Inhalt der Printausgabe
Mai 2005
Humorkritik (Seite 3 von 8) |
Ohne Scharf |
Ich weiß gar nicht, was mich mehr verstimmt hat: Die Turko-Sitcom "König von Kreuzberg" selbst - oder die unisono verzückten Kritiken des deutschen Fernsehfeuilletons. Eine gute Sitcom erkennt man unter anderem daran, daß nicht ihre Handlung selbst komisch-überdreht ist, sondern die Verwicklungen, die aus ihr entstehen. Ist der Plot selbst unglaubwürdig, diskreditiert er seine Protagonisten, und hat der Zuschauer erst einmal seine Sympathien für die Hauptfiguren verloren, ist sein Interesse am Gebotenen in der Regel gestorben. Wenn nun, wie in der ersten Folge der Kebab-Comedy "König von Kreuzberg" (freitags auf Sat.1), der erste "Lan" - der es, nebenbei bemerkt, als Türke wohl besser wissen müßte - in der Türkei ein Mädchen anbaggert und, zurück in Berlin, anschließend von ihren Brüdern zur Hochzeit gepreßt wird, wenn dann der zweite "Lan" seinen Kumpel zur homosexuellen Scheinehe überredet, damit die anatolische Brautfamilie in spe das Interesse an ihm verliert, so ist das, gelinde gesagt, nicht sehr überzeugend; eher schon totaler Quatsch. Der letzte Rest Bodenhaftung aber geht verloren, wenn der türkische Vater zunächst laut verkündet, er sei gänzlich tolerant, falls sein Sohn eine Deutsche heiraten wolle, und, über seinen Irrtum aufgeklärt, nach wenigen Momenten des Haderns auch noch die homosexuelle Ehe seines Sprößlings akzeptiert. Da schlägt die political correctness Volten, die jeden sofort nach der Fernbedienung greifen lassen, der einfach nur ein bißchen komische Fernsehunterhaltung sehen will, ohne den humorlos-berufsschullehrerhaften Ton ertragen zu müssen, mit dem hier die kulturelle Offenheit der Deutschtürken vorgetragen wird. Diese vorauseilende Korrektheit dürfte es auch sein, welche die Kritiker von FAZ ("keine Klischees") über FR ("klischeefreies Bild") bis taz ("glaubwürdige Figuren") zu Lobeshymnen anstachelte. Da erstaunt es auch nicht mehr zu hören, daß der Autor sich am weißesten Neger der Comedy-geschichte orientiert hat: an Bill Cosby und der "Cosby Show". So endet es eben, wenn man glaubt, "heikle Themen nicht aussparen" zu dürfen, aber auch keine echten Konflikte aufgreifen will: in schalen Routine-Comedyhandlungen mit fadem Dönerbeigeschmack. Ohne Scharf. |
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