Rácskai
Liegt denen in den Genen
Mich erstaunt immer wieder, daß es stets und ausnahmslos die allerdümmsten Menschen sind, die die These von der hauptsächlich angeborenen Intelligenz unterstützen und sogar lauthals bejubeln. Ob die das wohl von ihren Eltern geerbt haben?
Mark-Stefan Tietze
Der Top-Hit vom Trachtenfest
»Und immer wieder / sind es dieselben Mieder, / die sich anfühlen, / als würde die Zeit stillstehen.«
Valentin Witt
Verloren im Synonymdschungel Afghanistans
Bei einem Afghanen handelt es sich um einen Menschen aus Afghanistan oder um einen Hund mit langem Fell. Schwarzer Afghane wiederum bezeichnet entweder einen Menschen aus Afghanistan mit schwarzer Hautfarbe, einen Hund mit langem schwarzen Fell oder ein berühmt- berüchtigtes Cannabisprodukt. Zu erklären, was die Schlagzeile »Schwarzer Afghane von schwarzem Afghanen verspeist« alles bedeuten könnte, sprengte jedoch den Rahmen dieser Rubrik.
Benjamin Bäder
Loyal mit dem schwachen Geschlecht
Um das männliche Geschlecht dabei zu unterstützen, aus seiner Identitätskrise herauszukommen, weil es ja Männer heutzutage nicht mehr so leicht haben und überhaupt schwer unterdrückt werden von der Gesellschaft, habe ich mir heute wieder besonders Mühe gegeben: Ich habe extra viel gequatscht (über Nagellack, Frauenfernsehen, Latte macchiato), meine mütterlich-warmherzige Seite ausgelebt, süße Karten mit Häschen drauf geschrieben, Verständnis für die Probleme des Postboten gezeigt, dann aber bei meinem Mann eine Runde vom Feinsten rumgezickt und zum krönenden Abschluß noch versucht einzuparken. Und so schlecht war ich noch nie: Vier Versuche in Parklücke eins, dann nochmal drei in Parklücke zwei, in der mein Wagen jetzt steht, aber lächerlich schief, und das bei mehr als ausreichendem Platz. Ich hoffe, die Herrschaften wissen meine Bemühungen zu würdigen.
Christina Hahn
#Dystopie
Wenn unsere jungen Menschen, deren Hirne ja jetzt schon kaum mehr zu gebrauchen sind, dem verderblichen Einfluß der neuen Medien trotz Schirrmachers Warnschreien weiterhin ausgesetzt bleiben, all dem langzeitgedächtniszerstörenden Wisch und Weg auf Winzbildschirmchen, dem Teufelswerk namens Spotify, Tumblr, YouSpace, Myporn und »Tweed« (Schirrmacher), dann gehen – hallo! Aufpassen, Kids! Jetzt mal kurz keine Freundschaftsanfragen beantworten, sondern konzentriert weiterlesen! Also: …dann gehen die Pointen in den beliebten Klassenzimmer-»Kindermund«-Büchern ab ca. 2050 ca. so: »… komponierte Alban Berg nach dem berühmten Stück von Georg Büchner seine Zwölftonoper ›Whatsapp‹!«, »Und dann Cäsar so: Auch du, mein Sohn Bluetooth?«, »… begann der unaufhaltsame Siegeszug der Navis unter Adolf Twitter…«. Wobei mir grad einfällt, daß es 2050 natürlich keine Bücher mehr gibt. Die Zitate der Schüler werden per Siri-Spracherkennung aufgezeichnet, verschriftlicht und direkt aufs Kindle geladen. Was rauskommt, ist ein Kindermund-Kindle. Aber das ist mir selbst im Witz zu, äh: kindisch. So, ich versenke mich jetzt wieder in meinen Ohrenbackensessel und in meine seriöse FAZ!
Michael Ziegelwagner
Es gibt keine Zeugen
Daß vor jedem »Tatort« darauf hingewiesen wird, daß die nun folgende Sendung für Blinde und Sehbehinderte im Zweikanalton ausgestrahlt wird, finde ich äußerst lobenswert und im Sinne einer angestrebten Minderung von Verständnisbarrieren wirklich gut! Sind aber – andererseits – nicht sowieso alle Seher des »Tatort« entweder blind oder sehbehindert?
Sebastian Klug
Positive Psychologie
Jahrelang hatte ich am Morgen nach einem Rausch bei schlechter Stimmung alle Fröhlichkeit und Frivolitäten vom Vorabend vergessen. Dann habe ich von Psychologen gelernt, was »affektives Priming« ist: nämlich, daß Erinnerungen wiederkommen, sobald man in die gleiche Stimmung gelangt. Sogleich ausprobiert und siehe da: beim nächsten Rausch waren Fröhlichkeit und Frivolitäten wieder da.
Michael Höfler
Undenklich
Bis hierher und keinen Zentimeter weiter: Das dachte ich, als ich durch den Drogeriemarkt schlenderte und mir vorstellte, die Vorhaut des männlichen Menschenpenis würde permanent nach- und weiterwachsen wie Haare, Fuß- und Fingernägel. Deshalb müßten hier im Geschäft für Deo, Schminke und mehr dann junge Männer verlegen und verschämt um die Körperpflegeecke schleichen, auf der Suche nach speziellen Vorhaut-Scheren und Knipsern – genau an dieser Stelle verbot ich meiner Phantasie, noch einen einzigen Schritt weiter zu gehen. Keinen Millimeter sozusagen… Mist! Schon ist’s passiert!
Theobald Fuchs
Nachtunruhe
Manchmal träume ich, ich stünde nackt auf einer Blumenwiese in einem idyllischen Bob Ross-Bild. Und das letzte, was ich höre, ist: »Oh, he’s just a happy little accident!«
Teja Fischer
Der nächste Schritt
Immer jüngere Mädchen achten heutzutage bereits stark auf ihr äußeres Erscheinungsbild, schießen unzählige Bilder von sich und bearbeiten diese dann nach, um Unvollkommenheiten auszumerzen. Meine Tochter wollte kürzlich sogar alte, aber bereits digitale Kinderfotos am Computer optimieren, um sie dann ohne Makel auf Facebook zu veröffentlichen. Da ein Trend erst stirbt, wenn er bis zum Maximum ausgereizt wurde, muß der nächste logische Schritt eigentlich die Retusche von Ultraschallbildern Ungeborener im Mutterleib sein. Auch wenn ich hoffe, daß es nicht soweit kommt, einen Namen habe ich dafür schon: Fötoshop.
Ernst Jordan
Tomaten auf den Ohren
Wir warten an einer Straßenecke auf den Dritten im Bunde und beobachten einen dieser hier üblichen Geschäftstypen, der artgerecht geschäftig, laut und ungeniert in sein Mobiltelefon spricht. »… hahahaaaa, frische Tomaten!« hören wir noch, dann ist der Mann um die Ecke verschwunden. Fragend blicken wir uns an: Was könnte diese Kombination aus amüsiertem Ausruf und den Wörtern »frische« und »Tomaten« ausgelöst haben? Was mag die Person am anderen Apparat gesagt haben? War es Spott über die kulinarischen Künste eines Verwandten? »Opa macht mal wieder seine berühmte Bolognese, mit frischen Tomaten.« – »… hahahaaaa, frische Tomaten!« War es ein Fehlkauf? »Weißt du, wonach mein neues Raumspray duftet? Frische Tomaten!« Ein Erinnerungsunfall? »Kennst du noch den Frühneunziger-Frauenfilm mit Kathy Bates, ›Frische Tomaten‹?« Ein Mißverständnis? »Ich fragte: Habt ihr Tische im Garten? Was hast du verstanden?« – »… hahahaaaa, frische Tomaten!« Oder war es am Ende schlicht die Antwort auf die Frage: »Weißt du, was man neugierig ins Gespräch Lauschenden ins Gesicht werfen sollte?«
Tim Wolff
Entscheidungshilfe
Ihre ganze Clique, erzählt die Großmutter, wäre damals sicher im Gefängnis gelandet, wenn sie der Polizei nicht die reine Wahrheit über den Jungen erzählt hätte, der über das Brückengeländer balanciert sei. Immer wieder habe sie ihn mit den Worten »Du traust dich ja doch nicht!« davon abzuhalten versucht, bevor er es dann doch getan habe und in die Tiefe gestürzt sei. Manchmal, resigniert die Großmutter, helfe auch kein gutes Zureden.
Ludger Fischer
Arzt-Knigge
Fast ebenso unhöflich, wie eine Frau nach dem Alter zu fragen, ist es doch wohl, sich vor dem Röntgen nicht mal mehr nach einer eventuellen Schwangerschaft zu erkundigen!
Tina Manske
Harte Hand
Jahrzehnte der Feldforschung in öffentlichen Bädern haben gezeigt, daß Männer mit zunehmendem Alter beginnen, ihren Körper beim Einseifen mit äußerster Härte zu behandeln. Da klatscht das erschlaffte Fleisch, da spritzt die Kernseife und es röten sich die Hände und Schenkel. Warum nur tun sie das? Ist es der Kick der masochistischen, autoerotischen Handlung in der Öffentlichkeit? Verachtung für den alternden Körper? Und vor allem: Wann beginne auch ich damit, mich in Männerduschen zu züchtigen?
Simon Brüggemann