Humorkritik | November 2024
November 2024
»Der Witz ist das einzige Ding, was um so weniger gefunden wird, je eifriger man es sucht.«
Friedrich Hebbel
Lustige Zeiten
Der wegen Geschmacksferne im Gerede stehende Luke Mockridge war mit seinem Programm »Funny Times« in München, und SZ-Rezensent B. Heckler sah viele freundliche, als Gags ausdrücklich kenntlich gemachte Gags, dann aber doch wieder den unguten alten Mockridge mit einem »wirklich beschissenen Witz«. Der basierte auf der Überlegung, alle Junkies in eine Stadt zu deportieren. Heckler: »Bleibt es bei dem menschenverachtenden Bild eines Ghettos, in dem alle Drogensüchtigen des Landes segregiert dahinsiechen? Ja. Bis dann ›junge Leute kommen, weil sie gehört haben, dass es da Drogen gibt‹ und ›die billigen Wohnungen beziehen, vegane Cafés aufmachen‹ und so weiter. Bis das Ghetto für die Süchtigen unbezahlbar geworden ist und sie ins nächste Elendsloch weiterziehen müssen. Bis auf diese Weise alle deutschen Städte kernsaniert sind. ›Das ist jetzt entweder ein total menschenfeindliches Konzept‹, referiert Mockridge aufgeregt, ›oder ich habe einfach Gentrifizierung erklärt.‹«
Hier sei, empört sich Heckler, die Stimmung gekippt, und zwar nicht, wie ich vermute, weil das Publikum zu den Gentrifizierungsgewinnern gehört, sondern weil es gelernt hat, dass menschenverachtende Konzepte Alltag sein mögen, aber doch nicht auf der Bühne. Heckler zitiert die »ganz gute Humor-Maxime: ›Jede Minderheit hat das Recht auf Diskriminierung.‹ Ein Satz, der leider denkfaule Witzemacher einlädt, sich beleidigt hinter ihm zu verstecken, wenn es mal Kritik gibt. Die richtet sich aber im Fall Mockridge vor allem gegen einen schmerzhaft offensichtlichen Umstand: Drogensüchtige und paralympische Schwimmer sind ihm immerhin so egal, dass sie ihm nicht mal einen handwerklich guten Witz wert sind. Die Verachtung liegt dann nicht darin, dass man über jemanden einen Witz macht, sondern in der fehlenden Auseinandersetzung mit demjenigen, über den man einen Witz macht. Es geht auch und gerade da um Zugewandtheit. Es geht gerade da nicht um Mut. Sondern um Mühe.«
Die der Kollege aber seinerseits scheut und sich lieber, wie heutzutage üblich, dem positivistischen Reflex und dem Argument ad hominem überlässt. Hätte Ricky Gervais hier serviert, wäre dem Kritiker wohl der schmerzhaft offensichtliche Umstand aufgefallen, dass gar kein Witz über Drogensüchtige vorliegt; die will ja wirklich niemand haben, und was Mockridge uns in naivem Zynismus ausmalt, ist genau die Auseinandersetzung, die Heckler und Kundschaft so ultimativ fordern, weil sie selbst sie meiden. Es gibt Dinge, die mir mehr Spaß machen, als den blöden Mockridge zu verteidigen, und wie schlecht er das bit gebracht hat, kann ich nicht beurteilen; aber wäre das nicht eine handwerklich gute Pointe, wenn all jene recht behielten, die immer schon fanden, der ganze Zirkus um die Zugewandtheit sei schon kein wirklich beschissener Witz, eine Einladung für Denkfaule?