Humorkritik | Oktober 2024
Oktober 2024
»Well, just being stupid and politically incorrect doesn’t work. You can be politically incorrect if you’re smart.«
Mel Brooks
Lachen verboten
Auf den Wikipedia-Seiten, die Filmklassiker behandeln, kommen mir hin und wieder kuriose Schnipsel aus dem zwischen 1948 und 1971 wöchentlich erschienenen Evangelischen Filmbeobachter unter. Dessen durchaus sachkundige Rezensenten pflegten mit geradezu biblischem Zorn auf den Zeitgeist und den allgemeinen Werteverfall zu schimpfen; häufig stand am Schluss ein Kurzresümee im Tonfall besorgter Großeltern, die noch Wörter wie »Dirne« verwenden, sicherheitshalber die Auflösung eines Krimis verraten und das Notenspektrum von »abzuraten« bis »auf das Entschiedenste abzuraten« voll ausschöpfen. Antiquariate führen noch vollständige Jahrgänge des schmucklos gedruckten Heftchens, so dass ich mich aus Interesse mal in einige Ausgaben aus den 1960er Jahren vertieft habe.
Bereut habe ich die Lektüre nicht, denn es fehlt weder an grantigen Urteilen (»Man muß sich schon Gewalt antun, um nur die Fotos im Schaukasten anzuschauen«) noch an buchhalterischer Präzision (am Western »Morgen wirst du gekillt, Johnny« wird bemängelt, ein Johnny trete dort lediglich in einer Nebenrolle auf und er werde an keiner Stelle mit dem Tod bedroht). Am meisten ist mir aber die bestechende Humorlosigkeit aufgefallen, die der EFB in seiner Beurteilung von »Lustspielen« an den Tag legt. Dabei ist mir der biedermeierliche Revueklamauk, den die Kollegen allwöchentlich vorgesetzt bekamen und abzuwatschen pflegten, ziemlich egal – interessanter scheint mir, wie sehr man sich beim EFB jedes Amüsement verbat bzw. das Komische von vornherein der Unsittlichkeit verdächtigte, unabhängig vom handwerklichen Geschick. So wird Frank Tashlins temporeichem Film »Der Mann vom Diners Club« eine imposante Gagdichte bescheinigt, jedoch: »Wer sich daran schon begeistern kann, bitte!« Anderswo enthüllen die Rezensenten zuverlässig ihr konservatives Familienbild bzw. ihre sexistische Doppelmoral, etwa wenn sie den Misserfolg der romantischen Komödie »Immer nur deinetwegen« nicht etwa dem 45jährigen Dean Martin anlasten, sondern seiner vier Jahre jüngeren Partnerin Lana Turner, die ja »nicht mehr die Jüngste« sei.
Das zunehmend frivole Komödienangebot des Kinojahrs 1963 lässt den EFB-Stab wiederholt nach dem Riechsalz greifen. So hebt die Kritik zum französischen Episodenfilm »Die sieben Todsünden« mit dem Satz an: »Wir verstehen und befürworten gar manchen Spaß« – und hier schließt sich selbstverständlich ein »aber« mit sehr langem Atem an. Überhaupt machen den frommen Sittenwächtern besonders französische und italienische Leinwandspäße zu schaffen: Dem fabelhaften Komödianten Marcello Mastroianni wird attestiert, er gebe seinen Filmen »eine zu amüsante Note«, dem kurz vorm Durchbruch stehenden Louis de Funès dagegen, er dürfe erst auf ein Publikum ab 14 Jahren losgelassen werden. Gnädiger beurteilt werden Zeichentrickfilme, die den EFB zu unnachahmlich nüchterner Verwaltungsprosa inspirieren: Die pflichtschuldig gelieferten Inhaltsabrisse der Abenteuer von Bugs Bunny (»Der kleine, wilde Hase treibt seinen Schabernack mit einem Jäger«) oder Tom und Jerry (»Aber nun kommt die explosive Maus und die Wohnung fliegt in die Luft«) werden nur noch von dem Vorschlag übertroffen, einen Charlie-Chaplin-Zusammenschnitt »unter das Thema ›Charlie, seine Berufe und seine Umwelt‹« zu stellen. Ich habe mir den nächsten EFB-Jahrgang natürlich schon bestellt.