Aus Eugen Egners Püppchenstudio
Jugendbekanntschaften
In meiner Jugend hatte ich eine Bekannte, die lag dauernd mit ihrem erblich bedingten Irresein herum und versuchte, etwas daraus zu machen. Für mich hatte sie keine Verwendung. Gelangweilt verließ ich sie. Meine Jugend trieb mich ins Leben hinaus, von welchem ich völlig falsche Vorstellungen hatte. Im Freien wirkten die Verhältnisse gegenüber den vertrauten Zimmermaßen viel großzügiger, und eine nicht unbeträchtliche Unsicherheit wandelte mich an. Mehrere Kinder drohten mir mit Spielzeugpistolen, andere erleichterten sich in die Vorgärten. Motoren, Lautsprecher und Kehlen der Primaten ringsum priesen ihren Schöpfer: Es war Sommer. Unter der sengenden Sonne folgte ich dem uralten, blödsinnigen Trampelpfad in Richtung Stadtmitte. Links und rechts lag die Gegend mit erblich bedingtem Irresein herum und versuchte, etwas daraus zu machen.
Ein langgezogenes, von ungelenker Menschenhand errichtetes und das Konzept der Mauer karikierendes Gebilde erhob sich plötzlich zur Rechten. Ein der Idee des Hauses lose verpflichtetes, wohl von denselben Baumeistern erstelltes, klumpiges Artefakt schloß sich an. Im Parterre war das Büro eines Schrotthändlers untergebracht, im Obergeschoß die Familie Schenkel. Den jungen Schenkel, meinen Schulfreund, wollte ich an diesem erbärmlichen Tag aufsuchen. Zu meiner Freude fand ich ihn gleich hinter dem ungeschlacht nachgeahmten Haus. Einen "Hof" nannte man damals etwas derartiges, auf dessen Grundfläche Schenkel mit einem hölzernen Kinderroller herumkurvte.
Wegen seiner Körpergröße von annähernd zwei Metern wirkte er dabei unseriös. Schenkels Freundin, eine vierschrötige, modische Person, machte sich finster dreinblickend am Motorblock eines Schrott-PKWs zu schaffen. Während Schenkel emsig mit dem Roller hin- und herfuhr, lief ich ihm nach und plapperte auf den Freund ein. Es war wie ein inbrünstiges Beten um Rettung, Erlösung und Sinngebung an diesem trostlosen Sommertag. Schenkel aber blieb ungerührt. Mit sachlicher Miene ließ er hin und wieder ein paar, sich einzig aufs Rollerfahren beziehende Worte fallen. Ich flehte eindinglicher, begann Pirouetten zu drehen. Immer desperater rannte ich hinter dem Fahrenden her: "Bei allem, was uns heilig ist! Schenkel, ich beschwöre dich! Nimm dich meiner an! Adle meine Existenz, transzendiere sie! Laß bengalisches Feuer aus deinem Haupt fahren, laß einen psychotropen Partikelschauer niedergehen oder anderes Zauberzeugs! Kurzum: tu Wunder!"
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