"Auf Familienfesten muss ich mich ausweisen"
Der in Bad Säckingen geborene Schwarzwälder haut als graue Eminenz der CDU gerne mal einen raus. Damit andere Spitzenpolitiker weitaus wichtigere und prestigeträchtigere Posten annehmen können, opfert sich der geheimnisvolle Unbekannte seit etlichen Jahren im Mief christdemokratischer Karrieresackgassen auf. Für ein Interview mit TITANIC hat der 50jährige sein Berliner Kabuff verlassen, um für ein paar Minuten ausnahmsweise mal nicht im Schatten seiner Parteikollegen zu stehen. Spot an für Thorsten Frei!
TITANIC: Hallöchen, Herr Frei. Sie sind doch Herr Frei, oder?
Frei: Ich weiß, ich komme nicht so oft in den Nachrichten vor, weil ich als parlamentarischer Geschäftsführer der CDU meist im Verborgenen arbeite. Mir wurde von Herrn Merz persönlich versichert, dass meine vielen Talente dort am besten zum Tragen kommen. Aber hier, wenn Sie darauf bestehen: mein Perso und mein Parteibuch.
TITANIC: Danke. Herr Frei, kürzlich haben Sie die wehrfähigen Ukrainer kritisiert, die sich in Deutschland wegduckten, während ihre Heimat angegriffen werde und dringend Soldaten brauche. Wie schwer ist Ihnen das Verfassen eines solchen Statements im Lounge-Ledersessel Ihres vollklimatisierten Büros gefallen?
Frei: Sehr schwer. Angesichts des Dilemmas vieler Familienväter, entweder hier zu bleiben oder sich an der Front erschießen zu lassen, sind mir – wohl vom Qualm meiner kubanischen Zigarre – erst einmal die Tränen gekommen. Nach einem schön heißen Chococino Caramel und reichlich Sahne habe ich dann entschieden, es zu tun.
TITANIC: Was denn? Sich bei der ukrainischen Armee freiwillig zu melden?
Frei: Sind Sie des Wahnsinns? Ein muskelbepackter Parlamentarier, der sich mit obszön großem Maschinengewehr heroisch bis nach Moskau durchkämpft, ließe die Bundesrepublik doch sofort zur Kriegspartei werden. Nicht zu vergessen: Die Millionen von russischen Soldaten, die sich auf der Flucht vor mir in Gefangenschaft begäben, würden die europäische Migrationskrise nur noch verschärfen. Aber klar, ansonsten natürlich immer gerne!
TITANIC: Wo wir gerade von Migration reden: Beim Vorstellen des neuen CDU-Grundsatzprogramms haben Sie bekräftigt, nur noch wirklich vulnerable und gefährdete Schutzsuchende aufzunehmen. Wissen Sie schon, nach welchen Kriterien Sie das aus der Ferne beurteilen wollen?
Frei: Selbstverständlich. Mein Unionskollege Christian Haase hatte ja bereits Anfang des Jahres vorgeschlagen, zur Finanzierung von Agrarsubventionen die Entwicklungshilfe zu kürzen. Durch diese Regelung würden uns Not, Armut und Bedürftigkeit bald ganz von selbst ins Auge springen. Nun wissen Sie auch, warum wir Christdemokraten im Asylausschuss immer doppelt verglaste Hornbrillen tragen. Wollen Sie auch eine?
TITANIC: Wenn schon, dann Ihre rosarote. Die CDU will den Haushalt für Soziales kürzen, das Deutschlandticket abschaffen und hält eine Rente mit 72 für denkbar. Müssen Sie sich nicht auch manchmal kneifen, wenn Sie sehen, dass die Union in Umfragen trotzdem bei 30 Prozent liegt?
Frei: Ehrlich gesagt sind meine dauerentzündeten Wangen an vielen Stellen schon völlig vernarbt. Schade, dass das aufgrund meiner spärlichen Medienpräsenz kaum jemand sehen kann.
TITANIC: Witzig, dass Sie das gerade ansprechen. In einem zwölfminütigen Video von Schüler*innen des Feintechnik-Gymnasiums Schwenningen haben Sie vor kurzem zum Thema Sicherheit referiert. Währenddessen waren die Top-Leute Ihrer Partei bei Markus Lanz und Carmen Miosga zu Gast. Sind Sie enttäuscht, weil das Interesse an Ihnen offenbar nicht über einen Artikel im Lokalteil der Backnanger Kreiszeitung hinausgeht?
Frei: I wo, das bin ich gewohnt! In meinem Heimatwahlkreis Schwarzwald-Baar kennt mich eigentlich auch niemand. Da muss ich mich selbst auf Festen meiner eigenen Familie ausweisen. Immerhin erspare ich meiner Partei so viele tausend Euro im Jahr an Kosten für teuren Personenschutz.
TITANIC: Apropos "jemandem etwas ersparen": Müssen Sie nicht langsam wieder los?
Frei: Jetzt, wo Sie mit mir gerade so ein hochinvestigatives und vielbeachtetes Interview führen? Nie im Leben! Außerdem habe ich, abgesehen von der Eröffnung des Familien-Ballonfestes beim CDU-Ortsverband Darmstadt-Dieburg, heute nichts mehr vor. Sie dürfen mich also gerne noch den ganzen Tag ausfragen.
TITANIC: Wer sind Sie gleich noch mal und was ist Ihre genaue Funktion?
Frei: Aua, das hat gerade wehgetan! Aber gut, dann halt nicht. Sind Sie mir böse, wenn ich einfach aufstehe und gehe?
TITANIC: Ach was, schon vergessen, Herr …
Frei: Frei, Thorsten Frei.
TITANIC: Herr Freitag, vielen Dank für das Gespräch!
Patric Hemgesberg
◀ | Müters Söhne #16 | Überschätzte Lebensmittel (LIII) | ▶ |
Newstickereintrag versenden…