Humorkritik | Februar 2023
Februar 2023
»Man ist ein Mensch und erfrischt und erbaut sich gern an den kleinen Verdrießlichkeiten und Dummheiten anderer Leute. Selbst über sich selber kann man lachen mitunter, und das ist ein Extrapläsier, denn dann kommt man sich sogar noch klüger und gedockener vor als man selbst.«
Wilhelm Busch
Pier-Review
Warum nicht mal eine richtige Dokumentation ansehen, wenn sie, wie »Seaside Special«, als »funny film about Brexit« beworben wird? Darum: Weil das Werbezitat irreführend ist. Denn weder ist der Film von Jens Meurer besonders funny, noch geht es darin zentral um den Brexit: Sondern vielmehr um ein sogenanntes »End-of-Pier«-Varieté im britischen Küsten- und Touristenstädtchen Cromer, ein Kleinkunsttheater also am Ende einer Seebrücke. Gezeigt wird die Theatercrew, die sich auf die Saison vorbereitet, zu einem Zeitpunkt, als die Verhandlungen über den bevorstehenden Brexit das wichtigste politische Thema im Dorf sind. Witzig sollen offenbar vor allem die Scherze der Comedians sein bzw. deren Slapstick-Einlagen – gelacht habe ich darüber aber selten. Trotzdem ist »Seaside Special« ein lebendiger und auch gewissermaßen komischer Film geworden. Leider ist die Komik eine unfreiwillige und liegt darin, dass sich die großteils sehr sympathischen Protagonisten mit den Entfremdungen, Ängsten und Prekaritäten des krisenhaften Spätkapitalismus stoisch und mit totaler Selbstverständlichkeit abplagen und sich politische Nonsens-Debatten aufzwingen lassen, statt sich gemeinsam gegen die Ungleichverteilung der produzierten Reichtümer zur Wehr zu setzen.
Wenn es keine Satire ist und auch nicht besonders lustig: Was ist »Seaside Special« dann? Gibt es ein Genre namens »kritischer Feelgood-Film«? Ab jetzt schon.