Humorkritik | Januar 2024

Januar 2024

»Nichts Komischeres produziert der Kapitalismus als jene Menschen und Institutionen, die allen Ernstes ›an ihn glauben‹.«
Georg Seeßlen / Markus Metz, »Blödmaschinen«

Ziemlich schlechte Pointe

Während das französische Regie-Duo Olivier Nakache und Éric Toledano in ihrem größten Erfolg »Ziemlich beste Freunde« zwei Milieus sehr komisch aufeinanderprallen ließ, nämlich zurückhaltend komponiert und gut durchdacht, ergehen sich die beiden in ihrem neuen Kinofilm »Black Friday for Future« fast ausschließlich in Klischees und Behauptungen. Dabei gibt es wieder zwei Milieus, wieder soll es zum Clash kommen, diesmal allerdings zwischen Hipstern und Klimabewegten.

Zwei unpolitische, hochverschuldete Loser, Albert und Bruno, geraten ungewollt in eine klimaaktivistische Gruppe. Sie beteiligen sich an deren Aktionen und übernehmen (mangels anderer Perspektiven) sogar Führungsrollen, während sie in Wahrheit nur nach einer Möglichkeit suchen, ihre Schulden loszuwerden; so verscherbeln sie etwa die bei Wohnungsauflösungen erbeuteten Gegenstände, die eigentlich einem Gratis-Tauschsystem zugeführt werden sollen, an Taxifahrer am Flughafen. Daneben erzählt der Film eine Liebesgeschichte, denn sowohl Albert als auch Bruno verlieben sich in »Kaktus«, wie sich die Chef-Aktivistin nennt. Kaktus kann allerdings vor lauter Weltschmerz keine Liebe mehr fühlen, was dann zu allerlei weiteren Verwicklungen führt, aber nicht zum v.a. von Albert erhofften Sex.

Was sich hingegen die Regisseure erhofften, sind komische Situationen. Die ergeben sich aber praktisch nie, weil Hipster und Aktivistinnen Klischees bleiben und der Film im Grunde nur aus dem einen, ständig variierten Scherz besteht: Für Kaktus und ihre Mitstreiter sind die unentwegt praktizierten gegenseitigen Umarmungen ein Zeichen von Rücksicht und »Achtsamkeit«, Albert interpretiert die körperliche Nähe als sexuelles Interesse. Ob man dies in der »Fridays«-Szene nun so handhabt oder nicht, weiß ich nicht; auf mich wirkte das offensichtliche körperliche Missverständnis sehr konstruiert und in der Wiederholung nicht komischer. Irgendwann will sich Kaktus bei Albert versichern, ob er es auch »ernst mit uns« meine (also mit der Gruppe und ihrer politischen Sache); Albert versteht die Frage als amouröse Annäherung. Seine anschließende Kuss-Avance quittiert sie mit einer Ohrfeige. Auf diesem Niveau früher Peter-Alexander-Filme wird in »Black Friday for Future« zwei Stunden lang gewitzelt; man soll mit zwei Losern über Klimaaktivistinnen lachen, weil die wunderlich sind und alles total ernst nehmen, während die Loser nichts ernst nehmen und ebenfalls wunderlich sind.

Frage: Wie hat den Verantwortlichen eigentlich so ein hübscher Film wie »Ziemlich beste Freunde« gelingen können?

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kopf einschalten, »Soziologie-Superstar« Hartmut Rosa (»SZ«)!

Wahrscheinlich aus dem Homeoffice von der Strandbar tippen Sie der SZ dieses Zitat vor die Paywall: »Früher waren zum Beispiel die beruflichen Erwartungen, wenn man zu Hause war, auf Standby. Heute kann man andersherum auch im Büro natürlich viel leichter nebenbei private Kommunikation erledigen. Man kann nichts mehr auf Standby schalten, selbst im Urlaub.«

Ihr Oberstübchen war beim Verfassen dieser Zeilen ganz offenbar nicht auf Standby, denn dieser Begriff bezeichnet laut dem Cambridge Dictionary »something that is always ready for use«. Also sind wir gerade im Urlaub und im Feierabend heutzutage für den Job immer im Standby-Modus – also auf Abruf –, anders als bei der Arbeit, wo wir »on« sind, und anders als früher, wo wir dann »off« waren und daher alles gut und kein Problem war.

Dagegen dauerhaft abgeschaltet sind Ihre Hardwarespezis von Titanic

 Heda, »FAZ«

»Schlechte Politik verhindert Fortschritt« – das stimmt. Aber ist das nicht haargenau die Politik, für die Du immer trommelst?

Fragt schlecht und recht Titanic

 Liebes Werbeplakat in Freiburg!

»Nicht zu wählen, weil man nicht weiß, was, ist, wie keinen Film zu schauen, weil man sich nicht entscheiden kann«, trötest Du am Bahnhof allen noch so unwilligen Nichtwähler/innen entgegen. Jetzt stellt sich natürlich die alles entscheidende Frage: Ist ein versauter Filmabend, bei dem man am Ende aus Langeweile vielleicht sogar Monopoly spielen muss, genauso schlimm wie die Machtübernahme einer neofaschistischen Diktatur?

Fragt Popcorn mampfend Titanic

 Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

dass Ihre Kindheit, wie Sie im Bunte-Interview erzählten, von der täglichen Gewalt eines trinkenden Vaters geprägt war. Ganz überraschend kommt Ihr Geständnis vom besoffenen Prügelpapa allerdings nicht. Man hätte sich schließlich denken können, dass dieser Arsch dauernd doppelt gesehen hat.

Verdient im Gegensatz zu Ihnen für diesen Gag auf jeden Fall Schläge: Titanic

 Dumm gelaufen, Kylian Mbappé!

Ihnen wurde ein BMW i7 M70 xDrive »überlassen« (Spiegel), jedoch haben Sie gar keinen Führerschein, haha! Wer soll den geschenkten Gaul nun lenken, rätselte daraufhin die Presse: »Mbappé von Real Madrid: Darum bleibt sein Luxus-Auto in der Garage« (msn.com).

Tja, da kann man nur hoffen, dass von Ihren 72 Millionen Euro Jahresgehalt ein paar Cents übrig bleiben, um einen Chauffeur einzustellen.

Aber bitte vorher alles genau durchrechnen!

Mahnt Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit »AKW«

Der Bauer tat sich seinen Zeh
beim Pflügen auf dem AK W.

Jürgen Miedl

 Treehuggers

Bei aller Liebe zum Veganismus: Plant Parenthood geht mir zu weit.

Sebastian Maschuw

 Abschied

Juckeljuckeljuckel,
Das Meer liegt hinterm Buckel,
Dort vorne, da ist Dover,
Da ist die Reise over.

Gunnar Homann

 Hä?

Demenz kennt kein Alter.

Moppel Wehnemann

 Hybris 101

Facebook und Instagram, die bekanntesten Ausgeburten des Konzerns Meta, speisen seit kurzem auch private Daten ihrer Nutzer in die Meta-eigene KI ein. Erst wollte ich in den Einstellungen widersprechen, aber dann dachte ich: Ein bisschen Ich täte der KI schon ganz gut.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer