Vom Fachmann für Kenner | März 2024
Lauf, Junge!
Die Ordner bei einem Fußballspiel würden sich wesentlich mehr Mühe geben, wenn sie bei der Jagd nach dem Flitzer auch nackt sein müssten.
Rick Nikolaizig
Melancholie in Sachsenhausen
Wenn man lange genug in Mainz lebt, kommt einem Frankfurt wie Berlin vor.
Frank Jakubzik
Und das Brot erst!
Einen Krankenwagen rufen, ohne sich in Schulden zu stürzen, mehr Urlaubs- als Arbeitstage, Bier zum Frühstück: Deutschland ist toll. Mit solchen Takes können US-amerikanische Influencerinnen hierzulande natürlich punkten. Aber betreiben sie damit nicht einfach nur billiges Kraut-Pleasing?
Alexander Grupe
In Bewegung
Was man auch nicht oft hat: eine emotional schwierige Begegnung mit einer Straßenbahn. Meine ging so: Die 16 bog, mir entgegen, um eine Kurve und teilte mir per Werbeschriftzug mit: »Etwas bewegen«. »Ja, Straßenbahn, da erwischst du mich in der richtigen Laune«, dachte ich beschwingt. »Lass uns gemeinsam etwas bewegen! Und sei es nur uns, du deine Räder, ich die Beine, jeder wie er kann!« Und die 16 bewegte sich weiter – und gab den nächsten Teil der Botschaft frei: »Gegen Krebs«. »Huch«, dachte ich, nun nicht mehr so beschwingt, »warum dieser schnelle Wechsel ins Todernste, 16? Wir kennen uns doch kaum. Aber, okay, Botschaft verstanden, wichtiges Thema. Da sollte man etwas bewegen. Und nur weil man sich von zwei Wörtern auf einer Straßenbahn zu guter Laune hat verführen lassen, muss man ja nicht gleich traurig werden, wenn sie einen an die Existenz einer tödlichen Krankheit erinnert. Straßenbahnen sind ja keine emotionalen Erpresser oder so etwas.« Dann war die Bahn ganz um die Kurve gefahren und beendete den Slogan: »Bei Kindern«. Ich will nun beim Spazieren wieder häufiger aufs Handy schauen.
Tim Wolff
Authentisch
Jedes Mal, wenn mir ein bekennender Feinschmecker erklären will, wie aufwendig ein echt italienisches Risotto zubereitet gehört, habe ich das Gefühl, es würde stundenlang um den heißen Brei herumgeredet!
Mark-Stefan Tietze
Pandemisches Passionsspiel
Die Erfahrungen aus der Coronazeit wirken teils immer noch nach. So fragt man sich heute bei der Ostergeschichte: Hat Pontius Pilatus, als er seine Hände in Unschuld wusch, dabei zweimal »Happy Birthday« gesungen?
Jürgen Miedl
Ein bisschen Frieden für Neologismen
Warum heißt es Pazifismus und nicht Nullwummenspiel?
Martin Weidauer
So etwas hätte ich ihm nie zugetraut
In meiner Nachbarschaft wohnt ein sehr ruhiger Mann, der immer höflich grüßt. Ruhig und freundlich, so wie es immer über die Leute heißt, die in einer ruhigen, friedlichen Wohngegend leben und plötzlich zum Amokläufer geworden sind. Oder sich als Reichsbürger entpuppen. Oder Menschenfresser. Oder sie lagerten über Jahrzehnte haufenweise Verwandtschaft im Keller. Man habe so etwas diesem Menschen nie zugetraut, sagen die fassungslosen Nachbarn dann immer. Ich sitze nun oft am Fenster mit einem Fernglas und schaue zum Haus dieses ruhigen, freundlichen Mannes, damit ich die Ankunft des SEK nicht verpasse und mich rechtzeitig für die anschließend eintreffenden Reporter positionieren kann, denen ich dann sage: »Ich habe ihn stets als ruhig und freundlich erlebt. Er hat auch immer höflich gegrüßt. So etwas hätte ich ihm nie zugetraut.«
Günter Flott
FCK NZS
Und wieder mal Haffners »Anmerkungen zu Hitler« gelesen. Hitler: »Ich höre grundsätzlich immer erst fünf Minuten nach zwölf auf!« Ich dagegen fange grundsätzlich immer erst fünf Minuten nach zwölf an. Aber ich bin auch der bessere Autor.
Stefan Gärtner
Aus autobiografischem Anlass
Wer bei klirrender Kälte im Freien seine große Notdurft verrichten muss, lernt schmerzhaft, dass sich auf der nackten Haut nicht nur Sommer und Winter unterschiedlich anfühlen, sondern sich beim Säubern des Gesäßbereichs unter Zuhilfenahme des örtlich vorhandenen Zellstoffs auch der Unterschied zwischen Laub- und Nadelbäumen haptisch deutlich bemerkbar macht.
Martin Ratheke
Friesisch nerv
Mit den Jahren habe ich so viele Krimis gesehen, die im Dunstkreis norddeutscher Nebelmoore und ewig herbstlicher Einöden spielen, wo Menschen dem erdrückenden grauen Schleier nur entkommen können, wenn sie sich in ihre ebenfalls unterbelichteten und ranzig gewohnten Bruchbuden zurückziehen, um dort beim Brüten über ihr beschissenes Leben den Ostfriesentee kalt werden zu lassen, dass ich mich nach jedem Mord zu Beginn eines neuen Falls jubelnd und erschrocken zugleich bei dem Gedanken ertappe: »YES! Endlich tut jemand was dagegen.«
Patric Hemgesberg
Keine Kosten gescheut
Einmal war ich bei wirklich reichen Leuten auf eine Party eingeladen. Was soll ich sagen: Die Herrschaften verstehen es zu feiern! Jeder Gast bekam am Eingang eine eigene Knabberbox.
Leo Riegel
Face it
Wie so viele Menschen heutzutage leide auch ich an Prosapognastie, also: der Unfähigkeit, das Fremdwort für »Gesichtserkennungsschwäche« korrekt auszusprechen.
Michael Ziegelwagner
Nach Explosion in der Molkerei
Alles in Butter.
Loreen Bauer