Inhalt der Printausgabe
April 2004
Humorkritik
(Seite 2 von 7)
Olli Dittsche |
In einem kleinen, offensichtlich in Hamburg gelegenen Imbißlokal steht, in Latschen und Bademantel, ein leicht abgerissen aussehender Herr und brabbelt starren Blicks auf den Imbißbudenbesitzer ein; im Eingangsbereich sitzt, völlig unbeteiligt, ein dicker, herzhaft rauchender Gast und verzehrt Bier - so geht das sonntagsabends eine halbe Stunde lang im WDR-Fernsehen. In diesem "unterhaltsamen Wochenrückblick von und mit Olli Dittrich", so teilt die zuständige Videotext-Seite mit, liefere sich der Hauptdarsteller mit dem Mann hinterm Tresen "aberwitzige Dialoge" - leider ist kein Wort davon wahr. Weder war Dittrichs Sendung unterhaltsam, noch blitzte ansatzweise der Aberwitz auf. Trotz der eher vielversprechenden Ausgangssituation focht Dittrich einen aussichtslosen Kampf: gegen die veritable Platte, die die unbarmherzige Überwachungskamera unter seinen Haarsträhnen zeigte, und gegen die schnell aufkommende Langeweile. Aber warum? Ganz offenbar liegt es am Konzept. "Dittsche - Das wirklich wahre Leben" nennt sich die Sendung, und es ist wohl das im weiten Sinne "Wahre" oder "Authentische", was Dittrich uns zeigen will: einen arbeitslosen, biertrinkenden, irgendwie nicht mehr ganz frischen Zeitgenossen, der seine Logorrhöe an wehrlosen Zuhörern auslebt und sie mit seinen Kommentaren zum Wochengeschehen übergießt - Strandgut des Lebens in Aktion. Dittrich, der klugerweise dem pointenschlachtenden Sketch-Fernsehen abgeschworen hat, vertraut hier ganz auf seine Figur und auf die unmittelbare Kraft der Improvisation; er hat sich inhaltlich vorbereitet, folgt aber keinem geschriebenen Text. Und sein Gegenüber, der Tresenmann, offensichtlich auch nicht. Außer anteilheuchelnden Floskeln entfährt ihm nichts. Aber nicht nur das macht die Sache aberwitzig langweilig - die ganze Konstruktion ist falsch. Diesen Typus des schwadronierenden Esels, den Dittrich uns zeigt, den gibt es so gar nicht. Wer uns ungefragt in der U-Bahn, in der Kneipe, am Kiosk anschwallt, hat kaum je die Ereignisse der vergangenen Woche parat oder kommentiert diese gar in locker verknüpfter Weise, nein, der hat zumeist einen echten Sparren, eine fixe Idee, einen Komplex, ein Verschwörungswissen, das er unbedingt loswerden will und in das er nur diejenigen Teile der Realität einbaut, die ihm auch passend erscheinen. Nichts davon zeigt Dittrichs Figur. Sie hat keine Geschichte, kein Schicksal, kein eigenes Drama und somit auch keine genuine Komik. Doch selbst wenn die Figur stimmig wäre, hätte sie wohl Mühe, uns zu unterhalten. Denn warum sind diese bemitleidenswerten Gestalten, die Thekenschwätzer und Trinkhallenschwadroneure dieser Erde stets Einzelgänger? Weil ihnen keiner zuhören will. |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |