Vom Fachmann für Kenner | Oktober 2018
Gedanke zum Tag der Deutschen Einheit
Ob meine Mutter irgendwann bemerken wird, dass ich sie an Sonn- und Feiertagen immer nur besuche, wenn ich vergessen habe einzukaufen?
Cornelius W. M. Oettle
Therapie
Wer unter Durchsetzungsschwäche leidet, kann sich ganz leicht mit Hilfe seines Navigationsgerätes selbst therapieren. Man muss immer in eine vollkommen andere Richtung fahren, als die Stimme aus dem Gerät vorschlägt. So lernt man im Wortsinne, seinen eigenen Weg zu gehen. Nachteil: Man kommt nie wieder nach Hause.
Günter Flott
Lehren und lehren lassen
Bei Lehrern und Professoren ist der Spruch »Wer kann, tut, wer nicht kann, lehrt« nicht beliebt. Das aber lehrte Bernard Shaw. Ob er wusste, was er tat? Oder lehrte er es bloß?
Ludger Fischer
Comicidee
Das Ermittlerduo »Die Algorith-Men« ist immer da, wo am wahrscheinlichsten was passiert.
Johannes Floehr
Alleinstellungsmerkmal
Dass das Unternehmen, in dem man arbeitet, 50plus-freundlich ist, erkennt man als Mittdreißigerin unter anderem daran, dass man von sämtlichen Kollegen mehrmals am Tag gefragt wird, welches Telefon gerade klingelt.
Julia Mateus
Wille zur Machtlosigkeit
Kürzlich schlenderte ich bei einer Demonstration neben ein paar Autonomen her. Sie versuchten sich in lautem Skandieren. Nach ein paar Klassikern (»Hoch die internationale …«, »Wer hat uns verraten …«) gingen ihnen aber die Parolen aus. In die folgende peinliche Stille warf jemand hastig ein: »Alle Macht der Anarchie!« Sofort entzündete sich eine hitzige Debatte über die Frage, ob und wie man Macht einfordern darf, um Machtstrukturen abzuschaffen. Nach einigen gemeinen, internen Spitzen gegeneinander verstummte die Truppe, und wir liefen fortan schweigend nebeneinander her.
Jürgen Miedl
Warnungen
verschiedener Hilfsorganisationen zum Trotz: Organhändler haben auch ein Herz für Kinder.
Nick Hertzberg
Zeiten ändern sich
Nachdem sich Ende August bei der EU-weiten Online-Umfrage zur Zeitumstellung rund 80 Prozent der insgesamt 4,6 Millionen Teilnehmer für eine Abschaffung ausgesprochen hatten, bin ich mir unsicher: Wird die Empfehlung der EU-Kommission an alle Mitgliedsstaaten im Oktober jetzt vor- oder erst noch zurückgestellt?
Daniel Sibbe
Perspektivwechsel
»Du machst ’ne Kur«, ruft mir mein Nachbar zu, als er mich, gerade vom Einkaufen zurückkommend, vor meiner Wohnung antrifft. »Nein«, sage ich, »ich schließe die Tür auf.« »Also gut«, korrigiert er sich: »Du gehst in Kur.« Woraufhin ich – wahrheitsgemäß – antworte: »Nein, ich fahre mit dem Zug.« Daraufhin er: »Du bist echt anstrengend.« Aus dieser Perspektive hatte ich das noch gar nicht betrachtet: dass man Leute zur Kur schickt, damit sie ihren Mitmenschen mal eine Zeitlang nicht auf den Keks gehen.
Burkhard Niehues
Abgelehnt
Ich wollte eigentlich unser Reihenhaus zu einem Mehrgenerationenhaus machen, aber meine Frau kam mit der Anwesenheit der zum Teil wesentlich jüngeren Damen einfach nicht klar.
Uwe Geishendorf
Ein Gutes
hat die Zerstörung der Umwelt ja auch: Sie beschenkt die Poesie mit neuen Bildern. Zum Beispiel: »Die Latte Macchiato hatte den zarten Braunton eines komplett verbrannten Rasens.« Oder: »Der Boden vibrierte wie hundert SUVs morgens um halb acht vor der Grundschule.« Oder auch: »Der Ozean strich sanft über den Sandstrand wie mit Plastikhandschuhen.«
Theobald Fuchs
Cypress Hill
sind fein raus bei der Steuererklärung. Die Jungs haben wirklich alle Bongs aufgehoben.
Felix Bellermann
Verlorene Generation
Kürzlich habe ich mit unserer neunzehnjährigen Praktikantin über Musik diskutiert. Als alter Grunge-Liebhaber fragte ich natürlich, ob sie Soundgarden kenne. Sie meinte nur, sie sei mit Spotify total zufrieden.
Ringo Trutschke
Tragik
Seit ich meine Therapeutin geghostet habe, fürchte ich, ihr irgendwann einmal über den Weg zu laufen und mich dann erklären zu müssen. Diese Angst ist inzwischen so groß, dass ich mich kaum mehr auf die Straße traue, Menschen meide, eine regelrechte Sozialphobie entwickelt habe. Nun bräuchte ich eine neue Therapie – aber woher weiß ich, dass ein anderer Psychologe mich nicht verpetzen würde? Die stecken doch alle unter einer Decke!
Valentin Witt
Verbesserungsvorschlag
Mit Magermodels und Schlankheitswahn wäre sofort Schluss, wenn Gucci, Armani und Co. nicht nur Handtaschen, sondern auch Teigtaschen anbieten würden.
Tibor Rácskai
Berufskrankheit
Nun wollten wir endlich die Anfertigung unserer Hochzeitsringe in Angriff nehmen, das heißt, uns fachkundig zu Materialauswahl, Gestaltung, Inschriften beraten lassen. Doch leider hat unsere Goldschmiedin den für nächste Woche anberaumten Termin aufgrund einer längeren Krankheit absagen müssen. Hoffentlich nichts Gravierendes!
Matthias Stangel
Der fröhliche Glatzkopf
Haarausfall? Man muss auch die Vorteile sehen. Haarkrebs kann ich schon mal nicht mehr kriegen.
Christian Y. Schmidt
Berufswunsch
Auch wenn es privat eher weniger gut läuft, seit ich meinen Job bei Astro-TV habe, konnte ich mir zumindest beruflich endlich meinen Traum verwirklichen: irgendwas mit Medien.
Karl Franz
Blablacat
Meine mir zwischen den Beinen rumwuselnde Katze sucht immer eine Mitfallgelegenheit.
Tobias Speckin
Unfreiwillige Verbalidentität, die
Wenig ist erschütternder für das Ich-Gefühl, als wenn man im Gespräch mit einer Person plötzlich sich selbst wie der andere reden hört, in unwillkürlicher Imitation der Sprechweise des Gegenübers.
Robert von Cube
Zur Willensfreiheit
Wenn man einen Philosophieprofessor fragt, ob er einem Feuer geben kann, antwortet er eventuell: »Nein. Ich muss.«
Anastasia Maczka
Tatsache
Würde der Mensch ohne eine einzige Deformation durch die ersten zehn Jahre kommen, könnte er bis zu vier Meter groß werden.
Teja Fischer
Antike Buchmesse
Apostel Paulus liest aus dem ersten Korintherbrief. Ehe der Hahn zum vierten Mal kräht, in Halle 5.1.
Miriam Wurster