Humorkritik | September 2024

September 2024

»Ich finde es erheiternd, dass wir alle keine Ahnung haben, Erklärungsversuche machen, an höhere Gesetze glauben, eine Religion suchen. Einen Sinn, einen Halt, in diesem Furz von absurdem Leben.«
Sibylle Berg

Larry lässt es

Noch bevor sich der 81jährige US-Präsident aus dem Rennen gegen seinen 78jährigen Konkurrenten zurückzog, hatte sich in diesem Jahr ein anderer Veteran auf dem Höhepunkt seines Schaffens verabschiedet: Larry David nämlich, nach 12 Staffeln seiner famosen Sitcom »Curb Your Enthusiasm«, auf deren deutschen Titel (»Lass es, Larry!«) auch hierzulande kaum jemand zurückgegriffen haben dürfte. Auf der Zielgeraden verstrickte er sich in die politischen Scharmützel der Südstaaten, was man bedauern kann – war Larry doch eigentlich immer eine überparteiliche Figur, die mit ihrem Auftreten alle Geschlechter, Ethnien und Gesinnungen in banale Auseinandersetzungen zu verwickeln verstand. Das Private war bei »Curb« nie so sehr politisch, vielmehr erwies sich das Politische hier zuverlässig als Summe aller privaten Ressentiments und Begehrlichkeiten. So maskierte sich Larry im Restaurant als Trump-Wähler, um im notorisch liberalen Hollywood seinen Tisch nicht mit anderen teilen zu müssen; in der preisgekrönten Folge über das »Palästinenser-Hühnchen« verleugnete er seine jüdische Herkunft, um bei einer attraktiven Antisemitin zu landen, und als Larry in Staffel 9 ins Kreuzfeuer von Fundamentalisten geriet, ließ er sich vom Fatwa-geplagten Salman Rushdie beraten, wie man als Märtyrer der westlichen Welt Frauen ins Bett kriegt. Vor diesem Hintergrund ist die letzte Staffel von »Curb« ein fast schon konventioneller Feldzug gegen die spinnerte MAGA-Bewegung geworden. Zum großen Finale vor Gericht gibt es aber erfreulicherweise keine liberale Selbstbeweihräucherung im Sinne von »Mr. David geht nach Washington«, sondern die gewohnte Rundreise um die eigene Befindlichkeit. Ganz nebenbei schafft es Larry David, die Erinnerung ans weithin geschmähte Finale der von ihm mitentwickelten Serie »Seinfeld« zu vertreiben.

Wenn ich die hymnischen Nachrufe auf »Curb« studiere, dann scheint mir das größte Schelmenstück fast, wie die Serie dem Feuilleton bis zum Schluss Tränchen der Rührung für ihre angeblichen Gonzo-Strategien und ihre konsequente Improvisation entlockt hat. Diese Einschätzung mag für ihre Anfänge zutreffen, als es vor allem darum ging, die komischen Möglichkeiten einer einzelnen Situation in Cringe-Dialogen auszuloten (Larry wird im Wartezimmer übergangen, der neue Nachbar ist ein Pornodarsteller). Längst hatte sich »Curb« aber in eine opulent ausgestattete Farce verwandelt, deren kleine Verwerfungen über etliche kurze, exakt geplante Szenen in die große Katastrophe führten. Nebenbei wurden so ziemlich alle komödiantischen Spielarten auf imposantem Niveau praktiziert: Burleske, Slapstick, schwarze Komödie, Satire. Ich werde diesen komödiantischen Größenwahn, an dem nicht nur das alte »Seinfeld«-Autorenteam, sondern auch Comedy-Größen wie Mel Brooks und Tracey Ullman beteiligt waren, sehr vermissen – und würde dem 77jährigen Larry David im Herbst als jugendlicher Alternative zum ähnlich golfversessenen, aber weit unsympathischeren Narzissten Trump sofort meine Stimme geben.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kann es sein, Tod,

dass Du, so wie alle anderen in der Handwerksbranche auch, mit Nachwuchsmangel zu kämpfen hast? Und dass Du deshalb Auszubildende akzeptieren musst, die schon bei den Basiskompetenzen wie Lesen Defizite aufweisen?

Oder hast Du, der Seniorchef höchstpersönlich und wieder zu eitel, eine Brille aufzusetzen, am 11. August beim gerade mal 74 Jahre alten Kabarettisten Richard Rogler angeklopft? Nur, um dann einen Tag später, nachdem Dir der Fehler aufgefallen war, beim 91jährigen Bauunternehmer und Opernballbesucher Richard Lugner vorbeizuschauen?

Antwort bitte ausschließlich schriftlich oder fernmündlich an Titanic

 Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

Es tut uns aufrichtig leid, Alice und Ellen Kessler (die Kessler-Zwillinge),

dass Ihre Kindheit, wie Sie im Bunte-Interview erzählten, von der täglichen Gewalt eines trinkenden Vaters geprägt war. Ganz überraschend kommt Ihr Geständnis vom besoffenen Prügelpapa allerdings nicht. Man hätte sich schließlich denken können, dass dieser Arsch dauernd doppelt gesehen hat.

Verdient im Gegensatz zu Ihnen für diesen Gag auf jeden Fall Schläge: Titanic

 Hä, focus.de?

»Deutschlands Wirtschaft wankt«, berichtest Du und fragst: »Warum will die Ampel das einfach nicht sehen?« Ähem: Vielleicht wird der Bundesregierung da ja schlecht, wenn sie zu genau hinschaut. Hast Du darüber schon mal nachgedacht?

Üble Grüße von Titanic

 Kopf einschalten, »Soziologie-Superstar« Hartmut Rosa (»SZ«)!

Wahrscheinlich aus dem Homeoffice von der Strandbar tippen Sie der SZ dieses Zitat vor die Paywall: »Früher waren zum Beispiel die beruflichen Erwartungen, wenn man zu Hause war, auf Standby. Heute kann man andersherum auch im Büro natürlich viel leichter nebenbei private Kommunikation erledigen. Man kann nichts mehr auf Standby schalten, selbst im Urlaub.«

Ihr Oberstübchen war beim Verfassen dieser Zeilen ganz offenbar nicht auf Standby, denn dieser Begriff bezeichnet laut dem Cambridge Dictionary »something that is always ready for use«. Also sind wir gerade im Urlaub und im Feierabend heutzutage für den Job immer im Standby-Modus – also auf Abruf –, anders als bei der Arbeit, wo wir »on« sind, und anders als früher, wo wir dann »off« waren und daher alles gut und kein Problem war.

Dagegen dauerhaft abgeschaltet sind Ihre Hardwarespezis von Titanic

 Eine dicke Nuss, »ZDF heute«,

hast Du uns da zu rechnen gegeben: »Die Summe aus sinkenden Ticketverkäufen und gestiegenen Kosten« führe dazu, dass Festivals heutzutage meist ein »Minusgeschäft« seien.

Also wenn man die Ticketverkäufe und die gestiegenen Kosten addiert, wie man es ja in der Erstsemester-BWL-Vorlesung gelernt hat, und davon ausgeht, dass die Ticketverkäufe trotz Flaute größer als Null bleiben und auch die Kosten eine positive Zahl bilden, die Summe entsprechend ebenfalls positiv bleibt (und kein »Minusgeschäft« ergeben kann), dann müsste das Ergebnis doch sein … hmm … ja, genau: dass Du wirklich keine Ahnung von Mathe hast.

Aber mach Dir nichts draus, dafür hast Du ja Deine Zählsorger/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Abwesenheit

Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich bin vom 02.–05.09. abweisend. Ab 06.09. bin ich dann wieder freundlich.

Norbert Behr

 Hybris 101

Facebook und Instagram, die bekanntesten Ausgeburten des Konzerns Meta, speisen seit kurzem auch private Daten ihrer Nutzer in die Meta-eigene KI ein. Erst wollte ich in den Einstellungen widersprechen, aber dann dachte ich: Ein bisschen Ich täte der KI schon ganz gut.

Karl Franz

 Hä?

Demenz kennt kein Alter.

Moppel Wehnemann

 Schock total

Wenn im Freibad dieser eine sehr alte Rentner, der sich beim Schwimmen kaum fortzubewegen scheint, der bei seinen zeitlupenartigen Zügen lange untertaucht und von dem man dachte, dass er das Becken schon vor langer Zeit verlassen hat, plötzlich direkt vor einem auftaucht.

Leo Riegel

 Treehuggers

Bei aller Liebe zum Veganismus: Plant Parenthood geht mir zu weit.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
Titanic unterwegs
19.09.2024 Berlin, Kulturstall auf dem Gutshof Britz Katharina Greve
19.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer
24.09.2024 Oldenburg, Jasper-Haus Bernd Eilert
24.09.2024 Stade, Stadeum Hauck & Bauer und Thomas Gsella