Inhalt der Printausgabe
August 2001
Humorkritik
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Murgers lustiges Künstlerleben |
Daß die Fun- resp. Golf- oder sonstwie verkrachte "Kultur" bzw. Generation weiß Gott nicht der Moden neuestes Phänomen ist, bedarf freilich keines Beweises. Hier wäre dennoch einer. Denn um nichts als eine schiere Spaßgesellschaft geht es in Henri Murgers mythenstiftendem Buch "Bohème. Szenen aus dem Pariser Leben" (nun wieder aufgelegt bei Steidl), das 1851 erschien und die Schattenseiten des brotlosen, aber freudvollen Künstlerdaseins generös verbarg - ohne hingegen so plump idyllisch zu verfahren wie die zahllosen Murger-Adepten, allen voran Puccini mit seiner Bohème-Oper, die, wie's halt so geht, weit stärker im Bewußtsein präsent ist als das Murgersche Urbild. Einen Jux nach dem anderen also will Murger sich machen; und den hatte ich denn auch bei der Lektüre dieses handlungsarmen Buches, das ausschließlich von den permanenten Bonmots, Kalauern und Sottisen seiner vier reichlich holzschnittartig gezeichneten, jedoch erfreulich albernen Hunger-Künstler-Prototypen lebt: "Herr und Frau Rudolf, Schriftsteller, bitten Sie für morgen abend pünktlich um fünf Uhr zum Diner. N.B. Es gibt Teller." Ohne recht voranzukommen, basteln die fidelen Vier an Werken wie der "naturalistischen Symphonie ›Der Einfluß des Blauen in den Künsten‹". Wesentlich effektiver üben sie sich "in der Kunst, zu Bett zu gehen, ohne zu soupieren, oder zu soupieren, ohne zu Bett zu gehen", widmen ihr "phantastisches Zufallsdasein" der Jagd nach neuen Mansarden und Musetten (Mädchen, die "eine schlanke Gestalt, viel Koketterie, etwas Ehrgeiz und wenig Orthographie besitzen"), und ein jeder ist zufrieden, wenn er "am Tage ein schlechtes Diner und einen guten Witz hinter sich hatte". Und weil Murgers Musetten-Schmonzette von beidem reichlich hat, bin auch ich's zufrieden. |
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