Humorkritik | Juli 2024

Juli 2024

»Laughter is to human soul, what water is to life«
Obaidur Rahman

Was der Großvater noch wusste

Allzu plausible Gründe, sich Die Supernasen anzuhören, den gemeinsamen Podcast von Thomas Gottschalk und Mike Krüger, gibt es eigentlich nicht. Dass ich trotzdem ab und zu einschalte, liegt an den Momenten, in denen Gottschalk zu herrlich präsenilen streams of consciousness anhebt, die irgendwo zwischen Gerhard Polt und Donald Trump verdampfen. Letzterer arbeitete sich Anfang März bei einer Wahlkampfrede in nur vier Sätzen von Joe Biden über das Gewicht von Sand zu der Frage vor, ob der Schauspieler Cary Grant eine gute Figur im Badeanzug gemacht hätte; und vor diesen Hochleistungen eines »stabilen Genies« (Trump) muss sich Gottschalk, dem sein Berufsethos als gelernter Radiomoderator jedwede Denkpause verbietet, beileibe nicht verstecken. Erkundigt sich Mike Krüger etwa nach den Gästen der Fernsehsendung Tommys Hollywood-Report, einer 1988 produzierten, mittlerweile bei Youtube zu findenden Orgie des schlechten Geschmacks, klingt die Antwort so: »Ich kann mich erinnern. Pia Zadora ist ja zu Recht vergessen, und Rod Stewart, der kann nicht mehr so, wie er möchte. Bei dem kann man ja wirklich zwei Stunden lang zuhören und man kann jedes Lied mitsingen, das gibt’s heute kaum noch, heute kann man ja bei Leuten, selbst die aktuelle Hits haben, nicht mehr mitsingen, weil die Lieder ja nicht dazu gedacht sind, Melodien zu erzeugen wie bei Rod Stewart, (singt) ›I am Sailing‹. Ich hab mal ein Konzert von dem erlebt, da sangen wirklich Tausende mit, und das ist ’n tolles Gefühl, wenn man einfach alle Songs so, so, also jetzt als Deutscher, textlich ist man da zwar nicht trittsicher, aber man hat sie melodiemäßig drauf, und Jacqueline Bisset weiß ich noch, die hab ich am Set besucht, die hat ja in Amerika gedreht, obwohl sie ja Französin ist.« (Anmerkung: Bisset ist Britin.) »Es gibt ganz wenig internationale Stars, die in Amerika Fuß gefasst haben, Jacqueline war eine davon, und die alte Frau Zsa Zsa Gabor, Gott hab sie selig, die ist ja auch nicht mehr unterwegs, und Wolfgang Puck, dazu gibt es ’ne lustige Geschichte. Wolfgang Puck ist tatsächlich ein Österreicher, der es in Amerika geschafft hat, sowohl in Las Vegas als auch in L.A. als auch in vielen Supermärkten gibt es die Puck-Pizzas, und ich war natürlich immer in seinem Spago, da war ich mal mit Schwarzenegger, erinnere ich mich noch, da gibt’s Fotos davon, da rauchen wir noch im Spago eine Zigarre, das sind auch Dinge, die es längst nicht mehr gibt«, und bevor Gottschalk noch auf Pucks Schwester und Michael Douglas zu sprechen kommt, drehe ich das Ganze mal sachte stumm. Falls Sie zu Ende gehört haben, sagen Sie mir doch bei Gelegenheit, ob Krüger überlebt hat.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ähm, »Radio Wuppertal«?

Vielleicht solltest Du aus Gründen der Motivationsförderung dem Online-Redakteur, der die Meldungen für Deine Internetseite abtippt, wenigstens Mindestlohn zahlen oder ihm ab und an eine warme Mahlzeit hinstellen. Denn sonst wird eine Überschrift wie »Messerangriff oder so in Unterbarmen« nicht die letzte ihrer Art gewesen sein.

Gut gemeinter Ratschlag oder so von Titanic

 Bombe, Marie-Agnes Strack-Zimmermann,

was Sie als unangefochtene FDP-Dauerrednerin in der Bunten über Ihre Familie sagten: »Ich habe wunderbare Kinder, Schwiegerkinder und Enkelkinder und den großartigsten Mann der Welt.« Schön, schön. Aber warum? Sind die alle bewaffnet?

Fragt sich mit erhobenen Händen

Ihre Titanic

 Ey, Unbekannter!

Über Sie schreibt T-Online: »Mann masturbiert vor Frau im Zug«. Wie unhöflich! Noch nie was von »Ladies first« gehört?

Fragt gentlemanlike Ihre Titanic

 Jawoll, Ijoma Mangold!

Jawoll, Ijoma Mangold!

Im Zeit-Feuilleton sinnieren Sie ausführlich über die Verbissenheit, mit der politische Debatten mittlerweile geführt werden, und darüber, wie Humor und Heiterkeit gegen diese helfen können.

Ihren Essay schließen Sie mit der Feststellung, »dass Demokratie nicht mehr als funktionales Rollenspiel begriffen wird, dessen primärer Zweck es ist, einen zivilen Machtwechsel herbeizuführen, sondern als Kampf um Leben und Tod. Vielleicht sollten wir uns öfter Perücken aufsetzen? Selbstironie ist nämlich die beste Form der Gewaltenteilung und könnte die Politik davor retten, sich im Stellungskrieg einzubunkern.«

Manch eine/r mag sich fragen, was zur Hölle Sie hier sagen wollen. Doch unsereins erkennt sogleich, was Sie beabsichtigen: Ihr Text soll nicht nur ein Appell gegen den heiligen Ernst und die Verbissenheit in der Politik sein, sondern diesen auch direkt etwas entgegensetzen, nämlich Nonsens! Als Fachleuten fällt uns das sofort auf.

Lupft die Perücke zum Gruß: Titanic

 Prost und zum Wohl, lieber Lidl!

Rückblickend möchten wir uns noch einmal für Dein schönes Angebot »Freude schenken zum Vatertag« bedanken, bei welchem Du auf acht Plastikflaschen Deines ohnehin schon extrem billigen Perlenbacher Pils aus lauter Herzensgüte einfach eine neunte gratis obendrauf gelegt hast!

Und warum, Lidl? Weil Du ihre Herzen (und Lebern) in- und auswendig kennst und daher weißt: Erst die neunte Flasche ist es, die Männern regelmäßig die unverfälschte, überschäumende Freude bringt!

Nach Diktat vom Bürostuhl gekippt und sogleich eingepennt:

Deine »Jungs« von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Rahmen

meiner Arbeit als Psychiater musste ich einmal eine Dame untersuchen, die leider dement, aber dennoch sehr feinsinnig und geistreich war. Ich überprüfte standardmäßig die örtliche Orientierung und fragte, in welchem Land wir seien. Sie spekulierte, es könne Island sein, musste aber einräumen, dass sie es nicht wisse. »Kennen Sie denn die Stadt?« versuchte ich es mit der nächstkleineren Kategorie.

Da schaute sie mich an und sagte: »Hören Sie mal, junger Mann, wenn ich noch nicht mal weiß, in welchem Land wir uns befinden, werde ich die Stadt ja wohl erst recht nicht wissen!«

Robert Friedrich von Cube

 Aufschieberitis

Ich schiebe alles gern auf, inzwischen sogar Erkrankungen: Der Nephrologe zeigte sich höchst erstaunt, wie lange ich schon an einer behandlungsbedürftigen Nierenbeckenentzündung laboriert haben musste, bis diese sich schließlich schmerzhaft bemerkbar gemacht und mich zu ihm geführt hatte. Wahrscheinlich leide ich an Prokrastinieren.

Thorsten Mausehund

 Ungelogen

Allen, die nicht gut lügen können, aber mal einen freien Tag brauchen, sei folgendes Vorgehen empfohlen: Morgens beim Arbeitgeber anrufen und sich krankmelden mit der absolut wahrheitsgemäßen Begründung: »Ich habe Schwindelgefühle.«

Steffen Brück

 Offene Fragen

Wenn man älter wird – also nicht mehr jung, aber noch nicht tot ist –, fängt man unweigerlich an, sich Gedanken über die noch offenen Fragen im Leben zu machen. Eine meiner: Was hat es mit dem Lied auf sich, das mir in meiner bedauerlicherweise in der Pfalz verbrachten Kindheit und Jugend immer wieder begegnet ist? Vorgetragen von Alkoholisierten verschiedenen Alters: »Wichs am Bee, wichs am Bee / Fasnacht is schon lang nimee« – zur Melodie des Narhallamarsches. Neben dem faszinierenden, aber eher unwichtigen Umstand, dass es im Pfälzischen möglich ist, »nicht mehr« auf »Bein« zu reimen, treibt mich die Frage um: Was genau bedeutet das: »Wichs am Bee, wichs am Bee / Fasnacht is schon lang nimee«? Liege ich richtig in der Annahme, dass der Autor dieses Liedes bedauert, sich selbst befriedigen zu müssen, weil die Fastnacht vorüber ist und – vermutlich – nicht mehr genug vom Alkohol derangierte Menschen verfügbar sind, um Sexualpartner abzugeben? Und wenn das so ist: Warum singen das so viele Leute nach? Ist das etwas, das vielen Pfälzer Männern so geht? Warum schaffen es pfälzische Männer außerhalb der Fastnacht nicht, Geschlechtsverkehr zu haben? Gut, am absolut sexualfeindlichen Dialekt könnte es liegen. Aber selbst dann bleibt die Frage: Warum wichst sich der Pfälzer aufs Bein? Um dann die Abwesenheit der sexbringenden Fastnacht zu beklagen – in Form der Fastnachtsmelodie schlechthin?

Man sieht: Es sind noch genug Fragen offen, dass wir nicht sterben müssen. Bitte beantworte sie niemand!

Tim Wolff

 Morning Routine

Obst zum Frühstück ermöglicht einen gesunden Start in den Tag, aber wer keine Lust hat, sich schon morgens in die Küche zu stellen und Früchte zu schnippeln, dem empfehle ich stattdessen Snoozies.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
17.07.2024 Singen, Gems Thomas Gsella
19.07.2024 Hohwacht, Sirenen-Festival Ella Carina Werner
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«