Humorkritik | Februar 2020
Februar 2020
Aber das Leben ist im Grunde so fatal ernsthaft, daß es nicht zu ertragen wäre ohne solche Verbindung des Pathetischen mit dem Komischen. Das wissen unsere Poeten.
Heinrich Heine
Aufrechtes Lachen
Die Themen Gender und Race gehörten von Anfang an zu den beherrschenden des amerikanischen Stand-ups. Einerseits vermutlich, weil es eine ausgesprochen heteromännliche Disziplin war und ist, in der das Verhältnis zum begehrten Geschlecht eine ständige Rolle spielte; zum anderen sind die Nachtclubs, in denen das Genre sich gegründet und definiert hat, ein Hauptort des amerikanischen Ethniengemischs, hier musste man sich stets intensiv über Freiheiten und Grenzen des Sprachgebrauchs und die Verwendung sozialer Klischees Gedanken machen. Die Perspektive weißer Männer auf diese Komplexe scheint mir auserzählt, weswegen ich mich lieber den Netflix-Specials von Michelle Wolf und Ronny Chieng widmen möchte.
Michelle Wolfs »Joke Show« hängt sich zwar stark an Mann-Frau-Beobachtungen auf, präsentiert diese aber so pointiert und selbstbewusst, dass mir selbst Witze, die ich einem alten Las-Vegas-Comedian übel genommen hätte – etwa den, dass es bösartig sei, Männern mit dünnen Schwänzen den Tod zu wünschen, aber eben auch spaßig, weil: Wer würde es wagen, sich darüber öffentlich zu beschweren? –, in Wolfs quietschig überdrehter Stimme erfrischend vorkamen. Obendrein führt bei ihr jeder brachiale Ein- und Ausfall früher oder später ins gesellschaftlich Relevante: Seien es Vergewaltigungsprojektionen auf die Tierwelt, Menstruation oder Abtreibung, Wolf hat Witz und Standpunkte – so etwa den angenehm entspannten, dass eine Abtreibung eine große Sache für die Betroffene sein kann, aber auch nicht sein muss. Ihre zumindest war es wohl nicht, sondern eigentlich nur das Ergebnis des Umstandes, das sie der netteste Mensch der Welt sei – schließlich habe sie einen Mann in sich kommen lassen.
Der 2015 in die USA immigrierte, in Malaysia geborene und unter anderem in Australien sesshaft gewesene Ronny Chieng wiederum bietet sich und die »Asians« in dem etwas irreführend betitelten Programm »Asian Comedian Destroys America!« als Schiedsrichter im »ongoing race war between blacks and whites« an. Man merkt ihm an, dass die US-Stand-up-Ikone George Carlin ihm ein Vorbild war, sowohl in der gelegentlichen Wut auf vermeintlich Marginales als auch in der sporadisch expressiven Gestik: Eine Nummer über die Motti amerikanischer Bundesstaaten könnte man fast als Zitat ansehen. Was Chieng Carlin aber voraushat, ist das Zusammenbinden mehrerer Nummern zu einem Finale. Mit der ausführlichen Schilderung seiner drei Hochzeiten auf drei Kontinenten (mit derselben Frau) gelingt ihm das meisterhaft.
Wer komische Perspektiven auf die Konflikte einer enger zusammenwachsenden, aber kulturell immer noch unter US-Hegemonie stehenden Welt wünscht, wird von Wolf und Chieng bestens bedient.