Humorkritik | Juli 2024

Juli 2024

»Laughter is to human soul, what water is to life«
Obaidur Rahman

Pädagogisch wertvolle Komik

Ob wohl jemand lacht, wenn der Wirt »Tonsiastrus« heißt, der Kellner »Dromulus«, der Hausknecht »Stasimus« und die Gäste »Syntapsius Blictri«, »Calepodius« und »Mirmillus«? Dabei befinden wir uns in einer Komödie, und der gelehrt tuende Wirt rühmt sich, die »ars hydraulica« zu beherrschen, »est ars dirigendi aquas«, woraufhin der Kellner schnippisch versetzt: »In cellam nempe, et mutandi in vinum, nunquid?«

Wahrscheinlich: nein. Allenfalls ein ahnungsvolles Schmunzeln mögen Stichworte wie »aqua« und »vinum« hervorrufen: Die hydraulische Kunst besteht darin, »Wasser in die richtige Richtung laufen zu lassen«, und zwar »in den Keller, um es dort in Wein zu verwandeln«. Das sind so die Scherze, die der Jesuitenpater Anton Claus in seiner 1750 gedruckten »Schulkomödie« namens »Tonsiastrus« (neu aufgelegt in der Friedenauer Presse) macht – und zum besseren Verständnis für alle, die nicht vor bald 300 Jahren bei Jesuitens zur Schule gingen, hat Herausgeber Christian Hecht neben dem lateinischen Text seine Übertragung ins Deutsche gesetzt, sodass nicht nur die Namen Beutelschneider (der Wirt), Wieselflink (der Kellner), Eckensteher (der Hausknecht) sowie Hohlkopf-Sinnfrei, Holzschuh und Fechter zu sprechen beginnen, sondern auch die Dialoge verständlicher werden und manchmal fast witzig sind.

Fast – denn die verständlichen haben Patina angesetzt, und die anderen sind vielleicht lustig, wenn man klassisch gebildet ist, Cicero-Zitate erkennt, die antike Rhetorik beherrscht und seine Freude daran hat, wenn der Wirt »Stasimus, wo hast du den Neptun?« fragt und auf die hilflose Antwort »Den Neptun?« den dummen Schüler, nein, Hausknecht schroff belehrt: »Das heißt Wasser, du Dummkopf!« Die klugen Schüler im Publikum werden gelacht haben, denn solche Dialoge kannten sie nur zu gut. Im Lateinunterricht vor und nach der Aufführung war es gewiss weniger lustig. Aber von elender Last befreiende Kunst zu machen, dazu ist deren höchste und schwierigste Form ja da: die komische.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gurr-gurr, Limburger/innen!

Im Rahmen eines Bürgerentscheides habt Ihr für das Töten von Tauben in Eurem Stadtgebiet gestimmt. Die Vögel sollen durch Genickbruch abgemurkst werden. Wir wüssten nun noch gerne, ob diese Hinrichtungen öffentlich abgehalten werden. Und können die Moribunden Kirchenasyl in Eurem Dom bekommen? Oder gibt das Bistum dieser Hexenjagd seinen Segen?

Fragt die Rattenfängerin der Lüfte Titanic

 Kinky, Senckenberg-Museum Frankfurt!

In Sachen Außenwerbung wolltest Du offenbar ganz am Puls der Zeit sein. Deshalb orientiertest Du Dich an Kampagnen wie der von diesem Start-up, das seine pfandfreien Mehrwegbehälter mit dem Slogan »Bowljob for free« anpreist – ein freches Wortspiel für Sex- und Porno-Fans!

Auf Deinem Plakat sehen wir das Bild eines Tintenfisches vor schwarzem Hintergrund, dazu den Text »Wilder Kalmar wartet im Darkroom«. Ha! Der augenzwinkernde Hinweis auf anonymen Gruppensex ist uns nicht entgangen, Senckenberg!

Aber warum da aufhören? Wann sehen wir Slogans wie »Doktorfisch will Dich untersuchen«, »Ausgestopfter Affe wartet auf der Sexschaukel« oder »Orchidee erblüht im Garten der Lüste«?

Schon ganz geil auf die Natur: Titanic

 Recht hast Du, Influencerin Tina Ruthe!

»Das hat einfach niemand verdient.« Mit diesem Satz kommentiertest Du in Deiner Insta-Story ein Bild, das ein brennendes Geflüchtetenlager in Rafah zeigte, und setztest noch ein Herz-Emoji dazu. Da können wir Dir nur zustimmen: Es hat wirklich niemand verdient, der gerade in einem Kriegsgebiet um sein Leben fürchten muss, als Content einer Influencerin herzuhalten und damit die Reichweite der kurz darauf geposteten Rabattcodes für die Shoppingbag in Leo-Optik zu pushen.

Stellt fest:

Deine Menschenrechtskommission von Titanic

 Ähm, »Radio Wuppertal«?

Vielleicht solltest Du aus Gründen der Motivationsförderung dem Online-Redakteur, der die Meldungen für Deine Internetseite abtippt, wenigstens Mindestlohn zahlen oder ihm ab und an eine warme Mahlzeit hinstellen. Denn sonst wird eine Überschrift wie »Messerangriff oder so in Unterbarmen« nicht die letzte ihrer Art gewesen sein.

Gut gemeinter Ratschlag oder so von Titanic

 Chapeau, »Kicker«!

Die schwierige Trainersuche des FC Bayern sprachlich angemessen abzubilden, ist sicher auch keine leichte Aufgabe. Doch die von Dir entdeckte Lösung: »Jetzt, nachdem auch mit dem aktuellen Cheftrainer keine Einigung gefunden werden konnte, stehen Max Eberl und Christoph Freund nicht nur mit dem Rücken zur Wand. Es gibt eigentlich gar keine Wand mehr« überzeugt gerade im Kafka-Jahr.

Zumindest Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Beim Marktstand mit dem schlechten Verkäufer

»Entschuldigung, dürfte ich die zwei Gurken da hinten links haben und drei kleine Äpfel?«

»Nein!«

Laura Brinkmann

 »This could have been Emaille«

Wenn mein Freund wieder einmal sein viel zu teures Porzellan-Geschirr auftischt.

Ronnie Zumbühl

 Ungelogen

Allen, die nicht gut lügen können, aber mal einen freien Tag brauchen, sei folgendes Vorgehen empfohlen: Morgens beim Arbeitgeber anrufen und sich krankmelden mit der absolut wahrheitsgemäßen Begründung: »Ich habe Schwindelgefühle.«

Steffen Brück

 Rhetorischer Todesstern

Anstatt vor der Reise nach Irland mühsam meine eingerosteten Conversation-Skills aufzufrischen, hatte ich mich dazu entschlossen, einfach ein paar cool klingende Star-Wars-Zitate auf Englisch auswendig zu lernen. Beim abendlichen Guinness wollte ich in der dunkelsten Ecke des Pubs sitzen, die langen Beine mit den Wanderstiefeln entspannt auf dem Tisch abgelegt, und – sollte mich jemand etwas fragen – mit einer lässig dahingerotzten Antwort aus »Das Imperium schlägt zurück« geheimnisvoll und verwegen wirken. Obwohl ich mich dabei genau an das Skript hielt, wurde ich bereits ab dem zweiten Tag von den Locals wie ein Irrer behandelt und während des kompletten Urlaubs weiträumig gemieden. Ich glaube zwar nicht, dass es an mir lag, aber wenn ich einen Kritikpunkt nennen müsste, dann diesen: Ausschließlich Sätze in Wookie-Sprache zu verwenden, war möglicherweise ein Fehler.

Patric Hemgesberg

 Klare Empfehlung

Dank der Paarberatung gelang es uns, unsere Beziehung gemeinsam sanft und behutsam in die Tonne zu legen anstatt zu kloppen.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
17.07.2024 Singen, Gems Thomas Gsella
19.07.2024 Hohwacht, Sirenen-Festival Ella Carina Werner
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«