Vom Fachmann für Kenner | Dezember 2020
Naturgesetz
In gewissen Abständen gibt es ein großes Bambussterben, alle Bambusse gehen zur gleichen Zeit ein, denn sie stammen aus der gleichen Züchtung. Bei Kugelschreibern ist es ähnlich, wenn einer leer ist, sind spätestens am nächsten Tag auch alle anderen leer.
Miriam Wurster
Keinen kühlen Kopf bewahren
Wer viel überlegt, erzeugt intensive Durchblutung im Hirn. Beanspruchte man beim Denken alle Hirnregionen, ließe dies die Kopftemperatur auf über 60 Grad ansteigen. Weil das sehr unangenehm ist, entscheiden sich die meisten Menschen dagegen. Dabei kann in bestimmten Gefahrensituationen die Vollauslastung des Gehirns geradezu lebensrettend sein. Wer zum Beispiel von einer Lawine verschüttet wird und infolgedessen sehr viel und komplex nachdenkt, kann sich so aus den Schneemassen einfach wieder herausschmelzen.
Günter Flott
Event History meets Dark Tourism
Zur Veranschaulichung meiner Idee stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: Eine Besuchergruppe steht vor einer Touristeninformation versammelt, als plötzlich ein Mann in SS-Uniform angesprungen kommt: »Hallo, ich bin Reinhard Heydrich! Willkommen in meiner Heimatstadt Halle an der Saale. Heutzutage leben hier Menschen aus aller Herren Länder. Doch das war nicht immer so. Kommt mit!« Was folgt, ist die »etwas andere« Stadtführung mit viel Kasernengebrüll, spontanen Scheinhinrichtungen »zufällig« vorbeigehender Statisten, aber auch kritischer Einordnung (Handout bei der Anmeldung). Ja, ich weiß: problematisch! Aber strukturschwache Regionen brauchen frische Ideen. Und ist das oben Beschriebene wirklich gruseliger als ein gewisser Kurpfuscher Doktor Eisenbarth, der mit Lockenperücke und Mittelalter-Singsang Besucher durch das historische Zentrum meiner Heimatstadt scheucht? An Interesse sollte es nicht mangeln. Gerade jetzt, wo in der Pandemie der Binnentourismus zunimmt!
Leo Riegel
Besser als sein Ruf
Ein einziger Kormoran frisst genauso viel Fisch wie ein ausgewachsenes Krokodil! Dafür nicht annähernd so viele Zebras.
Stephan Brug
Neues von Pavel Havel
Eines Tges km Pvel Hvel, dem berühmten tschechischen Großmeister ller Klssen, gnz plötzlich der Buchstbe bhnden. Weil er ber bhnden km, wollte niemnd Pvel Hvel gluben, d er j den Vokl nicht mehr usprechen konnte. Es km noch schlimmer! Pltzlch kmn hm ch ll ndrn Vkl bhndn: Ncht nr ds, sndrn ch ds nd ds. Sgr ds wr ncht mhr d! Vrflxt! – Dch s wr d tschchsch Sprch rfndn.
Tibor Rácskai
Übersetzungsproblem
Sind eigentlich Lateinliebhaber tatsächlich allesamt Latin-Lovers, wie es der Google-Übersetzer vorschlägt?
David Hunecke
Altklug
Meine Eltern warten nun schon seit meiner Geburt ungeduldig darauf, endlich damit angeben zu können, dass ihr Kind hochbetagt ist, und ich hoffe, dass wir alle drei das noch miterleben dürfen.
Benedikt Fait
The Clown Must Go On
Wie schön wäre es, jemandem zu begegnen, der gerade im Begriff ist, einem geschätzten, gefeierten und geliebten Clown auf dessen Posten im Zirkus nachzufolgen. Dann könnte man endlich einmal ganz gerechtfertigt sagen: »Das sind aber große Fußstapfen, in die du da trittst!«
Jürgen Miedl
Failure is not an option
Ich notiere ja wirklich jeden Mist, weil ich Angst habe, dass mir irgendwann einmal die Ideen ausgehen. Falls es jemals so weit kommen sollte, werde ich mich mit einem Blick in meine Notizbücher retten, so der Plan. Infolge eines beiläufigen Tests dieses Systems kamen mir jedoch letzthin Zweifel. Oder hat jemand eine gute Idee, was ich mit »Klassenfahrt in die Akne-Arktis« anfangen soll?
Theobald Fuchs
Klare Sache
Aus weltweiten humanitären Krisen einen persönlichen Vorteil zu ziehen, das ist übel. Aber dass jetzt an jeder Ecke alkoholbasierte Reinigungsmittel herumstehen, daran kann ich als Brillenträger beim besten Willen nichts aussetzen.
Lukas Münich
Kardinalfragen-Song
Selbstverständlich ist die Welt
Gar nicht so, wie sie sein sollte.
Alles dreht sich nur um Geld
Und kein bisschen um Revolte.
Nichts ist, wie es mir gefällt,
Überall nur große Schweine,
Und wenn ich mir Schuh bestell,
Sind es meistens viel zu kleine.
Doch wenn ich ganz ehrlich bin,
Hab ich grad nur eins im Sinn:
Falls ich dich heut küssen sollt, Ilo-ho-ona,
Kriege ich davon Corou-Corou-Corou-ohona?
Gunnar Homann
Die Islamisierung des Abendlandes
ist ja wohl längst vollzogen, wenn man am 1. November von einem Teenager gefragt wird, warum dieser Feiertag eigentlich »Allahheiligen« heiße.
Meggie Christoph
Einerseits, andererseits
Einerseits: Ich bin der Größte, die Steuer ist endlich abgeschickt! Andererseits: Wehe, jetzt geht die Welt unter und ich Trottel hab noch die Steuer gemacht!
Felix Scharlau
Im Vertrauen
Diese Situation, wenn Mitreisende in der Bahn aufstehen und mich bitten, kurz mal auf ihre Sachen aufzupassen. Ich weiß gar nicht, was mich mehr freut: die immer wieder neu gemachte Erfahrung des in mich gesetzten Vertrauens oder all die vielen Wertsachen, die ich mir so im Lauf der Jahre zusammenklauen konnte.
Peter P. Neuhaus
Schöne Erinnerungen
Meine alleinerziehende Mutter hatte ein Faible für Kosenamen mit Vogelbezug. Wenn ich mir beispielsweise etwas gestoßen hatte, sagte sie meist: »Ach, mein armes Täubchen.« Wenn sie mich ins Bett brachte, sagte sie: »Schlaf gut, mein Spatz.« Nur wenn sie wirklich wütend war, wich sie auf Raubvögel aus. Dann sagte sie ab und an: »Dich Habicht nicht gewollt.«
Karl Franz
Städtetipp
Wer durch überfüllte Fußgängerzonen irrlichtert und dem Großstadtdschungel für Momente entsagen, ja komplett für sich sein will, nehme beim nächsten maroden Kaufhaus die Rolltreppe in die vierte oder fünfte Etage, wo die Menschenmenge von Ebene zu Ebene ausdünnt. Dort, im Karstadt-Restaurant, idealerweise morgens um drei nach zehn oder zwanzig vor Ladenschluss, insbesondere in mittelgroßen Städten wie Norderstedt oder Celle, herrscht eine fast sakrale Stille. Ein riesiger, verwinkelter Raum, darin vereinzelt drei, vier isolierte Gestalten. Das Personal lässt einen taktvoll in Ruhe, selbst versunken in sein eigenes, für andere gänzlich undurchschaubares Tun. Ein wunderbares, perfektes Großstadtversteck, so herrlich wie damals in meinem Heimatdorf unter den Himbeerbüschen, und doch nur fünf, sechs Minuten von jedem größeren Bahnhof entfernt.
Ella Carina Werner
Karriereberatung
Für Kfz-Mechaniker, die einen neuen Job suchen, habe ich einen guten Tipp: Lesen Sie die Dellenanzeigen.
Jochen Schubert
Kulturtipp für Motorsportfreunde
Öfter mal wieder eine Autorennlesung besuchen.
Wolfgang Beck
Geschäftsidee zu verschenken
Erfolgreiche Kriminelle müssen bekanntlich mit der Zeit gehen. Ich schlage daher folgendes Konzept vor: Über Zwischenmietportale, möglichst unter falscher Identität, immer wieder Wohnungen in größeren Städten anmieten, diese dann aber ausschließlich dafür nutzen, im großen Stil gegen Geld E-Scooter aufzuladen (»juicen«). Und wenn dann die Jahresendabrechnung des Stromanbieters kommt, sind die E-Juicer-Mietnomaden natürlich längst mir ihren Rollern über alle Berge gesaust. Ja, was macht ihr dann, Airbnb-Abzock-Vermieter?
Julia Mateus
Hiermit erkläre ich der Bundeswehr den Krieg
Bei den vielen rechtsextremen Netzwerken der Bundeswehr konnte ich ja noch ein Auge zudrücken, aber nach den jüngsten Entwicklungen ist der Laden bei mir echt unten durch: Ich war extra früher aufgestanden, um mir vor Reisebeginn beim einzigen Verkaufsstand im Bahnhof Hof noch ein schönes Schokocroissant zum Frühstück zu kaufen, da informierte mich eine uniformierte Soldatin: »Die machen erst um acht auf.« Also begab ich mich traurig und hungrig in meinen Zug, der schon um 7:57 Uhr loszuckeln sollte. Fünf Minuten vor Abfahrt stieg dann ebenjene Soldatin mit drei dampfend-warmen Backwarentüten und einem herrlich duftenden Kaffee aus dem besagten Geschäft zu.
Cornelius W.M. Oettle
Frage
Ist der Beruf des Bestatters honorabel? Die einen sargen so, die anderen sargen so.
Ralf-Uwe Weule
Ehrlich wahr
Es gibt viele Möglichkeiten, sein Aktivitätslevel zu messen, die Smart Watch ist nur eine davon. Eine analoge, nicht weniger aussagekräftige Alternative wäre es, die Menge des Drecks unter den eigenen Fingernägeln mit der des Vortags zu vergleichen. Hier findet sich das eigene Leben in seiner konzentriertesten Form. Alles, was man von seiner Wirklichkeit abkratzt, sammelt sich an diesem wind- und wettergeschützten Ort und vermengt sich zu jener aufschlussreichen Masse, die einem bei genauer Betrachtung (gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Bauchnabelfusseln) sogar auch Auskunft darüber gibt, wo einen die Hände über die Woche hingeführt haben. Sensible Bewegungsdaten, für deren Ermittlung auf herkömmlichem Weg manche Unternehmen viel Geld bezahlen.
Teja Fischer
Denken wie ein Psychologe
Jahrelang hat Oral B seine elektrischen Zahnbürsten höchst erfolgreich mit dem Slogan »Zähneputzen wie ein Zahnarzt« vermarktet. Müssten sich der gleichen Werbelogik folgend dann nicht auch Dulcolax-Dragées mit dem Claim »Kacken wie ein Proktologe« als echter Dukatenscheißer erweisen?
Daniel Sibbe
Spiritueller Austausch
Vom Kloster Andechs ist zu lesen, dass es sich »speziell auf ausgebrannte Manager spezialisiert, die zurück zu sich selbst finden möchten«. Toll wäre natürlich, wenn im Gegenzug unausgebrannte Mönche an die Börse geschickt würden!
Elias Hauck