Inside TITANIC (22)
Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Ella Carina Werner über erhellende Hingucker bei der Homeoffice-Konferenz.
Das Schönste am Homeoffice sind die Videokonferenzen, und das Schönste an Videokonferenzen sind die Raumhintergründe der Kolleg/innen. Die könnte ich mir stundenlang ansehen. Oft beuge ich mich dafür über den Bildschirm, ganz dicht. Da ist das Regal mit den nachlässig quer übereinander gestopften Büchern (lesbar: "Beim Fressen beim Fernsehen fällt der Vater dem Kartoffel aus dem Maul", Eckhard Henscheid). Da ist der magische dreiköpfige Holzaffe. Da lugt die halbleere Flasche Anisschnaps hervor. Zufall oder raffiniertes Arrangement? Da schmunzelt die Stoffente vom Bildrand. Seelenlose Satire vs. Schmusetier, bei solch starken Antinomien erklärt sich manch charakterliche Auffälligkeit von selbst.
Ein, zwei KollegInnen drehen ihre Rechner so, dass man im Hintergrund nur eine weiße Wand sieht, aber auf jeder weißen Wand gibt es den einen geheimnisvollen Fleck oder den einsamen Eisennagel, der von einem überstürzt abgehängten Manet- oder Uli-Stein-Druck erzählt. Den Inhalten der Konferenzen folgen kann ich bei alledem nicht, aber das macht nichts. Als ob es in Homeoffice-Zeiten noch um Content ginge. Auch Videobotschaften von Promis und Politikern betrachte ich aus selbigen Gründen gern, vor allem als Standbild. Nicht jeder hat eine knuddelige Diddl-Maus auf dem Fensterbrett sitzen wie Dorothee Bär, aber ein bukolisches Landschaftsgemälde, ein Globus und zwei hübsche blonde "Töchter" wie in der Villa von US-Komiker Jimmy Fallon tun's auch.
Ich für meinen Teil habe hinter meinem Schreibtisch meine TITANIC-Sammelordner aufgereiht, 39 an der Zahl, dazu mehrere komiktheoretische Kompendien, darunter auch englische (Empfehlenswert: "A Cultural History of the Fart"), und alles, aber auch wirklich alles von Oliver Maria Schmitt; Erstausgaben, handsigniert, was man von außen leider nicht sieht. Das Arrangement hat mich zwei Arbeitstage gekostet. Der Chef fragt, wo meine Beiträge bleiben, aber Homeoffice kostet eben Zeit. Leider mosern die KollegInnen, mein Videobild sei verpixelt bzw. komplett unscharf, also alles für die Katz. Heute Abend Schlag 20 Uhr sind unsere privaten Gemächer übrigens exklusiv in einer TITANIC-Live-Lesung sehen, wofür ich den Raum noch mal kräftig umdrapiere.
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