Vom Fachmann für Kenner | August 2021
Geladen
Während eines nächtlichen Sommergewitters gerieten meine Freundin und ich unlängst in der Fensterfrage aneinander. Sie habe Angst vor Kugelblitzen, sagte sie, hätte es daher gerne geschlossen, ich hingegen, entgegnete ich, hätte zwar generell Verständnis für irrationale Ängste, aber doch nicht bei Treibhaustemperaturen im Zimmer. Nach einigem Hin und Her war sie dann schließlich doch von der Unsinnigkeit ihrer Angst überzeugt. Bei all der negativen Energie, die ich ausstrahlte, sagte sie, sei es schon sehr unwahrscheinlich, dass sich ein Blitz ausgerechnet in meiner Nähe entladen würde. Geht doch.
Fabian Lichter
Endzeitvision
Eigentlich bin ich Optimist, doch eine Vorstellung lässt mir keine Ruhe: Was, wenn alle Bürger ihre über Jahrzehnte angehäuften Geschenkgutscheine am selben Tag einlösen? Zusammenbruch des Einzelhandels, Massenarbeitslosigkeit, globaler Bürgerkrieg wären die Folgen. Die Wahrscheinlichkeit mag gering sein. Trotzdem sollte es einen medizinischen Begriff für diese Angst geben, finde ich.
Leo Riegel
Logisch
Wie nennt man es, wenn die am häufigsten gestellten Fragen zu einem Sachverhalt an zentraler Stelle beantwortet sind? – Das Themengebiet wurde weitgehend FAQiert.
Tina Manske
Sauf dich reich
In der Philosophie beurteilen die radikalen Konsequentialisten eine Handlung ausschließlich anhand ihrer Folgen. Um einem kleinen Kneipenumtrunk samt Übernachtung bei Freunden in einer autofeindlichen Innenstadt beizuwohnen, musste ich ein scheißteures Parkticket lösen, welches mir gewährte, meinen Wagen immerhin bis um 9:34 Uhr des Folgetages am Straßenrand abzustellen. Um diese Höchstparkdauer zu umgehen, fasste ich den Plan, am nächsten Morgen früh aufzustehen, ein neues scheißteures Parkticket zu lösen und so einen noch scheißteureren Strafzettel zu vermeiden. So mag es deontologisch oder gar tugendethisch betrachtet zunächst falsch erscheinen, den kleinen Umtrunk zu einem großen gemacht zu haben, weshalb es meinem Geist erst am späten Nachmittag gelang, den zugehörigen Körper aus dem Gästebett zu wuchten, und ich mich noch im Darniederliegen von der versammelten Entourage ridikülisieren lassen musste: Haha, der heillos verkaterte Oettle hat mal wieder unethisch viel gesoffen, hätte er mal besser ein Bier weniger bestellt, das wird ihn jetzt scheißteuer zu stehen kommen! Bei der Abreise aber mein Triumph: Obwohl kein scheißteures Ticket gezogen, hing auch kein scheißteurer Strafzettel dran! Dank Vollrausch hatte ich mal wieder bares Geld gespart und konsequentialistisch gesehen alles richtig gemacht.
Cornelius W.M. Oettle
Wir Kinder vom Bahnhof ZOB
Im Rahmen der Bundesinitiative für gleichwertige Lebensverhältnisse soll auch in Filmförderung in strukturschwachen Regionen investiert werden. Erstes Projekt: ein weiteres Remake des Klassikers »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo«, das diesmal jedoch die Jugend-Drogenszene in ländlichen Gebieten thematisieren soll. Titel siehe oben.
Julia Mateus
Anti-Schimmel-Farbe neu denken
Man könnte eine Anti-Schimmel-Farbe auf den Markt bringen, die nicht gegen den ohnehin oft wiederkehrenden Plagegeist zu schützen versucht, sondern diesem bloß optisch ähnelt. Einfach die Farbe (erhältlich in »Schimmelgrün«, »Sporengrau« und »Pelzigbraun«) großflächig auftragen und schon weiß man nicht mehr: Ist dieser Fleck in der Ecke jetzt Schimmel oder Schimmelfarbe? Eine beruhigende Unwissenheit, die entspannt durchatmen lässt (aber bitte nicht zu tief, es könnten Schimmelsporen in der Luft sein) …
Jürgen Miedl
Homerkritik
Ich finde, dass es viel bessere griechische Dichter gibt.
Martin Weidauer
Die Sanduhr
Vielleicht das einzige Messinstrument, das sich selbst überwunden hat und dem Korsett seiner Funktion entkommen ist. Tatsächlich muss jeder Versuch scheitern, eine bei Ikea erworbene Sanduhr für irgendeine zeitbasierte Entscheidung ernsthaft zu Rate zu ziehen. Außer, man hat zufällig gerade was im Eisfach, das exakt 2 Minuten und 37 Sekunden in den Backofen soll.
Teja Fischer
Folgen
Der Volksmund sagt zwar, dass man hinterher oft klüger ist, aber manchmal ist man hinterher auch einfach nur fix und fertig.
Uwe Geishendorf
Aufgabenplanung
Ich notierte in meinem Handy-Kalender »Handseife kaufen in To-Do-Programm eingeben«. Als der Kalender sich meldete, saß ich am Computer und tat, wie mir befohlen. Jetzt müsste ich nur noch dran denken, sie zu kaufen, dann hätte ich was erreicht.
Robert Rescue
Eingefleischt
Die Gewohnheit, das vom Salatwaschen oder Eierkochen übrig gebliebene Wasser zum Gießen meiner Blumen zu verwenden, ist mir inzwischen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich mich schon bremsen muss, um nicht auch noch mit dem Wurstwasser gleichermaßen zu verfahren. Gut, aber ich nenne auch (noch) keine Carnivore mein Eigen.
Burkhard Niehues
Heimatliche Frage
Wenn Georg Büchner Hesse war – warum heißt sein Klassiker dann nicht Ebbelwoyzeck?
Jens Polikeit
Neues aus der Forschung
Neurologen haben jetzt herausgefunden, dass die Erkenntnisse höherer Mathematik eigentlich nur Folge fokaler epileptischer Anfälle sind, bei denen das Gehirn der Betroffenen die Illusion von Sinnhaftigkeit erzeugt. Da das ja kein Mensch nachrechnen kann, hatte man den vermeintlichen Mathe-Genies bisher einfach Glauben geschenkt.
Robert von Cube
Superintelligente Technik!
Als ich vorhin »Reichelts comeback« googeln wollte, machte die Sprache-zu-Text-Funktion meines Mobiltelefons daraus »Reichelt scumbag«.
Mark-Stefan Tietze
Neuerungen im Alltag
Seit es Tonic mit Aroma der Bergamotte gibt, sind Longdrinks eine passable Alternative zum morgendlichen Earl Grey.
Gregor
Was mir am Sommer missfällt:
dass es noch hell ist, wenn ich schon betrunken bin.
Ivan Hamburg
Tierliebe extrem
Nachdem ich schon lange Meisenknödel, Haferflocken und sogar ein Trinkbecken für die Vögel bereitstelle, bin ich aus Tierliebe nun noch einen Schritt weiter gegangen und habe offene Mülltonnen für die Waschbären in meinen Vorgarten gekarrt.
Karl Franz
Hat der
eigene Zynismus schon eine pathologische Stufe erreicht, wenn man im Tagesschau-Corona-Liveblog erst die Meldung liest: »UN: Zahl der Hungernden ist in der Pandemie gestiegen«, dann direkt darunter: »Gastgewerbe leidet nach Lockdown unter Personalmangel« und als Reaktion auf beides denkt: »Kein Wunder«?
Andreas Braune
»Endlich« Nichtraucher
Seit ich nicht mehr rauche, komme ich total günstig durch Kneipenabende. Nicht so sehr, weil ich an den Zigaretten spare, sondern vor allem, weil ich panisch nach sechs Minuten wieder nach Hause renne, sobald sich der erste Bekannte eine ansteckt.
Felix Scharlau
Vom Lithopraktiker
Gegen Rückenschmerzen hilft in jedem Fall und immer eine Steinplatte. Entweder zum Daraufliegen oder eben drunter.
Theobald Fuchs
G’schichtsstund’n
Ja mei, hört’s halt zu, ihr Hundskrüppel! D’ Junge Union wurd’ bereits 1947 gegründet, auch hier bei uns in Bayern. Die Sach’n ist aber die – des wissen heutzutag’ nur die wenigsten! –, dass die »JU« im Freistaat zwischenzeitlich einmal anders hieß, und zwar von Anfang der 60er bis in die frühen 70er Jahre. Als Franz Josef Strauß selig nämlich 1961 endlich zum Vorsitzenden der Christsozialen g’wählt war, nannten sich die jungen CSUler fortan nur noch »Franz Josef Boys«. Erst ein Jahrzehnt später wurde diese Umbenennung wieder z’rückg’nommen, nämlich aus diesen beiden Gründen: Erstens wollt’ man nicht in Verbindung g’setzt werden mit dem damals aufstrebenden Düsseldorfer Kunstverbrecher Joseph Beuys. Und zwoatens sahen sich d’ »Franz Josef Boys« durch die umstrittene Einführung des bayerischen Frauenwahlrechts im Jahr 1968 gezwungen, auch Weiber, also quasi »Girls« mitmachen zu lassen. So endete auch dieses rühmliche Kapitel bayerischer Geschichte, gell?
Moritz Hürtgen