Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 26

»Ach Europa!«

Hans Magnus Enzensberger

Straßburg, Plenarsaal

Ich glaube, es hackt. Was hat denn das noch mit Demokratie zu tun? Auf meinem Stammplatz ganz links hinten außen, fein durch ein halbes Dutzend freier Sitze vom Rest der fraktionslosen Abgeordneten separiert, sitzt ein etwa 50jähriger Mann mit Dreitagebart & blauem Anzug. Und spricht ebenso laut wie italienisch in sein Handy. Ein Abgeordneter offenbar, mit einem ganzen Haufen Papiere vor sich, den ich jetzt, zwei Minuten vor Beginn der Sitzung, tatsächlich empört anraunze: »Eeeh, Collega, das ist mein Platz. Ich sitze hier seit über fünf Jahren, diesen Platz habe ich noch von Präsident Martin Chulz erhalten. Ehrenhalber.« Der Italiener bedeutet mir gestikulierend, dass er gerade telefoniere, und telefoniert ungerührt weiter. Ich nehme neben ihm Platz und sinniere noch, ob man eher ›Andiamo‹ oder ›Usciamo alla porta!‹ sagen würde, um die Sache draußen endgültig zu klären, da beginnen die Abstimmungen.

Am nächsten Tag bin ich zehn Minuten früher im Plenum und verteile demonstrativ Sachen über meinen Sitz und den Nachbarplatz. Der Italiener lässt sich nicht blicken. Aus Langeweile suche ich sein Gesicht in der MEP-Liste und google kurz. Danach beschließe ich, zukünftig etwas defensiver zu sein. Angelo Ciacco, genannt »die Bulldogge« (La Repubblica), gehört zur italienischen Rechtsradikalenpartei Lega und war wegen zu guter Kontakte zur ’Ndrangheta schon zu Haftstrafen verurteilt worden. Im Parlament saß er eigentlich nur, weil mein alter rechtsradikaler Lega-Kumpel Gianluca Buonanno, der 2014 ein Jahr lang bei den fraktionslosen Abgeordneten war, einmal zu viel Gas gegeben hatte.

Buonanno hatte im Parlament seinerzeit Vergnügen daran gehabt, mit Merkel-Maske herumzulaufen, wenn Jean-Claude Druncker Reden hielt, und in einem Merkel-mit-Hitlerbärtchen-Shirt, wenn die deutsche Kanzlerin zu Besuch kam. In meiner persönlichen Rangliste »Hitlergruß im vollbesetzten Plenarsaal« lag er auf einem guten 3. Platz, politisch vertrat er die Ansicht, dass Schwule an allem schuld seien, war außerhalb des Plenums (und im italienischen TV) gern mit einer Schusswaffe unterwegs und kam schließlich bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Sein Pech war Ciaccos Glück, der stand direkt hinter Buonanno auf der EU-Liste.

Brüssel, Café Belga

In Deutschland wird ein Verbot der AfD diskutiert. Ein Parteienverbot? Als ich Deutschland verlassen habe, galt das Land in Amateurkreisen noch als recht gefestigte Demokratie. Eine krakeelende Protestpartei, die im Osten von 20 bis 30 Prozent der Bürger gewählt wird, verbieten? Eigentlich eine ausgezeichnete Idee! Und ich habe gleich ein Thema für die Ein-Minuten-Reden am Montagabend in Straßburg.

Straßburg, Plenarsaal

Zum Glück leitet heute Vizepräsident Pedro Silva Pereira die abendliche Sitzung, ein freundlicher, ruhiger, grauhaariger Portugiese und Sozialist. Meine Rede ist aus Versehen etwas lang geraten, schätzungsweise 1 Minute 15, und konservativere Vorsitzende wie der doofe Schwabe Rainer Wieland würden mir nach spätestens 59,99 Sekunden das Mikrophon abstellen. Der Saal ist nicht übervoll, Montag ist Anreisetag. Klar und deutlich höre ich den Übersetzer meinen Namen aufrufen: »Der nächste Redner: Herr Schöneborn. Äh, Sonneborn bitte!«

»Vielen Dank, Herr Vorsitzender!

Kanzler Scholz hat am Wochenende seinen Sonntagstee mit korrupten Bankern abgesagt, Außenministerin Baerbock ihre Termine mit Visagist und Logopädin. Beide sind lieber für den ›Kampf gegen Rechts‹ auf die Straße gegangen. LOL!

Dabei ist die Ampel-Regierung doch die eigentliche Geheimwaffe der AfD: Gasumlage, Heizungsgesetz, Kerosinsteuer, Bauernopfer – in Berlin regiert bornierter Unverstand; zu Lasten derjenigen, die es sich am wenigsten leisten können. Selbstverständlich bin ich dafür, die dämliche AfD in Deutschland zu verbieten. Aus Gründen der Demokratiepflege fordere ich aber ein gleichzeitiges Verbot von Grünen, CDU, SPD, CSU und FDP. Insbesondere von Frau Strack-Rheinmetall!

Am dringlichsten wäre natürlich das europaweite Verbot von Kommissionspräsidentin vonderLeyen. Mit immer irrwitzigeren Schachzügen – und ohne Rücksicht auf demokratische Verfahren oder internationale Rechtsgrundsätze – hat sie die Europäische Union in den wirtschaftlichen, geopolitischen und moralphilosophischen Ruin getrieben. Wir fordern ihre Remigration aufs Altenteil. Und zwar flott … Vielen Dank fürs Überziehenlassen!«

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

Tzulii: Köstlich
Kornelia Machelett: Zu wem hat der gute Mann gesprochen? Es ist ja keiner im Saal.

Brüssel, EU-Parlament

»Art in Democracy« heißt die Ausstellung, die ein halbes Jahr im Parlament in Straßburg zu sehen sein wird. Die Kunstwerke trügen dazu bei, »das Bewusstsein zu schärfen, dass man sich für die demokratischen Freiheiten einsetzen, wachsam bleiben und an so wichtigen Entscheidungen wie den Wahlen zum EU-Parlament beteiligen muss«.

Schon klar, aber warum hängt eigentlich kein Gemälde von sagenwirmal Rudi Hurzlmeier dazwischen? Ich bitte Büroleiter Hoffmann, für Juni eine der öffentlichen Ausstellungsflächen im Parlament zu buchen. Dann fragen wir Hurzlmeier, der kürzlich in Brüssel zu Besuch war, ob er Lust hätte, seine Sicht auf die EU einmal auf Papier bzw. Leinwand zu bringen. Er hat.

Die Räumlichkeiten, die uns die Parlamentsverwaltung zur Verfügung stellt, sind eher spartanisch – ein paar blanke Stellwände in einem Durchgangsraum –, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Mein Büro sammelt die schönen EU-Motive, die uns Rudi aus München zukommen lässt, stellt einen kleinen Ausstellungskatalog zusammen, und organisiert Druck & Anlieferung. Parallel geht der Katalogentwurf an die Verwaltung, die die auszustellenden Inhalte gerne vorab sehen möchte.

Brüssel, EU-Parlament

Auf dem Weg zwischen Traktor-Bar und Plenarsaal ist einiges los. Es ist Donnerstagmittag, die Aussprachen sind beendet, die Abgeordneten drängen ins Wochenende. Weiter vorne blitzt etwas auf, eine Betonfrisur in Silber auf geringer Höhe. Ist Frau vonderLeyen jetzt komplett verrückt geworden? Ah, nein, Entwarnung, es ist nur Thierry Breton, der französische »Kommissar für Binnenmarkt, Dienstleistungen, Verteidigung und Raumfahrt«. Breton ist der Mann, der die Zensurund Überwachungspolitik der EU gestaltet. Ich würde ihn auch sonst nicht mögen, Fachleute schätzen sein Vermögen auf rund 200 Millionen; und zigfache Millionäre sollten grundsätzlich keine Führungspositionen bekleiden, wenn es um das Wohl von 450 Millionen Bürgern geht. Bretons nächstes Hobby wird übrigens die Nachlassverwaltung des zweitgrößten Privatvermögens der Welt sein, des größten in Europa. Es gehört Bernard Arnault, Mehrheitseigner des Luxusgüterkonzerns LVMH mit den Marken Louis Vuitton, Moët & Chandon, Hennessy etc., praktischerweise hier in Belgien geparkt.

Thierry Breton

Als ich ihn passiere, überlege ich, ihn freundlich in seiner Landessprache zu begrüßen, auf Wolof. Ein freundliches »Naka nga def, góor Breton?« sollte der Höflichkeit eigentlich Genüge tun. Was viele europäische Bürger gar nicht wissen, Breton ist – ungeachtet seiner auffällig weißen Hautfarbe – Senegalese. 2015 wurde ihm (und seiner Frau) vom nicht allzu demokratiebegeisterten Präsidenten des Senegal (zusätzlich) die senegalesische Staatsbürgerschaft verliehen. Zwar müssen EU-Kommissare ihre 20 000 plusplusplus Euro im Monat natürlich nicht versteuern; aber bei Nebeneinkünften aus einem hundertfachen Millionenvermögen macht es eben doch einen feinen Unterschied, dass Franzosen diese im Senegal – dafür hat das französische Wirtschaftsministerium gesorgt – mit lediglich rund 5 Prozent besteuern lassen können. Für Kenner: Das ist weniger als der Alkoholgehalt eines Straßburger »Fischer Tradition«-Bieres.

Berlin, Gaststätte Zum Hecht

Büroleiter Hoffmann ruft an. Zwei Wochen vor der geplanten Vernissage mit Rudi Hurzlmeier und Festredner Oliver Maria Schmitt untersagt das Parlament uns die Ausstellung. Die Verwaltung findet, die Bilder seien »anstößig, aufrührerisch oder stehen im Widerspruch zu den Werten, auf die sich die Union gründet« – eine genauere Begründung will die Herzkammer der europäischen Demokratie auch auf Nachfrage nicht liefern.

Häää, Werte? Hab’ ich hier irgendwas falsch verstanden? Wen hatten denn in Brüssel Werte interessiert, als die kleine Gelehrtenrepublik Bergkarabach von unserem aserbaidschanischen Öllieferanten Alijev (der uns russisches Gas zu überteuerten Preisen verkauft), ein halbes Jahr lang belagert, ausgehungert und dann so brutal bombardiert wurde, dass 120 000 christliche Armenier fluchtartig das Land aufgaben?

Hurzlmeier ist dreimaliger Gewinner des Deutschen Karikaturenpreises, seine Werke werden von FAZ, TITANIC, Bunte, iTALien, Nebelspalter & Hörzu veröffentlicht. Und das Parlament selbst hatte doch eine Resolution verabschiedet, um die Kunst in Europa wertzuschätzen und zu schützen, hatte ihre Verantwortung »zur Entwicklung kritischen Denkens bei den Unionsbürgern« gewürdigt – und die »Freiheit des künstlerischen Ausdrucks« beschworen.

Wir ärgern uns nicht lange über die plumpe Zensur, sondern suchen einfach einen seriöseren Veranstaltungsort: »Die verbotensten Bilder der EU« hängen bis November in der Galerie »Tor218 Artlab« in Berlin-Mitte.

Berlin, SO36

Vier Wochen vor der EU-Wahl erwacht die PARTEI aus ihrer Lethargie und macht Wahlkampf, als ob sie nie irgendetwas anderes getan hätte, auf den Straßen und im Netz. Bei Tiktok überholen wir locker aus dem Stand die bestplatzierte AfD (auch wenn das die Medien absolut nicht interessiert). Wir Spitzenkandidaten steuern eine 14tägige »Hofnung«-Tour durch ganz Deutschland bei und eine völlig sinnlose populistische Forderung, die sofort von SPD, Grünen, Linken, FDP, Kevin Kühnert und – Überraschung! – selbst in Bayern übernommen wird.

→ Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

Markus Söder: Wir bräuchten eine Dönerpreisbremse. Das sollte auch ins Regierungsprogramm von CDU und CSU.

Im SO36 kann die PARTEI 1,9 Prozent feiern – unser zweitbestes Ergebnis seit Kriegsende! Über 775 000 Wähler schicken die Schriftstellerin Sibylle Berg zum ersten und mich zum letzten Mal nach Brüssel.

Straßburg, weit weg vom Geschehen

Meine dritte Legislatur beginnt mittelgut. Unsere neuen Büros liegen wieder im Winston-Churchill-Gebäude (70er-Jahre-Stil & aus stabilem Asbest), durch einen Seitenarm der Ill vom Hauptgebäude getrennt; kleine hässliche Schachteln absurd weit weg vom Geschehen, noch hinter dem Umzugsdienst.

Dass Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sich in einer ersten Amtshandlung im Amt bestätigen lässt, mit einer satten Mehrheit von 562 Stimmen, bleibt uns trotzdem nicht verborgen. Bester Satz in ihrer Bewerbungsrede: »Für mich hat sich Europa schon gelohnt.« Das glaube ich, sie erhält zusätzlich zu ihren Diäten für jeden Tag des Jahres 350 Euro Tagegeld, steuerfrei natürlich. Ich stimme gegen sie.

→  Sachdienlicher Hinweis aus »Herr Sonneborn bleibt in Brüssel«

Knaller des Jahres ist für mich heute schon meine Chefin, Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, militante Abtreibungsgegnerin aus dem Geldwäscheparadies Malta (bekannt durch »goldene Pässe« & ermordete Journalistinnen). Nach Bekanntwerden des Korruptionsskandals »Katargate« versprach Roberta Metaxa umfassende Reformen zum »Schutz« des EU-Parlaments vor »Korruption, Interessenskonflikten und Vetternwirtschaft«.

Roberta Metsola

Um das Vertrauen der europäischen Bürger zurückzugewinnen, beschloss Roberta Motorola sodann, in einer ersten Amtshandlung ihren Schwager, den Malteser Matthiew Tabone (aus Malta), als Kabinettschef einzustellen (Grundgehalt: 20.000 € / Monat). Immerhin keinen Vetter. Smiley! Als die Personalie öffentlich wurde und Kritik einsetzte, reagierte die Alte total verständnisvoll und ließ ihren Sprecher patzig fragen, ob sie ihrer Schwester vielleicht die Scheidung empfehlen sollte.

Schlussendlich bekam irgendeine spanische Adelige den Job. Und wird damit Nachfolgerin von Alessandro Chiocchetti, der rechten Hand der rechten Hand der sizilianischen Mafia, dessen (regularienwidrige) Berufung Metsola erst im September in umständlichen Hinterzimmer-Deals (sogar mit den Linken) durchgesetzt hatte.

Straßburg, Plenarsaal

Ich habe schlechte Laune, heute wird die Kommissionspräsidentin neu gewählt. Die EU hat sichtlich an Erbärmlichkeit gewonnen unter Frau vonderLeyen – aus einer Friedensunion ist ein kriegerisches Konstrukt geworden, das seine Bürger überwacht, 35 Milliarden-Zahlungen an Potenzmittelhersteller leistet und mit wirkungslosen Sanktionen gegen Russland die deutsche & europäische Wirtschaft sabotiert. Keine einzige diplomatische Initiative zur Beendigung des Sterbens in Gaza oder des Krieges in der Ukraine ging von Europa aus.

Fünf Jahre lang haben wir geschimpft, geredet, gewitzelt und im Plenarsaal polemisiert. Versucht, in die Öffentlichkeit zu bringen, dass die Frau, die der Rat der 27 Regierungschefs uns zum zweiten Mal vor die Nase setzt, wahrscheinlich nicht, wie gefordert, eine der Besten aus 450 Millionen Europäern ist: Sie löscht nach wie vor ihre SMS (im dt. Verteidigungsministerium gelernt) und muss sich gerade vor einem belgischen Gericht wegen Amtsanmaßung, Korruption & Veruntreuung verantworten.

→ Sachdienlicher Hinweis von MDR aktuell

MS: Ich würde raten, einen seriöseren Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten zu nominieren, z. B. Uli Hoeneß.

Ein großer Tag also für Frau vonderLeyen, aber ein schlechter für Europa. Als ich mit meinem Wahlzettel in der Schlange vor der Urne für die Nachnamen mit S stehe, kommt mir eine irritierte deutsche Neuabgeordnete entgegen. »Nur um das klarzumachen: der letzte Nachname?« fragt sie die Saaldiener. Ich sage: »Ah, Frau Strack-Rheinmetall. Sind Sie bewaffnet? Dann lasse ich Sie vor.« »Sehe ich so aus?« knurrt das FDP-Schrapnell. Ich sehe sie genauer an: »Ja.« »Das hätten Sie nicht überlebt!« Ich glaube ihr und rücke vor in Richtung Wahlurne.

→ Sachdienlicher Hinweis von Telepolis

Die 1,50 Meter große Personifikation der postdemokratischen Krise ist gerade zum zweiten Mal gewählt worden – mit den Stimmen von CDU/SPD/Grünen und Rechten: Ursula vonderLeyen.
Telepolis: Sie kolportieren über Ihre Chefin Frau Dr. von der Leyen hässliche Dinge. Sollten Deutsche im Ausland denn nicht zusammenhalten?
MS: Hoppla, ich dachte, sie sei Amerikanerin … Smiley! Außerdem reicht es doch, wenn die allermeisten deutschen Medien zu ihr halten. Ihr totgerittenes Pony schaffte es auf diverse Titelseiten, die laufenden Ermittlungen gegen von der Leyen wegen Korruption, Veruntreuung und Amtsanmaßung werden systematisch totgeschwiegen.

Strack-Zimmermann

Telepolis: Bei der deutschen EU-Wahl waren für die meisten nicht EU-Themen wahlentscheidend, sondern die Bundespolitik. Sind die Leute möglicherweise einfach zu doof zum Wählen?
MS: Ja. Warum fragen Sie? Seit 25 Jahren machen die Wähler ihr Kreuz bei den konservativen EVP-Parteien. Ohne sich klarzumachen, dass der desolate Zustand ganz Europas allein das Ergebnis der desolaten Politik dieses Vereins ist, der seit einem Vierteljahrhundert unsere Geschicke steuert: Wir haben offensichtlich eine Politik gegen die Interessen der Bürger, eine Politik der Militarisierung, Bürokratisierung, Überwachung, Bevormundung und des wirtschaftlichen Niedergangs.

Brüssel, Büro

»Diese Kuh!« Meine Europapolitische Beraterin tobt. »Nach der Korruptionsaffäre um Eva Kaili hat Metsola einen Ethikkodex eingeführt, ›Ethik und Transparenz‹, der für sämtliche Quästoren und Vizepräsidenten gilt, für Ausschussvorsitzende und ihre Stellvertreter – aber sie selbst ist explizit davon ausgenommen!«

»Najaaaa, sie wird schon ehrlich sein, sie ist doch die Präsid …«

»Paperlappapp! Alle Treffen mit Lobbyisten müssen laut der neuen Regeln striktestens offengelegt werden – aber wenn man mit einem ins Bett geht, muss man nix sagen.«

»Ins Bett …?« frage ich, »ein … ein Matratzen-Lobbyist?«

»Klappe! Es wäre Metsola auch schwer geworden, ihre absolute Unabhängigkeit zu erklären, weil sie nämlich mit einem Lobbyisten verheiratet ist: Ukko Metsola, Finne, Cheflobbyist für die EU beim zweitgrößten Kreuzfahrtunternehmen der Welt. Ihr Sprecher sagt, die beiden hätten eine ›chinesische Mauer‹ zwischen sich gebaut und würden sich nicht interessieren für die Sachen des jeweils anderen. Leider hat sie mehrere Reden zu Schifffahrtsthemen gehalten, ich zitiere wörtlich: ›Die Bedeutung der maritimen Industrie für Wohlergehen und Wohlstand Europas kann nicht genug betont werden‹, blablabla. Wenn Ukko per Mail einen Termin bei Kommissaren wünscht, erhält er innerhalb einer Stunde Antwort und innerhalb einer Woche den Termin. Er reist immer mit, taucht auf offiziellen Fotos auf, letztens bei der Krönung von König Charles. Ein Traum, als Lobbyist in solche Kreise zu kommen …«

»Eher ein Alptra …«

»Ob Brüssel oder Berlin-Mitte, die herrschende Klasse schafft einen Satz von Regeln, von deren Geltungsbereich sie ausgenommen ist. Das ist keine Demokratie mehr, das sind Herrschaftsstrukturen aus dem Mittelalter. Vor einigen Jahren musste der Leiter einer EU-Vertretung noch zurücktreten, als seine Frau Kommissarin wurde …«

»Immerhin hat Metsola nicht ihren Schwager als Kabinettschef eingestellt!«

»Doch. Hat sie doch. Gerade. Direkt nach der Wahl.«

→ Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

Meine alte & neue Chefin Parlamentspräsidentin Roberta Metaxa (unseriös) hat es endlich geschafft, ihren Schwager (auch unseriös) als Kabinettschef einzustellen (20  000 Ocken plusplusplus). Die Saison fängt gut an … Smiley!

 

 

 

Achtung, Durchsage: Dieser Bericht wurde aus Mitteln des Europäischen Parlamentes finanziert und zeigt möglicherweise ein Zerrbild desselben.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie wiederum, André Berghegger,

haben als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes nach dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke eine »Investitionsoffensive für die Infrastruktur« gefordert, da viele Brücken in Deutschland marode seien. Diese Sanierung könnten jedoch Städte und Gemeinden »aus eigener Kraft kaum tragen«, ergänzten Sie. Mit anderen Worten: Es braucht eine Art Brückenfinanzierung?

Fragt Ihre Expertin für mehr oder weniger tragende Pointen Titanic

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

 Philipp Bovermann (»SZ«)!

Früher hatten Sie Angst vor der Klimakatastrophe. Heute sind Sie Mitte dreißig und haben dazugelernt: »Ich kann heute nur noch darüber staunen, wie wenig tief mich die Tatsache bekümmert, dass der Planet überhitzt, dass Arten verschwinden, Ökosysteme kollabieren, Regenwälder brennen, Meeresböden sich in Wüsten verwandeln. Menschen werden sterben, Menschen sterben schon heute, das Leid der Tiere sprengt alle Vorstellungskraft – aber jetzt stehe ich auf meinem Balkon, habe mir ein Leben aufgebaut, mit einem tollen Job, einer tollen Frau, einer tollen Tochter, unten auf dem Teich schwimmt eine Entenfamilie vorbei, und geblieben ist nur die sanfte Sorge, dass ich mir zu wenig Sorgen mache. Ich grusele mich vor mir selbst. Aber nur ein winziges bisschen.« Denn »vielleicht ist es rational, wegen des Klimawandels ruhig zu bleiben und sich auf das Leid im Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Welt wird schon nicht gleich untergehen.«

Nein, Kollege Bovermann, wird sie nicht, jedenfalls Ihre nicht. An den Menschen in Südostasien oder Osteuropa, betroffen von einem exemplarischen Regen aus der neuen Klimagegenwart, schwimmen derweil keine Entenfamilien, sondern ihre toten Töchter vorbei, während Sie sich so arg auf das Leid im Hier und Jetzt konzentrieren, dass es alle Vorstellungskraft sprengt.

Vorm ewigen Jungspießer gruselt’s da ein bisschen: Titanic

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

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Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
06.10.2024 Berlin, Schloßparktheater Max Goldt
06.10.2024 Hannover, Pavillon Hauck & Bauer
06.10.2024 Wien, Stadtsaal Martin Sonneborn
06.10.2024 Köln, Comedia Ella Carina Werner