Humorkritik | November 2024
November 2024
»Der Witz ist das einzige Ding, was um so weniger gefunden wird, je eifriger man es sucht.«
Friedrich Hebbel
Finnfilm mit Rakete
Auch so beginnen Journalistenkarrieren: Als alleinerziehende Mutter – zwei Kinder, der gewalttätige Mann im Gefängnis – im tiefverschneiten Lappland des Jahres 1984 einen Weihnachtsbaum aus dem Wald sägen, den Anhänger nicht richtig am Auto befestigen und selbigen auf glatter Straße verlieren, worauf er ins Frontfenster der Redaktion eines Lokalblättchens schlittert. Das Fenster ist hin, Geld für Schadenersatz nicht vorhanden, also muss Niina die Summe für die Lappland-Nachrichten abarbeiten: Erst mit Tippen und Putzen, dann durch Schreibaufträge für den zotteligen Chefredakteur Esko: »Denken Sie sich was aus!« Schließlich, so Esko, passiere hierorts nicht viel, der meistdiskutierte Artikel der letzten Weihnachtsausgabe habe davon gehandelt, wie ein beliebter Mitbürger beim Eisangeln eine Socke verlor.
So lustig bleibt »Neuigkeiten aus Lappland« (Regie: Miia Tervo; ab November im Kino) leider nicht, obwohl die komische Fallhöhe nach Niinas erstem Bericht über einen steckengebliebenen Traktorfahrer (»Matti Nevala stand im Schnee wie eine einsame Weihnachtskerze. Er betrachtete traurig seinen melancholischen Traktor, der sich nach Hause sehnte«) sogar steigen würde. Denn aus buchstäblich heiterem Himmel wird die Nachrichtenlage brisant: Ein lauter Knall ertönt am Firmament, es gibt Spekulationen, dass es sich dabei um eine sowjetische Rakete gehandelt haben könnte, und im Dörfchen marschiert das finnische Militär auf. Ereignisse, die die Jung-Reporterin des Käseblättchens zu investigativer, wenngleich reichlich naiver Hochform auflaufen lassen: »Hey, Niina Kuittinen, Lappland-Nachrichten! Ich habe ein paar Fragen zu der Rakete! Hatte sie einen Atomsprengkopf?«
Spätestens jetzt aber gleitet die Handlung, statt die große Distanz zwischen Lokaljournalismus und Atomkatastrophe komisch auszuloten, ins Ernsthafte, dreht sich um dörfliches Schweigen, Gewalt und die Angst vor Verstrahlung, konterkariert nur von den Einlassungen des Chefredakteurs, der auf keinen Fall »etwas Düsteres« drucken möchte, lieber das Rezept der neuen Dorfspezialität, »Raketengebäck«. Die tapfer recherchierende Niina hingegen gerät nebenbei in eine Liebes- und Emanzipationsgeschichte, in welcher der prügelnde (Ex-)Ehemann endgültig in die Schneewüste geschickt und gegen einen jungen Militär ausgetauscht wird, und so liegt die Pointenrakete für den Rest des Films weitgehend auf Eis. Lachen musste ich immerhin, als Niinas psychotischer Vater zwischendurch auf den Kassettenrekorder kackt, was Niina, die die Schweinerei beseitigen soll, vor ihrem neuen love interest so rechtfertigt: »Es lief ›You’re my heart, you’re my soul‹ von Modern Talking, das hasst er.«