Humorkritik | Juni 2023
Juni 2023
»Der böse Mensch ist witzig. Seine Bosheit macht ihm Spaß, denn sie macht ihn stark, die Stärke macht ihn siegreich, das Siegen macht ihn witzig. Und die Unterlegenen kann der Böse dann zum Spaß mit seinen Witzen gut verhöhnen.«
Rainald Goetz
Das gibt es auch
Wäre das neue Buch des Schweizers Ursus Wehrli (»Kunst aufräumen«) im O-Verlag erschienen, hieße es »Nntz Dng« und er selbst Rss Whrl; jener Verlag nämlich, so fingiert er es in seinem tatsächlich bei Kn&Br, also Kein & Aber erschienenen Büchlein voller »Unnützer Dinge«, »hat sich auf die Herausgabe von Büchern ohne Vokale spezialisiert«. Den umgekehrten Weg ginge, wer den »Laptop AAA« benutzt: »Er eignet sich für Leute, die vorwiegend A schreiben«, und hat nicht mehr als die drei Tasten »A«, »!« und »?«.
Eine Leiter mit einer einzigen Sprosse, ein Lochlöffel (»damit kann man Suppe essen, die man nicht mag. Oder wenn man keinen Hunger hat«) oder die »Einweg-Fliegenklatsche« aus Porzellan gehören ebenfalls zu den »Sachen, die niemand braucht und trotzdem keiner will« – was Wehrlis Angebot von der echten Warenwelt unterscheidet. Die nämlich strotzt bekanntlich ebenso vor unnützen, überflüssigen oder untauglichen Dingen, deren bloße Existenz den hemmungslos produzierenden und sinnloses Zeugs auswürgenden Kapitalismus bereits parodiert – wiewohl sie ernst genommen, gekauft und konsumiert werden.
Nicht wenige Muster ohne Wert in Wehrlis Katalog sind folgerichtig auf Verschleiß konstruiert wie die »Wegwerf-Geschirrspülmaschine« (»Diese Geschirrspülmaschine kann man wegwerfen. Danach ist sie kaputt«) oder dienen – rivalisierende Tiere plustern sich auf, Menschen auch – dem schönen Schein wie die prunkvolle »Fassade ohne Haus dahinter«. Sie befriedigen das Ego wie »das neutrale Brett mit Hürde«, das dem Käufer ein Alleinstellungsmerkmal im Konkurrenzkampf verschafft (»Damit haben Sie etwas, was sonst niemand hat: ein neutrales Brett mit Hürde!«), und sie illustrieren anschaulich bzw. destruieren lakonisch das Prinzip des kapitalistischen Fortschritts in Gestalt eines Brotkabels: »Führen Sie das Kabel mit einer leichten Drehbewegung in das Brot ein. Dann ist das Brot mit dem Kabel verbunden.«
Wehrlis Erfindungen sind paradox oder tautologisch und dennoch auf ihre besondere Weise realistisch. So auch das zwecklose »Yemp«, dessen einzige Rechtfertigung ist: »Das gibt es auch.« Wie dieses Büchelchen, das durch seine gut und gerne neunzig Erfindungen gerechtfertigt ist.