Vom Fachmann für Kenner | Juli 2023


Das Lied über den Norovirus

»Kann ich einmal nicht bei dir sein – Darm Darm, Darm Darm«

Tobias Speckin

Frankfurter Kunstkritik

Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie lyrisches Ich sagen.

Julia Mateus

Evolutionärer Ballast

Die Vermeidung von unnötigem Energieverbrauch hat dem Homo sapiens wie anderen Spezies auch das Überleben gesichert und äußert sich heute noch im Unwillen der Zeitgenossen, beim Überqueren einer Straße mühselig nach links und nach rechts zu schauen; stattdessen wird sich träge auf das Gehör verlassen, was im Zeitalter der E-Autos bzw. – ich muss es leider einräumen – dank mir auf dem Fahrrad kein das Überleben bzw. die Gesundheit sicherndes Verhalten ist.

Friedrich Krautzberger

Glasklare Unklarheit

Sollte er die Fenster putzen? Es war ein Dilemma. Einerseits war es ihm bereits einige Male zu Ohren gekommen, dass man Fenster putzt. Andererseits dürfte es in seiner Wohnung bald so weit sein, dass man dank des respektablen Verschmutzungsgrades nicht mehr sagen kann, wo das Fenster aufhört und die Wand beginnt. Problem gelöst. Die Möglichkeit, ein Fenster zum Blick nach draußen zu nutzen, war für ihn ohnehin schon lange nur mehr eine nebulöse Erinnerung, milchig blass, wie das wenige Licht, das es noch durch die dreckverdichtete Scheibe schaffte. Dieses Licht dachte sich übrigens beim mühsamen Durchscheinen: »Meine Güte! Der Typ sollte echt mal wieder die Fenster putzen.«

Jürgen Miedl

Was Flyer nicht wissen

In einer Motorrad-Gang ist man zunächst Prospect, bevor man zum Catalogue und später zum Magazine aufsteigt. Der Chef ist meist ein Coffee Table Book.

Moritz Hürtgen

Saftige Singstimmen

Keine trifft wie sie das Hohe C – Gianna Granini.

Sven Damm

Hamlets Tod

Der Dänenprinz, er fällt noch nicht,
als er mit seinen Mördern ficht,
im blutgetränkt-finalen Tutti.
Bis einer ihn heimtückisch sticht,
und sterbend er zur Nachwelt spricht:
»Alles Schlampen – sogar Mutti.«

Wieland Schwanebeck

Determiniert

Als ich noch jünger war, verletzte ich mich pünktlich jedes Jahr im Frühsommer. Mal riss mir ein Band im Fuß beim Fangenspielen, mal brach mir ein Finger während des Kickens, ja einmal verlor ich sogar meine Schneidezähne bei einem peinlich unwaghalsigen Skateboardmanöver – Brust aufliegend. Was diese Erlebnisse immer verband, war, dass meine Mutter zum Zeitpunkt des Unfalls bei uns im Supermarkt einkaufen ging. Die Mitarbeitenden des Ladens kannten mich also genauso gut wie die Angestellten des hiesigen Krankenhauses. Vor ein paar Jahren besuchte ich dann noch einmal ebenjenen Supermarkt und traf sogar meine alte Lieblings-Wurstverkäuferin, die mir lachend eine Scheibe Käse, sie war mittlerweile in der kulinarischen Hackordnung aufgestiegen, entgegenhielt. Wir kamen ins Schwatzen, und als ich ihr sagte, ich studierte jetzt Philosophie, lachte sie laut und sagte: »Schöne Wahl, habe ich auch studiert.«

Sebastian Maschuw

Nach dem zerknitterten Aufwachen

Ausgedehnte Kniebeugen sind ein guter Bügelersatz für die Hose, aber nicht so richtig energiesparend.

Michael Höfler

Feststellung

Ob in Holstein oder Flandern:
Ich bin toller als die andern.
Kärnten, Sachsen, Jütland, Hessen:
Niemand kann sich mit mir messen,
und auch in der Wesermarsch
ist die Konkurrenz am Arsch.
Fernerhin in Ostwestfalen
kann ich mich in Liebe aalen,
und im Landkreis Oder-Spree
tut die Ehrfurcht fast schon weh.
Selbst im Rheingau bei Eltville
verehrt man mich (auch komplett knülle).
Nur die Deppen rund um Leer
lieben Günther Jauch noch mehr.
Selbst schuld.

Ella Carina Werner

Eigenartiger Gedanke beim Verputzen eines KitKat Chunky

»Die vom Nestlé-Konzern müssen schließlich auch von irgendwas leben!«

Leo Riegel

Dienst am Kunden

Auch wegen der meist grundehrlichen Produktbeschreibungen gehe ich gern auf Flohmärkte. Auf einem solchen bewarb neulich der Verkäufer eines Windspiels – ein großes, glockenähnliches Gebilde aus allerlei Holzklöppeln und Metallstäben – sein Angebot mit den Worten: »Das blöde Scheißding nervt wie Sau!«. Ich muss doch sagen, dass diese Information für meine Kaufentscheidung hilfreich war.

Melanie Schweinfurth

Zeitgemäße Technik

Während es mir beim Bankdrücken, Kreuzheben und Bizepscurlen früher vor allem um den Muskelaufbau ging, verfolge ich im Fitnessstudio heute nur noch das Ziel, meine Durchblutung zu fördern und infolgedessen seltener zu frieren. Moderner Fachbegriff für diese Art von Training: Wärmepumpen.

Andreas Maier

Ja und?

Neulich in Wien habe ich meine bildungsbürgerliche Pflicht getan und selbstverständlich auch die berühmte Strudlhofstiege besichtigt, die der Schriftsteller Doderer in Roman und Gedicht so zauberhaft verewigt hat. Manche Leute, die mir auf der Treppe entgegenkamen, sahen mich, wie mir schien, mit einer Melange aus Mitleid und Spott an, als würden sie denken: Noch so ein Piefke, der nur herkommt, um sich eine depperte Treppe anzuschauen! – Wiener, was soll ich sagen, Ihr habt recht. Aber die Deutschen hatten schon schlechtere Gründe, Wien zu besuchen, vergesst das nicht! Ich will’rsquo;s nur gesagt haben.

Tibor Rácskai

Werbespot

»Spröde Lippen? – Hahaha!«

Torsten Gaitzsch

Berufsstolz

Nach mittlerweile sieben »erfolgreichen« Beziehungen als Heiratsschwindler kann ich wohl mit Fug und Recht behaupten: Ich bin profiliiert.

Ronnie Zumbühl

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau so war es, lieber »Tagesspiegel«!

»Die Trauer um die Mauertoten erinnert uns daran, was es bedeutet, Hoffnung, Mut und letztlich das eigene Leben für ein Leben in Freiheit zu opfern«, mahnst Du am Jahrestag des Mauerbaus. Ja, wer kennt sie nicht, die ganzen Menschen, die die Hoffnung auf ein besseres Leben und den Mut, ihr Leben zu riskieren, längst aufgegeben haben, um dann an der Mauer zu sterben, wiederaufzuerstehen und ein gutes Leben im freien Westen zu führen? Mögen sie und Deine Formulierungsgabe in Frieden ruhen, Tagesspiegel!

Herzliches Beileid schickt Titanic

 Kopf einschalten, »Soziologie-Superstar« Hartmut Rosa (»SZ«)!

Wahrscheinlich aus dem Homeoffice von der Strandbar tippen Sie der SZ dieses Zitat vor die Paywall: »Früher waren zum Beispiel die beruflichen Erwartungen, wenn man zu Hause war, auf Standby. Heute kann man andersherum auch im Büro natürlich viel leichter nebenbei private Kommunikation erledigen. Man kann nichts mehr auf Standby schalten, selbst im Urlaub.«

Ihr Oberstübchen war beim Verfassen dieser Zeilen ganz offenbar nicht auf Standby, denn dieser Begriff bezeichnet laut dem Cambridge Dictionary »something that is always ready for use«. Also sind wir gerade im Urlaub und im Feierabend heutzutage für den Job immer im Standby-Modus – also auf Abruf –, anders als bei der Arbeit, wo wir »on« sind, und anders als früher, wo wir dann »off« waren und daher alles gut und kein Problem war.

Dagegen dauerhaft abgeschaltet sind Ihre Hardwarespezis von Titanic

 Etwas unklar, mallorquinische Demonstrant/innen,

war uns, warum wir Euch bei den Demos gegen den Massentourismus immer wieder palästinensische Flaggen schwenken sehen. Wir haben lange darüber nachgedacht, welchen logischen Zusammenhang es zwischen dem Nahostkonflikt und Eurem Anliegen geben könnte, bis es uns einfiel: Na klar, Ihr macht Euch sicherlich stark für eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der der S’Arenal-Streifen und das West-Malleland abgeteilt werden und der Rest der Insel Euch gehört.

Drücken die diplomatischen Daumen: Eure Friedenstauben von Titanic

 Kunststück, »Welt«!

Im Interview mit der Rheinischen Post beschwerte sich Sängerin Cyndi Lauper darüber, dass Frauen ständig auf ihr Alter reduziert würden. Aus diesem Statement hast Du, Welt, nicht nur geschafft, einen ganzen Artikel zu stricken, Du hast auch noch äußerst subtil Deinen eigenen Standpunkt zur Causa klargemacht und Laupers Aussage folgendermaßen zusammengefasst: »Popsängerin Cyndi Lauper hält es für sexistisch, Frauen nach ihrem Alter zu fragen: ›Alter ist eine Kategorie, die benutzt wird, um uns kleinzuhalten‹, sagte die 71jährige.«

Wie clever von Dir! Indem Du das Alter genüsslich anmerkst, hast Du es der meckernden alten Frau aber mal so richtig gezeigt! Andererseits: Es nötig zu haben, aus Interviews anderer Zeitungen Artikel zusammenzukloppen – lässt das nicht Dich und Deinen angeblichen journalistischen Anspruch auch ziemlich alt aussehen?

Fragt Dein greises Kollegium von Titanic

 Hä, focus.de?

»Deutschlands Wirtschaft wankt«, berichtest Du und fragst: »Warum will die Ampel das einfach nicht sehen?« Ähem: Vielleicht wird der Bundesregierung da ja schlecht, wenn sie zu genau hinschaut. Hast Du darüber schon mal nachgedacht?

Üble Grüße von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Steinzeitmythen

Fred Feuerstein hat nie im Steinbruch gearbeitet, er war Rhetoriker! Er hat vor 10 000 Jahren zum Beispiel den Whataboutism erfunden und zu seiner Losung erhoben: »Ja, aber … aber du!«

Alexander Grupe

 SB-Kassen

Zu den Seligen, die an Selbstbedienungskassen den Laden kaltblütig übervorteilen, gehöre ich nicht. Im Gegenteil, obwohl ich penibel alle Artikel scanne und bezahle, passiere ich die Diebstahlsicherungsanlage am Ausgang immer in der angespannten Erwartung, dass sie Alarm schlagen könnte. Neulich im Discounter kam beim Griff zu einer Eierschachtel eine neue Ungewissheit hinzu: Muss ich die Schachtel vor dem Scannen wie eine professionelle Kassierkraft öffnen, um zu kucken, ob beim Eierkauf alles mit rechten Dingen zugeht?

Andreas Maria Lugauer

 Abschied

Juckeljuckeljuckel,
Das Meer liegt hinterm Buckel,
Dort vorne, da ist Dover,
Da ist die Reise over.

Gunnar Homann

 Unwirtliche Orte …

… sind die ohne Kneipe.

Günter Flott

 Fachmann fürs Leben

Im Gegensatz zur Schule hat man im Zivildienst viele nützliche Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass man die Körper von Menschen, die sich selbst nicht mehr bewegen können, regelmäßig umlagert, damit keine Seite wund wird. Um anhaltenden Druck auf die Haut zu minimieren, wende ich auch heute noch die Pfirsiche in der Obstschale alle paar Stunden.

Friedrich Krautzberger

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer