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Müters Söhne #16

Verstecken spielen


Irgendwann kommt Thorben immer von allein aus seinem Versteck

Thorben ist 5 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 12 und 17 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre "Mütersöhnchen".

Es ist sehr frustrierend, mit Thorben Verstecken zu spielen. Denn meistens ist er unauffindbar. Einmal ließen sich seine Freunde frühzeitig von ihren Eltern abholen, nachdem sie über vier Stunden vergeblich versucht hatten, Thorben zu finden. "Ich hatte überhaupt keine Angst", berichtete mein jüngster Sohn am Morgen danach stolz. Er hatte die Nacht in der Tiefgarage verbracht, im Kofferraum des Twingos unserer Nachbarn. Ich war währenddessen unbesorgt gewesen. Ich habe gelernt: Irgendwann kommt Thorben immer von allein aus seinem Versteck.

Daran dachte ich, als ich allein durch Paris streifte und überlegte, wo Thorben sich versteckt haben könnte. Dieses Mal wollte ich ihm zuvorkommen. Gideon war mir keine Hilfe – er war bereits mit seiner Muse Clémentine an die Côte d’Azur abgereist. Paris ist groß, Thorben könnte sich überall verstecken. Auf dem Rummel in einem Wahrsagerzelt. Oder als Hütchenspieler auf der Champs-Élysées. Es wäre nicht sein erster Trickbetrug. Doch gerade deshalb war es leider zu naheliegend. Mein Mann war der Überzeugung, dass Thorben von seinem Vater, dem Mentalisten Stefan, in die Pariser Katakomben verschleppt wurde. Statt die Polizei zu verständigen, gab ich ihm den Rat, lieber in der Zeit mit Henry Yoga zu praktizieren.

Ich beobachtete meine Umgebung. Aktuell war es nicht möglich, sich frei in der Stadt zu bewegen. Das lag daran, dass die Olympischen Spiele begannen. Thorben interessiert sich nicht für Olympia. Auch ich hatte nicht vor, mir auch nur irgendeinen Wettkampf anzuschauen. War es nicht gerade deshalb plausibel, dass Thorben bei der Eröffnungsfeier mit seiner Helmut-Kohl-Parodie auftreten würde? Oder viel einfacher, sich im Kostüm des olympischen Maskottchens versteckte, gerade weil ich niemals damit rechnen würde? "Hab ich dich endlich!", rief ich, als ich ein freilaufendes Olympia-Maskottchen zu Boden warf. Es leistete mehr Widerstand als erwartet. Mehr als Thorben körperlich in der Lage war. Bei einer anschließenden Verfolgungsjagd entkam ich der Phryge nur knapp.

Nach Atem ringend stehe ich nun auf einer Brücke und lasse meinen Blick über die Seine schweifen. In der Ferne sehe ich zwei Menschen durch das trübe Wasser gleiten. Der Junge könnte in Thorbens Alter sein, denke ich, seine Bewegungen wirken jedoch zu professionell. Thorben hat nur mit Schummeln das Seepferdchen bestanden. An seiner Seite schwimmt ein sehr trainierter, attraktiver Mann – es könnte Stefan sein, nur die Haare sind länger und der Körper drahtiger. Mir stockt der Atem. Konnte es tatsächlich sein, dass Thorben sich noch kurzfristig für Olympia qualifiziert hatte? Dass er und Stefan nicht zu erreichen waren, weil sie für den Wettkampf "400 Meter Freistil" trainierten? Ich mache ein Foto. Für meinen Mann. Ich schreibe: "Die Katakomben sehen anders aus, oder?" Ich hatte es gewusst: Irgendwann kommt Thorben immer von allein aus seinem Versteck.

Die Kolumne von Viola Müter erscheint jeden Donnerstag nur bei TITANIC.

Kategorie: Allgemein



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Briefe an die Leser

 Eine Frage, »Welt«-Newsletter …

Du informiertest Deine Abonnent/innen mit folgenden Worten über die Situation nach dem Hoteleinsturz in Kröv: »Bisher wurden zwei Menschen tot geborgen, weitere konnten verletzt – aber lebend – gerettet werden.« Aber wie viele Menschen wurden denn bitte verletzt, aber leider tot gerettet?

Rätselt knobelnd Titanic

 Etwas unklar, mallorquinische Demonstrant/innen,

war uns, warum wir Euch bei den Demos gegen den Massentourismus immer wieder palästinensische Flaggen schwenken sehen. Wir haben lange darüber nachgedacht, welchen logischen Zusammenhang es zwischen dem Nahostkonflikt und Eurem Anliegen geben könnte, bis es uns einfiel: Na klar, Ihr macht Euch sicherlich stark für eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der der S’Arenal-Streifen und das West-Malleland abgeteilt werden und der Rest der Insel Euch gehört.

Drücken die diplomatischen Daumen: Eure Friedenstauben von Titanic

 Eine dicke Nuss, »ZDF heute«,

hast Du uns da zu rechnen gegeben: »Die Summe aus sinkenden Ticketverkäufen und gestiegenen Kosten« führe dazu, dass Festivals heutzutage meist ein »Minusgeschäft« seien.

Also wenn man die Ticketverkäufe und die gestiegenen Kosten addiert, wie man es ja in der Erstsemester-BWL-Vorlesung gelernt hat, und davon ausgeht, dass die Ticketverkäufe trotz Flaute größer als Null bleiben und auch die Kosten eine positive Zahl bilden, die Summe entsprechend ebenfalls positiv bleibt (und kein »Minusgeschäft« ergeben kann), dann müsste das Ergebnis doch sein … hmm … ja, genau: dass Du wirklich keine Ahnung von Mathe hast.

Aber mach Dir nichts draus, dafür hast Du ja Deine Zählsorger/innen von Titanic

 Hello, tagesschau.de!

All Deinen Leser/innen, die von Tim Walz, der für die US-Demokraten als Vizekandidat in den Wahlkampf ziehen soll, bisher noch nicht allzu viel gehört hatten, wusstest Du doch immerhin zu berichten, er sei ein ehemaliger »Lehrer und gilt als einer, der die einfache Sprache der Menschen spricht«. Und nichts für ungut, tagesschau.de, aber dass ein Kandidat im US-Wahlkampf, ein einstiger Lehrer zudem, Englisch spricht, das haben selbst wir uns schon beinahe gedacht.

Deine einfachen Menschen von Titanic

 Gute Güte, sehr unverehrter Hassan Nasrallah!

Gute Güte, sehr unverehrter Hassan Nasrallah!

Sie sind Chef der Hisbollah, und ein neues Propagandavideo Ihrer freundlichen Organisation war mit einem Satz unterlegt, den Sie bereits 2018 gesagt haben sollen: Die Hisbollah besitze »Präzisions- und Nicht-Präzisionsraketen und Waffenfähigkeiten«, die Israel »mit einem Schicksal und einer Realität konfrontieren werden, die es sich nicht ausmalen kann«.

Das, Nasrallah, glauben wir, verkörpern Sie doch selbst eine Realität, die wir agnostischen Seelchen uns partout nicht ausmalen können: dass das Schicksal von Gott weiß wie vielen Menschen von einem Knall- und Sprengkopf wie Ihnen abhängt.

Ihre Präzisions- und Nicht-Präzisionsraketenwerferin Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 SB-Kassen

Zu den Seligen, die an Selbstbedienungskassen den Laden kaltblütig übervorteilen, gehöre ich nicht. Im Gegenteil, obwohl ich penibel alle Artikel scanne und bezahle, passiere ich die Diebstahlsicherungsanlage am Ausgang immer in der angespannten Erwartung, dass sie Alarm schlagen könnte. Neulich im Discounter kam beim Griff zu einer Eierschachtel eine neue Ungewissheit hinzu: Muss ich die Schachtel vor dem Scannen wie eine professionelle Kassierkraft öffnen, um zu kucken, ob beim Eierkauf alles mit rechten Dingen zugeht?

Andreas Maria Lugauer

 Meine Mitbewohnerin

legt Dinge, die nicht mehr so ganz intakt sind, in Essig ein. Dabei ist es egal, ob es sich um verkalkte, schmutzige oder verschimmelte Dinge handelt. Ich würde bei ihr den Verbrauch von Salzsäure in den kommenden Jahren intensiv beobachten – gerade falls ihr Partner unerwarteterweise verschwinden sollte.

Fia Meissner

 Europa aphrodisiakt zurück

Wenn es hierzulande etwas im Überfluss gibt, dann verkalkte Senioren und hölzerne Greise. Warum also nicht etwas Sinnvolles mit ihnen anfangen, sie zu Pulver zerreiben und in China an Tiger gegen Schlaffheit der Genitalien verkaufen?

Theobald Fuchs

 Ach, übrigens,

der Typ, mit dem ich in jedem Gespräch alle drei Minuten für mindestens fünf Minuten zu einem Nebenthema abschweife: Ich glaube, wir sind jetzt exkursiv miteinander.

Loreen Bauer

 Schierlingsbücher

Kaum jemand erinnert sich an das allererste selbstgelesene Buch. War es »Wo die wilden Kerle wohnen« oder doch Grimms Märchen? Schade, denke ich mir. Es könnte eine Wegmarke in die wunderbare Welt der Bibliophilie sein. In meiner Erinnerung wabert stattdessen leider nur ein unförmiger Brei aus Pixibüchern. Diesen Fehler möchte ich am Ende meines Leselebens nicht noch einmal machen. Und habe mir das Buch »Essbare Wildpflanzen« bestellt.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
07.09.2024 Salzgitter, Literaturfest Ella Carina Werner
07.09.2024 Heilbronn, Literaturhaus Oliver Maria Schmitt und Wannerstern
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner