Vom Fachmann für Kenner | Juli 2017
Vorschnelles Urteil
Nach einem One-Night-Stand schrieb mir eine Frau, ich sei ein »miserabler Liebhaber«. So etwas ärgert mich. Als ob man das nach nur zwei Minuten beurteilen könnte!
Ringo Trutschke
Halal?
War kürzlich als Elternvertreter mit auf einem Schulausflug unseres Sohns. Beim Frühstück sitze ich gegenüber der Lehrerin. Ein Schüler hat am Jugendherbergsbuffet ein ihm offenbar unbekanntes Lebensmittel entdeckt, das er trotzdem gerne verspeisen möchte. Besorgt um die Reinheit seiner selbst, kommt er zu der Pädagogin, hält ein hartgekochtes Ei hoch und fragt: »Ist da Schwein drin?«
Peter Henrich
Frau mit Brille
Seit ich ’ne Brille habe, denken auf einmal einige Menschen, daß ich ’ne richtig schöne Frau wäre, wenn ich die Brille nicht hätte. Als ich die Brille noch nicht hatte, waren sich viele Menschen sicher, ich wäre noch häßlicher, wenn ich noch dazu ’ne Brille hätte.
Kirsten Fuchs
Unvereinbar
Den Widerspruch zwischen sich ausschließenden ästhetischen Bedürfnissen auszuhalten, bis dereinst eine bessere, sie aufhebende Ordnung der Dinge vom Himmel fallen möge, ist Aufgabe aller heute Denkenden. So kann ich entweder vierlagiges Luxus-Komforttoilettenpapier kaufen ODER in einem schnieken Altbau mit leider historisch viel zu knapp bemessenen Abwasserrohren leben. Mögen spätere Generationen unserer Leiden eingedenken.
Leo Fischer
Zirkuläre Grußschleife, die
beschreibt die ausweglose Situation, in der man ist, wenn man jemanden per Fehlgruß versehentlich gegrüßt hat, dieser daraufhin bei zukünftigen Begegnungen zurückgrüßt und man in der Folge selbst aktiv die Person weitergrüßt – um ihr nicht sagen zu müssen: »Entschuldigung, ich hatte Sie ursprünglich eigentlich versehentlich gegrüßt.«
Robert von Cube
Modernes Klassenbewußtsein
»Nun sieh es doch mal so, Spartacus, andere Leute haben noch nicht einmal eine Arbeit!«
Karsten Wollny
Vorbild Bossa-, nein: Supernova
Ein Stern zerbarst im Weltenall
Ich glaub, es war ein Todesfall.
Der Stern war fortan keiner mehr
Und ist das auch schon lange her
(zehn Jahre wohl so ungefähr)
So leuchtet, wo er nicht mehr ist
Sein Licht doch in der Finsternist
Kann das nicht tote Liebe auch?
Das wäre ein sehr schöner Brauch.
Gunnar Homann
Beifall für Bäcker
Gelobt sei, was Tarte macht.
Tanja Schmid
Linie 10
Durchsage in der Straßenbahn: »Bitte achten Sie auf Ihre Wertsachen, es sind Taschendiebe am Werk.« Alle Hände weisen reflexartig den Weg zu den Geldbeuteln in Hosen-und Handtaschen.
Miriam Wurster
Sternstunden der Geschichte
Mein alter Geschichtslehrer Dr. Volk war ein echtes Unikat. Unvergessen bleibt mir der Tag, an dem sich der Historiker aufgrund einer unglücklichen Stundenplangestaltung mitsamt seinem Oberstufenkurs in einer vermeintlich viel zu beengten Räumlichkeit wiederfand, die es ihm nach eigener Ansicht unmöglich machte, seine mit allerlei Karten- und Dokumentationsmaterial generalstabsmäßig geplante Stunde zum Thema »Legitimation des deutschen Eroberungskrieges im Osten in der nationalsozialistischen Kriegsrhetorik« abzuhalten. Mit uns im Schlepptau preschte er daraufhin ohne Rücksicht auf Verluste laut polternd auf der Suche nach einem geeigneten Klassenzimmer durch die gesamte Schule. Noch heute gelten jene 45 Unterrichtsminuten als Lehrbeispiel für die schülernahe, handlungsorientierte Darstellung vom »Volk ohne Raum«.
Daniel Sibbe (Notabitur 1993)
Sportlich betrachtet
Wenn ich bei Facebook die Urlaubsbilder meiner Freunde anschaue, fällt auf, daß sich die Settings in zwei Lager spalten: Die Alleinreisenden posten oft ihre nackten Füße vor Meerblick, als Deko dienen Weinglas und Aschenbecher. Paare fotografieren meist ganze Alben von Sportausrüstungen, Unterwasserwelten und erlangten Zertifikaten, zum Finale natürlich die beiden Liebenden mit Sonnenbrand um die Schnorchelmasken, gerne untertitelt mit Sätzen wie: »Erschöpft, aber glücklich.« Langsam frage ich mich, ob sie wirklich funktionieren kann, die Liebe ohne Tauchschein.
Katinka Buddenkotte
Ein Satz mit Tegernsee
Auf Karten im Café
ich stets auch Tegernsee.
Wolfgang Beck
Erinnerungsarbeit
Momentan fühle ich mich in die Zeiten von Windows 95 zurückversetzt, als es noch keine Ultra-HD-Darstellung auf den Monitoren gab, sondern sich diejenigen etwas einbilden konnten, deren Bildschirme es auf 256 Farben brachten. Das ist nämlich ziemlich exakt die Anzahl an Farbschichten, die die Deppen von Vormietern nacheinander auf die Rauhfasertapete gepinselt haben, die ich gerade im Begriff bin, von den Wänden zu kratzen.
Helge Möhn
Woran Logiker am Waschtag verzweifeln
Wendejacken auf links waschen.
Christian Jöricke
Reisetip
Früher wurde dem Touristen geraten, in schlecht beleumundeten Gegenden – also eigentlich allen Städten und Ländern, in denen man nicht geboren wurde – niemals mit einem Stadtplan in der Hand herumzulaufen. Zu schnell wäre man als Reisender und damit dankbares Opfer für Taschendiebstähle, Raubüberfälle oder Entführungen zu erkennen. Heute sieht das völlig anders aus: Wer dieser Tage mit einem Stadtplan zum Beispiel durch die düsteren Gassen von Neapel oder die New Yorker Bronx irrt, signalisiert zwar, ein Tourist zu sein – aber ein sehr, sehr armer, der sich kein Smartphone leisten kann. Zu arm für einen Überfall.
Katharina Greve
Konsumdrang
Ich: »Bitte einen Fahrradschlauch und einen Reifen!«
Fahrradladenfachverkäufer: »Mit einem normalen Ventil?«
Ich: »Wie sieht denn ein unnormales Ventil aus?«
Fahrradladenfachverkäufer: »So.«
Habe es dann aus Mitleid gekauft.
Helene Bockhorst
Besser als du
Ich will ja nicht angeben oder irgendwen neidisch machen, aber ich passe immer noch in meine Konfirmationssocken.
Karl Franz