Humorkritik | Oktober 2013
Oktober 2013
Morgenthauplan
Schon der erste Roman des pseudonym schreibenden Autors einzlkind, »Harold«, machte mir Freude, und auch in seinem zweiten Werk, »Gretchen« (Edition Tiamat), erreicht einzlkind eine respektable Fallhöhe, ohne die Komikarchitektur neu zu erfinden. Die Theaterlegende Gretchen Morgenthau wird wegen ungebührlichen Verhaltens bei einer Verkehrskontrolle von einem Londoner Gericht verurteilt, ein Laienspiel auf der schottischen Nordmeerinsel Gwynfaer zu inszenieren. Hier die aus Wien stammende versnobte Kosmopolitin im Rentenalter; dort der wortkarge Isländer Kyell, der ihr als Assistent zur Seite gestellt wird, ein postpubertäres Sensibelchen, gefangen im Körper eines Naturburschen. Man gebe eine Reihe kauziger Inselbewohner hinzu, sorgsam angeordnet auf der nach oben offenen Verschrobenheitsskala, und fertig ist der Spaß.
Daß am Ende weit mehr als Spaß entsteht, nämlich ein runder, sehr amüsanter und ins Tragikomische hineinreichender Roman, ist einzlkinds Talent zu verdanken, seine Figuren ungemein plastisch werden zu lassen: Gretchen Morgenthau wollte ich mindestens so oft ohrfeigen wie knuddeln, führt uns ihre Überheblichkeit doch in wahre Elysien des Bräsigen. Doch statt Schablonen auszumalen, gibt der Autor seinen Figuren Erfahrung, Lebensklugheit und Geschichte mit – und schreibt Flachwitzer wie Jaud, Vermes und Konsorten ganz locker an die Wand.