Vom Fachmann für Kenner | August 2020
Ethische Frage
Gesetzt den Fall, der Bandwurm wäre vom Aussterben bedroht –, sollte man ihn dann retten? Und wenn ja: Wer meldet sich freiwillig?
Katharina Greve
Wo das wahre Outdoor beginnt
Dass du dich in einer echten Wildnis aufhältst, merkst du spätestens dann, wenn du im lichtlosen Gestrüpp stolperst und dir während des Fallens in Sekundenbruchteilen überlegst, ob es sicherer wäre, den Sturz aufzufangen oder die Hände in den Hosentaschen stecken zu lassen. Brennnesseln, Nacktschnecken, Jauchepfützen, das sind alles extrem schwer einzuschätzende Landezonen. Profis fallen übrigens erst gar nicht hin.
Theobald Fuchs
Einfache Erkenntnis
Bei näherer Betrachtung ist Zwillingsforschung hauptsächlich doppelte Arbeit.
Tim Wolff
Fahrt in den Urlaub
Wer schon mal auf der Autoroute unterwegs war, dem ist es bestimmt aufgefallen: In Frankreich und nur in Frankreich überholt man alle paar Kilometer ein einsam auf der rechten Spur vor sich hin blinkendes Auto. Wo ist man mit seinen Gedanken, fragen wir Deutschen uns da entzückt, wenn man nach dem Spurwechsel nicht nur vergisst, den Blinker auszuschalten, sondern es sogar schafft, sein enervierendes Klacken dauerhaft aus der Wahrnehmung zu verdrängen? In jedem Fall nicht auf der Straße, das verdient schon mal Bewunderung. Vielleicht sogar überhaupt nicht unterwegs, sondern auf Seite 93 der buchstäblich fesselnden Ménage-à-trois, die zu Hause aufgeschlagen vor dem Kamin liegt und sich bereits darauf freut, am Abend wieder einen Tropfen Chardonnay abzubekommen? Oder bei den zwei kleinen Töchtern und ihrer bezaubernden Mutter, von der man in genau diesem Moment angerufen wird, aber nur, weil sie sich am Piano auf das Telefon gesetzt hat und einem jetzt unbemerkt ein Ständchen spielt? Es wird wohl immer ein süßes Geheimnis bleiben.
Teja Fischer
Überlegung
Ich würde zu gerne wissen, ob ich meine acht Spinnen schon im Schlaf gegessen habe, oder ob ich mir heute nacht noch eine genehmigen kann.
Camillo Rota
Digital
Vor kurzem fuhr ich an einem Auto vorbei, das für »Digitale Inkontinenzversorgung« warb. Dieser Ausdruck stimmte meine Fantasie derart ratlos, dass ich den Begriff googelte, um festzustellen, was sich dahinter verbirgt: eine App, die mittels Chip an der Windel des Klienten dem zuständigen Krankenpfleger mitteilt, wann das Material maximal ausgelastet ist und gewechselt werden muss. Seit dieser Wissenserweiterung schmecken mir meine täglichen zehn Zigaretten wieder deutlich besser. Mögen sie doch vielleicht verhindern, dass auch mein Stuhlgang eines Tages über eine App kontrolliert wird.
Larissa Letz
Beobachtung
Wie man an der langen Wartezeit für einen Termin in der Uniklinik-Spezialsprechstunde für seltene Krankheiten erkennen kann, sind seltene Krankheiten ziemlich häufig.
Irmtraud Hnilica
Reinkarnation
Das mit Abstand Nervigste an all diesen Menschen, die an Reinkarnation glauben, ist, dass sie zu jeder Person und bei jeder Gelegenheit sagen: »Also, als ich in deinem Alter war …«
Jona Drewes
Beauty-Tipp
Jüngst wollte ich Wimperntusche im Schönheitssalon kaufen. Die Visagistin nahm sich viel Zeit, empfahl ein gutes Produkt, auch noch den passenden Lidschatten dazu und fragte dann: »Kennen Sie weißen Kajal? Nein? Probieren Sie den doch mal am unteren Lidrand.« Ich machte den Versuch, fand das Ergebnis aber irgendwie sonderbar: Der Blick wirkte starr, glubschig-wässrig, die Tränensäcke schwollen an, wurden durch breite Schattenringe untermalt, und als die Kosmetikerin erläuterte: »Horst Tappert, Sie wissen schon, der Derrick, der schwor auf weißen Kajal. Niemals stellte er sich ohne weißen Unterlidstrich vor die Kamera«, entschloss ich mich, fürs erste auf diesen Stift zu verzichten.
Miriam Wurster
Traumwohnung
Während des Lockdowns habe ich geträumt, ich hätte für den Dumont-Verlag einen Reiseführer über meine Wohnung geschrieben. Nach einigen Monaten bekam ich einen bösen Brief vom Verlagsleiter, ich möge endlich, wie versprochen, aus meiner Wohnung ausziehen, da der von mir verfasste Reiseführer ja nur für einen Nachmieter meiner Wohnung einen Anreiz zum Kauf biete.
Uwe Becker
Lukradtiv
In meinem Viertel ist ein seltsames Verhalten zu beobachten: der Missbrauch mit Körben bestückter, abgestellter Fahrräder als mobile Mülleimer. Wie muss man dieses Phänomen bewerten? Soll mir die Tatsache, dass jene Zeitgenossen dergestalt verfahren, etwa Respekt abnötigen? Nach dem Motto: Seht her, ich habe verstanden und lasse die Reste meiner auf der Straße zelebrierten, alkoholseligen Gelage nicht an Ort und Stelle aus der Hand gleiten, sondern werfe sie stattdessen in irgendein nahestehendes Behältnis? Wie auch immer, kürzlich fand auch ich im Frontkorb meines Mietrads eine halbleere Flasche Bier. Ich legte meine Einwegflasche hinzu, bedankte mich beim Spender, der meinen täglich anfallenden Mietzins für den Drahtesel um ganze acht Cent auf 57 pro Tag verringerte, und fuhr zum Supermarkt, in der Hoffnung auf weitere finanzielle Unterstützung meines Fahrvergnügens. Und falls der unbekannte Spender mal zu hackedicht, sprich des Zielens nicht mehr mächtig sein sollte, die Flasche daraufhin knapp daneben würfe, ich unvorsichtigerweise auch noch über die Scherben rollte, so wäre das auch kein Achsbruch. Das Flicken des Schlauches ist im Nutzungsvertrag des Rades schließlich inklusive!
Burkhard Niehues
O tempora, o mores
Bis vor Kurzem habe ich meine Entscheidungen, welche Geschäfte ich frequentiere, von Kriterien wie Bedarf, Produktvielfalt, Qualität, Freundlichkeit des Personals und Ähnlichem abhängig gemacht. Inzwischen entscheide ich ausschließlich anhand des Geruchs des Handdesinfektionsmittels am Eingang, ob ich reingehe. Mein absoluter Favorit ist der Blumenhändler um die Ecke. Er hat eine Lavendelmischung kreiert. So habe ich immer was auf dem Tisch, wenn auch der Kühlschrank leer ist.
Jochen Kaduff
Körpereigene Alarmanlage
Mittlerweile gibt es ja allerhand Smartwatches und Apps zur Überwachung und Optimierung des Schlafes auf dem Markt. Dass aber auch die natürliche Schlafregulation ganz gut funktioniert, merkt man, wenn man nach versehentlichem Wegdösen am Nachmittag vom eigenen Schnarchen prompt wieder geweckt wird.
Julia Mateus