Humorkritik | Dezember 2023
Dezember 2023
»Es gibt genug Scherereien im Leben; warum es nicht einmal auf die heitere Weise versuchen?«
Auguste Renoir
Glänzende Gespenster
Weil sich Halloween näherte, startete ich eher halbherzig die im letzten Jahr angelaufene, inzwischen um eine zweite Staffel verlängerte US-Serie »Shining Vale« (in Deutschland auf dem Amazon-Channel »Starzplay« abzurufen). Schon nach der Hälfte der Pilotfolge waren meine Augäpfel erschöpft vom ständigen Rotieren: Ein Horror-Klischee reiht sich ans nächste, sämtliche Grusel-Tropen werden routiniert bis lieblos abgehakt, und der Plot – Großstadtfamilie bezieht Kleinstadt-Spukhaus – dürfte einem selbst als Genrefremdling vertraut sein.
Im Abspann las ich dann an drei Stellen (Co-Creator, Writer, Executive Producer) den Namen Sharon Horgan. Oha, diese britisch-irische Komikerin war mir doch schon mehrmals positiv aufgefallen, nicht zuletzt mit der schonungslosen Eltern-Comedy »Catastrophe« (TITANIC 8/18). Sollte »Shining Vale« eine subtile Parodie auf abgeschmackte Geistergeschichten sein? Ich schob die zweite Episode nach – mit acht Halbstündern hat die Serie eine gute »Snackability« – und konnte den komischen Ansatz allmählich erkennen und goutieren. Eine grobe Persiflage à la »Scary Movie« darf man nicht erwarten, die Lacher ergeben sich aus den zackigen Dialogen und der Darstellung der Charaktere, auch jene nur haarscharf am Stereotyp vorbei gezeichnet: der Sohn ein übergewichtiger antisozialer Doofi, die Teenagertochter eine stutenbissige Nymphomanin mit wachsendem Religionsfimmel, der Babysitter ein aufdringlicher, geschiedener Sonderling, der Freunde sucht.
Auf der zweiten Ebene hat »Shining Vale« auch etwas zu erzählen, nämlich eine mit negativem Vorzeichen versehene feministische Version von »The Shining«. Denn die Hauptfigur ist eine mit Hemmungen und Blockaden kämpfende Schriftstellerin. Anders als für Jack in Stephen Kings Klassiker sind die paranormalen Geschehnisse für die mit psychischen Auffälligkeiten Vorbelastete aber zunächst beinahe ein Segen, ihr gelingt der Ausbruch aus der Rolle der Mutter und Hausfrau, und der faustische Pakt, den sie schließt, verwandelt sie in eine geniale Schnellschreiberin. Am Ende wird’s freilich eine recht tragische Fluch-Story. (Im doppelten Sinn: Es fallen wirklich sehr viele Schimpfwörter.)
Hervorzuheben ist das meisterliche Spiel der Akteure. Mir war nicht klar, wie urkomisch Greg Kinnear, den ich bis dahin als harmlosen Gebrauchsmimen im Kopf hatte, agieren kann, wenn man ihm pointierte Zeilen vorlegt. Und Courteney Cox in der Hauptrolle hat nichts von ihrem in zehn Jahren »Friends« perfektionierten Timing und Gesichtseinsatz verlernt.