Vom Fachmann für Kenner | April 2016
Schon gewußt?
Je weniger man sich mit Homöopathie beschäftigt, desto mehr weiß man darüber.
Karsten Wollny
Die Erbschaft
Neulich traf ich auf der Straße einen alten Freund. Ich wußte, er hatte jahrelang am Existenzminimum herumgekrebst, vor einem halben Jahr aber einen Haufen Geld geerbt. »Und wie isses so?« wollte ich wissen. »Gar nicht übel«, gab er zurück, »als erstes habe ich mich bei Facebook abgemeldet. Ich kann mir jetzt echte Freunde leisten!«
Christian Y. Schmidt
Ich,
Mitte dreißig und nach wie vor Single, ertappe mich in letzter Zeit immer häufiger dabei, mit Wehmut auf die langjährigen Beziehungen in meinem Bekanntenkreis zu blicken. Bisweilen fehlt es mir doch sehr an dieser innigen partnerlichen Verbundenheit, die sich zum Beispiel in der liebenswürdigen Schrulle äußert, einander die Sätze gegenseitig zu ergänzen. Auch meinen Freunden ist diese Melancholie nicht verborgen geblieben. Ihre Sorge, ich hätte aufgrund meines Alleinseins mittlerweile depressive Züge und eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung entwickelt, die therapeutischer Hilfe bedarf, teile ich allerdings nicht. Das kann nämlich schließlich keiner besser beurteilen als …
Du,
Schatz!
Daniel Sibbe
Statement
Interessantestes Kompliment seit langem bekommen: »Hey Ella, du siehst aus wie die Frau in dem Buch, das ich gerade zu lesen aufgehört habe.«
Ella Carina Werner
Rechtschreibregel
Kommata nach Gefühl, setzen ist auch keine Lösung.
Burkhard Niehues
An der Supermarktkasse
Hinter mir steht ein Pubertierender. Sein Telefon klingelt, er geht ran. »Hallo?« Kurze Pause. »Isch bin real. Ja, isch bin real, Alter.« Ein hochphilosophisches Telefongespräch! Da sage noch einer, Kiezdeutsch trage zur Verblödung der Jugend bei!
Sebastian Austerdal
Tip is not a town in China
Auf deutsch: Trinkgeld ist kein Ort bei Jena.
Wilm Johann to Settel
Gestern klingelte es zweimal
Es war aber nicht der Postmann, sondern ein kleiner dicker Mann mit Dreitagebart. Er hielt mir eine laminierte Karte zum Lesen hin: »Ich bin Rumäne und bitte um eine kleine Spende für ein Zugticket nach Hause.« Ich war fasziniert davon, daß er gleichzeitig an meine Mildtätigkeit und an meine Fremdenfeindlichkeit appelierte, und gab ihm natürlich trotzdem nichts.
Tobias Verse
Egal wie…
Vor etwa zwei Wochen ergab sich in geselliger Runde das Thema Wein und seine Bezugsquellen. Ich beteiligte mich mit dem Einwurf, daß wir neulich bei einem Winzer einen durchaus trinkbaren Chardonnay vom Faß für gerade mal 1,50 Euro pro Liter erstanden hätten. Gleich bemerkte ich die Zornesfalten auf der Stirn meiner Freundin, und auf der Heimfahrt mußte ich mir anhören, was mir denn einfiele, uns mit einer solchen Bemerkung in die Ecke von Schnäppchenjägern zu rücken. Wenige Tage später, in anderer Runde, unglücklicherweise zum gleichen Thema, stieg ich mit dem Satz »Neulich hatten wir da einen ganz exquisiten Barolo, für den unser Weinhändler aber auch gute 20 Euro aufruft« in die Diskussion ein. Danach kam seitens meiner Freundin folgerichtig der Vorwurf, wie ich denn jetzt darauf käme, uns als Luxusdeppen zu präsentieren. Ich habe mir daraufhin vorgenommen, bei nächster Gelegenheit mit Preisen von fünf bis sieben Euro zu starten – und freue mich schon jetzt auf ihre Anfeindungen, etwa in Richtung: »Willst du uns hier als mittelmäßige Durchschnittssäufer in Verruf bringen?«
Helge Möhn
Schicksal der Leidenschaft
Es war einmal ein Fotograf, der wurde darüber verrückt, daß er mit seiner neuen Kamera kein Foto von seiner neuen Kamera machen konnte.
Elias Hauck
Drinzählen, das
Wenn man – mit noch feuchten Händen, im Vorraum einer öffentlichen Toilette, sichtgeschützt von der draußen sitzenden Klodame – seine Brieftasche herausholt und nach Kleingeld sucht, um die peinliche Situation zu vermeiden, vor der Frau mit nur fünf Cent dazustehen oder aber ein Zwei-Euro-Stück opfern zu müssen.
Robert von Cube
Kleine Lebensmittelkunde
Schmeckt weniger gut, als es klingt: Sahnekapsel, Pfefferspray, Preßkuchen.
Schmeckt immerhin besser, als es klingt: Brechbohne, Gichtbeere, Eiertomate.
Julia Mateus
Kurzdrama mit glücklichem Ausgang
In der Theaterkantine, am Nebentisch Josef Bierbichler, der sich eben zum Gehen wendet.
Ich (die letzte Gelegenheit ergreifend): »Herr Bierbichler, darf ich Sie um ein Autogramm bitten?«
J.B: (genervt) »A geh! Des bringt Eahna doch nix!«
Ich: »Doch.«
J.B: (schwankend) »Naa, des macht Eahna doch net glücklich!«
Ich: »Doch, das ebnet den Weg ins Himmelreich.«
J.B: »A geh, Sie san doch koa zehnjähriger Bua!«
Ich: »Schon! Im Herzen… schon!«
J.B: »Mei, wenn’s ma mitm Herzen kommen, dann kann i ja net anders.« (signiert Programmheft und ab)
Tibor Rácskai
Die Deutschen haben bestimmt ein Wort dafür
Kennen Sie das: diesen Gefühlsmix aus gleichen Teilen Scham und Erleichterung, der sich einstellt, wenn ein Mädchen, in das man während der Abiturzeit verliebt war, auf Facebook Beiträge von höchst fragwürdigen Seiten wie »Russia Today«, »Anonymous« oder »Deutsche Wirtschafts Nachrichten« teilt?
Torsten Gaitzsch
Ärgerlich
Wenn der Mensch wie eine Maschine ist, die sich selbst bedient, dann kam mein Modell leider ohne Bedienungsanleitung.
Henning Christiansen
Aus der Philosophie
In einer vieldiskutierten Passage seiner »Wissenschaft der Logik« bemerkt Georg Wilhelm Friedrich Hegel, daß das Werden »das Verschwinden von Seyn in Nichts, und von Nichts in Seyn, und das Verschwinden von Seyn und Nichts überhaupt« sei, betont jedoch, daß es »zugleich auf dem Unterschiede derselben« beruhe. »Es widerspricht sich also«, so Hegel weiter, »in sich selbst, weil es solches in sich vereint, das sich entgegengesetzt ist.« In Wahrheit ist’s natürlich genau umgekehrt.
Andreas Maier
Ein frommer Wunsch
Wenn es eine Wiedergeburt gibt, dann möchte ich tot geboren werden.
Thomas Hintner
Man weiß nie
Der »Später-wegwerfen«-Papierstapel auf dem Schreibtisch ist Ausdruck der Erkenntnis, die Mechanismen der Welt nicht einfach durchschauen zu können: Sachbearbeiterinnen der AOK klingeln möglicherweise an der Haustür und fordern eine Beitragsberechnung zurück. Mäzene treten auf den Plan und wollen die ungelenksten Kritzeleien für ein Heidengeld kaufen. Freunde überprüfen des öfteren, was eigentlich aus der Postkarte ihres letzten Mallorca-Urlaubs geworden ist.
Laura Messmer
Hackordnung
- Rind
- Halb und halb
- Schwein
- Pute
Peter v. Mühlendahl
April, April
Jedes Jahr am ersten April binde ich ein prall gefülltes Portemonnaie an eine unsichtbare Schnur, plaziere es augenfällig auf dem Gehsteig und verkrieche mich mit dem anderen Ende der Schnur im nächstbesten Gebüsch. Auf der Lauer nach Geldfundinteressenten warte ich dann darauf, daß jemand stehenbleibt. Sobald dies geschieht, der Jemand sich vergewissernd umgeschaut hat, sich reckt und nach der Börse greift, springe ich aus meinem Versteck und eröffne flink das Feuer. Der Klassiker.
Alexander Schweikert
Bedenklich
Ist es ein erstes Anzeichen von Verbitterung, wenn man aufwacht, weil man den eigenen Traum zu kitschig findet?
Teja Fischer
Nicht übertreiben
In der Bäckerei sitzt eine sehr alte Frau am Tischchen neben der Auslage und bespricht mit einer Angestellten ausführlich die Beschaffenheit einer Jubiläumstorte. Die ganze Familie wird zur runden Geburtstagsfeier kommen. Eine große 90 auf der Torte wäre doch schön, regt die Konditorin an; die alte Dame reagiert aber eher ablehnend. Als die Konditorin nicht davon abläßt, raunt sie dieser zu: »Ich bin doch eigentlich schon 93.«
Miriam Wurster