Inhalt der Printausgabe

März 2005


Humorkritik
(Seite 4 von 6)

Wodehouse im Weltkrieg
Pelham Grenville Wodehouse schrieb fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch, aber er weigerte sich hartnäckig, seine eigene Ära literarisch zu verarbeiten. Nach Erfolgen in England ging Wodehouse zum Broadway und langweilte sich als hochbezahlter Script Doctor in Hollywood. Die Filmstadt ließ ihn kalt; Wodehouse erklärte: "Ich bin zu originell, um ein guter Drehbuchautor zu sein."
Danach ließ er sich aus steuerlichen Gründen in Frankreich nieder und schrieb und führte seine Pekinesen spazieren. Bis an einem Morgen im Frühjahr 1940 die deutsche Wehrmacht vor der Tür stand.
Wodehouse wurde schließlich in ein schle-sisches Internierungslager gebracht. Obwohl beinahe sechzig Jahre alt, verkraftete er die Entbehrungen gut. Wie er sagte, erinnerte ihn das Lagerleben an seine Schul--zeit. Er arbeitete weiter an seinen Manuskripten, führte Tagebuch und be-wahrte seinen Humor: "Wenn das Oberschlesien ist, wie muß dann erst ›Unterschlesien‹ aussehen."
Bei den Deutschen wurde der Gefangene erst unter dem Namen Whitehouse geführt, aber bald entdeckte man seine Identität und beschloß, seine Prominenz zu nutzen. Ribbentrops Außenministerium wollte, daß Wodehouse Stimmung für Deutschland in den damals noch neutralen USA mache. Wodehouse wiederum war an Kontakten zu seinen Fans und zu seiner Familie interessiert. So berichtete er im Sommer 1941 auf Kurzwelle im Radio über seine Zeit im Lager. Durch seine flapsigen Erzählungen fühlten sich Hitlers Gegner in Amerika aber verhöhnt. Von seinen Verlegern bedrängt, beendete Wodehouse seine Radioarbeit und hielt die Sache damit für erledigt. Da aber Goebbels' Propagandaministerium nach dem Sturzflug von Rudolf Heß einen prominenten englischen Überläufer präsentieren wollte, wurden Wodehouses Berichte samt der amerikanischen Kommentare nun abermals in Richtung Großbritannien ausgestrahlt. Der Schriftsteller hatte geglaubt, sich bei seinen Auftritten als Humorist treu zu bleiben, für viele seiner Landsleute war Wodehouse aber nun ein Verräter. Seine spä-tere Erklärung, er sei politisch naiv ge-wesen, wurde unter anderem mit Verweis auf die Geschicklichkeit, mit der er sich dem Finanzamt entzogen hatte, nicht akzeptiert. Zu seinen Gegnern gehörte auch ein späterer Nobelpreisträger für Literatur - Winston Churchill.
Wodehouse verbrachte die folgenden Kriegsjahre bei Freunden im Harz, das Ende erlebte er in Paris. Nach dem Krieg ging Wodehouse in die USA, deren Staatsbürger er 1955 wurde. An seine Erfolge am Broadway konnte der Wiedereinwanderer nicht anknüpfen, auch in Hollywood hatten sich die Zeiten geändert, doch seine Romane mit all den albernen Adligen, begabten Butlern und totalitären Tanten fanden nach einigen Anlaufschwierigkeiten wieder ihr Publikum.
P. G. Wodehouse starb 1975. Heute sind noch über hundert seiner Werke im Druck, und immer wieder outen sich Autoren als Wodehouse-Fans; die sich dann gern mit Fragen beschäftigen, die auch einem Bertie Wooster gut zu Gesicht gestanden hätten. So sinnierte Anthony Lane im New Yorker seitenlang, ob man denn Wodehouse auch zu sehr lieben könnte.
Robert McCrum hat nun "Wodehouse - A Life" (Viking) veröffentlicht; ein Buch, welches den Anspruch erhebt, die definitive Biographie zu sein. Was Faktenfülle und Gründlichkeit anlangt (von den gut 500 Seiten entfallen etwa einhundert auf Fußnoten), trifft das sicherlich zu. Wenn man jedoch von dem spannenden Zwischenspiel in Deutschland absieht, liest sich McCrums Buch - wenn nicht gerade P. G. zitiert wird - recht trocken. Was nicht unbedingt dem Biographen anzulasten ist. Wodehouses Leben war über weite Strecken unspektakulär. Er hat halt meistens geschrieben.
Einen leichteren Zugriff bietet Joseph Connolly mit seiner witzig geschriebenen Monographie (Haus Publishing), allerdings muß er ohne jedes Zitat auskommen, weil ihm die Wodehouse-Erben den Ab-druck verweigert haben, warum auch immer. Connollys Verehrung für sein Idol ist unüberlesbar, manchmal erreicht sie geradezu nordkoreanische Ausmaße. Aber vielleicht hat A. Lane ja recht, und soviel Hin-gabe war den Nachlaßverwaltern dann doch zuviel.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dass Du das »Du«, Steffen Freund,

so bescheuert verwendest, werden wir von Deiner Zeit als Fußball-Co-Kommentator bei RTL in unangenehmer Erinnerung behalten.

»Das muss anders gespielt werden! Du musst den Spieler in die Zone bringen.« – »Das zeichnet eine gute Mannschaft eben aus – dann lässt du dich besser fallen.« – »Gegen den Ball ist da kein Abnehmer, und das spürst du natürlich auch.« – »… und dann bist du in einer Situation, wo es gelb bis rot wird.« – »Dann hast du noch drei zentrale Mittelfeldspieler, das reicht dann mal nicht.« – »Du brauchst jetzt zwei Spieler, die noch frisch sind.« – »Es ist ein K.-o.-Spiel! Du hast nur noch 20 Minuten!« – »Einfach mal durchstecken! Jetzt kannst du eins gegen eins gehen!«

Eben nicht. Weil wenn’s ganz unerträglich wird, kannst Du natürlich den Ton abschalten.

Brauchst Du aber nicht mehr. Jetzt ist es ja vorbei. Und Du liest wieder Titanic

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 Hello, tagesschau.de!

All Deinen Leser/innen, die von Tim Walz, der für die US-Demokraten als Vizekandidat in den Wahlkampf ziehen soll, bisher noch nicht allzu viel gehört hatten, wusstest Du doch immerhin zu berichten, er sei ein ehemaliger »Lehrer und gilt als einer, der die einfache Sprache der Menschen spricht«. Und nichts für ungut, tagesschau.de, aber dass ein Kandidat im US-Wahlkampf, ein einstiger Lehrer zudem, Englisch spricht, das haben selbst wir uns schon beinahe gedacht.

Deine einfachen Menschen von Titanic

 Dumm gelaufen, Kylian Mbappé!

Ihnen wurde ein BMW i7 M70 xDrive »überlassen« (Spiegel), jedoch haben Sie gar keinen Führerschein, haha! Wer soll den geschenkten Gaul nun lenken, rätselte daraufhin die Presse: »Mbappé von Real Madrid: Darum bleibt sein Luxus-Auto in der Garage« (msn.com).

Tja, da kann man nur hoffen, dass von Ihren 72 Millionen Euro Jahresgehalt ein paar Cents übrig bleiben, um einen Chauffeur einzustellen.

Aber bitte vorher alles genau durchrechnen!

Mahnt Titanic

 It’s us, hi, Kulturwissenschaftler Jörn Glasenapp!

Dass Sie als Verfasser einer Taylor-Swift-Monographie Ihren Gegenstand öffentlich verteidigen, etwa im Deutschlandfunk Nova oder bei Zeit Campus: geschenkt. Allein, die Argumente, derer Sie sich dafür bedienen, scheinen uns sanft fragwürdig: Kritik an Swift sei eine Sache »alter weißer Männer«, im Feuilleton herrsche immer noch König Adorno, weshalb dort Pop und »Kulturindustrie« unentwegt verdammt würden, und überhaupt sei die zelebrierte Verachtung des Massengeschmacks eine ausgesprochen wohlfeile Methode, Distinktion zu erzeugen, usw.

Je nun, Glasenapp: Wir sind in der privilegierten Position, dass es uns erst mal egal sein kann, ob Taylor Swift nun gute Kunst macht oder schlechte. Wir sind da pragmatisch: Manchmal macht das Lästern Spaß, manchmal der Applaus, je nachdem, wer sich gerade darüber ärgert. An Ihnen fällt uns bloß auf, dass Sie selbst so ein peinlicher Distinktionswicht sind! Denn wenn unter alten weißen Männern Swiftkritik tatsächlich Konsens und Massensport ist, dann sind Sie (*1970) wieder nur der eine nervige Quertreiber, der sich abheben will und dazwischenquäkt: Also ich find’s eigentlich ganz gut!

Finden das eigentlich auch ganz gut: Ihre Affirmations-Aficionados von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Hä?

Demenz kennt kein Alter.

Moppel Wehnemann

 Abschied

Juckeljuckeljuckel,
Das Meer liegt hinterm Buckel,
Dort vorne, da ist Dover,
Da ist die Reise over.

Gunnar Homann

 SB-Kassen

Zu den Seligen, die an Selbstbedienungskassen den Laden kaltblütig übervorteilen, gehöre ich nicht. Im Gegenteil, obwohl ich penibel alle Artikel scanne und bezahle, passiere ich die Diebstahlsicherungsanlage am Ausgang immer in der angespannten Erwartung, dass sie Alarm schlagen könnte. Neulich im Discounter kam beim Griff zu einer Eierschachtel eine neue Ungewissheit hinzu: Muss ich die Schachtel vor dem Scannen wie eine professionelle Kassierkraft öffnen, um zu kucken, ob beim Eierkauf alles mit rechten Dingen zugeht?

Andreas Maria Lugauer

 Meine Mitbewohnerin

legt Dinge, die nicht mehr so ganz intakt sind, in Essig ein. Dabei ist es egal, ob es sich um verkalkte, schmutzige oder verschimmelte Dinge handelt. Ich würde bei ihr den Verbrauch von Salzsäure in den kommenden Jahren intensiv beobachten – gerade falls ihr Partner unerwarteterweise verschwinden sollte.

Fia Meissner

 Unwirtliche Orte …

… sind die ohne Kneipe.

Günter Flott

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer