Newsticker

Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Müters Söhne #18

Geschenke

"De rien, mon amour"

Gideon ist 17 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 5 und 12 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre "Mütersöhnchen".  

Ich habe eine Vollmacht über Gideons Bankkonto. Natürlich weiß ich, dass ich nur in Notfällen sein Konto sperren lassen sollte. Ich habe im Paris-Urlaub lange stillschweigend zugesehen, wie Gideon unverhältnismäßig viel Geld für seine Freundin Clémentine ausgibt. Ich habe mich zurückgehalten, als er ihr eine überteuerte Zitronentarte spendierte. Ich habe die Klappe gehalten, als er ihr ein Henna-Tattoo bezahlte. Das Motiv: Die Métro-Linie, in der sie sich kennenlernten. Gideon tat all das, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Da wurde ich misstrauisch. "De rien, mon amour", las ich immer wieder von seinen Lippen ab, als ich die beiden heimlich bei ihren Rendezvous beobachtete, versteckt hinter dichten Pflanzenkübeln. Welche Mutter würde in dieser Situation nicht das Konto ihres Sohnes sperren lassen?  

Mir ist klar, dass heutige Beziehungen nicht mehr das sind, was sie mal waren. Vielleicht ist es heute normal, sich liebend gerne für den Partner in den finanziellen Ruin zu treiben. Zuzutrauen wäre es dieser Generation. Als ich meinem Mann zum ersten Mal etwas schenkte, lagen bereits zwölf Jahre Beziehung hinter uns. Ich überließ ihm eine meiner ausrangierten Kameras. Er benutzt sie noch heute. Das habe ich in einer WhatsApp-Story von Birgit gesehen, mit der mein Mann gerade auf unbestimmte Zeit in den Urlaub nach Neuseeland geflogen ist. Ich selbst habe den Wert von Geschenken erst zu schätzen gelernt, als mein Mann anfing, mir zu jeder Gelegenheit selbstgehäkelte Taschen aus Pferdehaaren zu schenken. Bei etsy verdiene ich damit gutes Geld.  

Trotzdem spürte ich, dass etwas anderes dahintersteckte. Ich sperrte Gideons Bankkonto, nachdem ich im Internet einen Artikel über Love Bombing gelesen hatte. Love Bomber überschütten ihre Freundinnen mit Geschenken. Aber nur, bis sie sich ihrer Zuneigung sicher sind. Dann heißt es statt "Ich lade dich in ein schickes Restaurant ein" schnell "Du dumme Sau!. Zum ersten Mal empfand ich so etwas wie Empathie für Clémentine. Sie war naiv, natürlich war sie das. Besonders Narzissten lovebomben gerne. Bisher kannte ich Narzissten nur aus dem Fernsehen. Donald Trump ist einer, bei Reinhold Beckmann habe ich so ein Gefühl. Nun also auch mein ältester Sohn.   

Gideon ignoriert mich, seitdem er aus Südfrankreich zurückgekehrt ist. War es trotzdem die richtige Entscheidung, sein Bankkonto sperren zu lassen? Ja. Seinen Online-Kontoauszügen konnte ich entnehmen, dass er weiterhin das üppige Erbe von seiner verstorbenen Großmutter verprasste. Dass er mich ein paar Tage in Ruhe lässt, fühlt sich außerdem an wie Geschenk. Hätte ich ihm aber Bescheid sagen sollen, damit er nicht plötzlich an der Côte d’Azur ohne Geld dasteht? Nein. Es ging nie um ihn, es ging immer um Clémentine. Ich habe gelesen, dass Frauen zusammenhalten müssen. Vielleicht gibt Clémentine mir ja etwas zurück. Ein Geschenk als Dankeschön, dass ich sie gerettet habe. Fußball-Sammelkarten zur EM 2024 lassen sich bei ebay-Kleinanzeigen gerade sehr teuer verkaufen.

Die Kolumne von Viola Müter erscheint jeden Donnerstag nur bei TITANIC.

Kategorie: Allgemein



Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Pfui, Manuel Neuer!

Was lesen wir da auf der Titelseite der Bunten? »Manuel Neuer: Liebes-Urlaub mit Baby auf Mallorca« … Wollen Sie jetzt beziehungstechnisch Lothar Matthäus übertrumpfen?

Anzeige ist raus. Titanic

 Kann es sein, Tod,

dass Du, so wie alle anderen in der Handwerksbranche auch, mit Nachwuchsmangel zu kämpfen hast? Und dass Du deshalb Auszubildende akzeptieren musst, die schon bei den Basiskompetenzen wie Lesen Defizite aufweisen?

Oder hast Du, der Seniorchef höchstpersönlich und wieder zu eitel, eine Brille aufzusetzen, am 11. August beim gerade mal 74 Jahre alten Kabarettisten Richard Rogler angeklopft? Nur, um dann einen Tag später, nachdem Dir der Fehler aufgefallen war, beim 91jährigen Bauunternehmer und Opernballbesucher Richard Lugner vorbeizuschauen?

Antwort bitte ausschließlich schriftlich oder fernmündlich an Titanic

 It’s us, hi, Kulturwissenschaftler Jörn Glasenapp!

Dass Sie als Verfasser einer Taylor-Swift-Monographie Ihren Gegenstand öffentlich verteidigen, etwa im Deutschlandfunk Nova oder bei Zeit Campus: geschenkt. Allein, die Argumente, derer Sie sich dafür bedienen, scheinen uns sanft fragwürdig: Kritik an Swift sei eine Sache »alter weißer Männer«, im Feuilleton herrsche immer noch König Adorno, weshalb dort Pop und »Kulturindustrie« unentwegt verdammt würden, und überhaupt sei die zelebrierte Verachtung des Massengeschmacks eine ausgesprochen wohlfeile Methode, Distinktion zu erzeugen, usw.

Je nun, Glasenapp: Wir sind in der privilegierten Position, dass es uns erst mal egal sein kann, ob Taylor Swift nun gute Kunst macht oder schlechte. Wir sind da pragmatisch: Manchmal macht das Lästern Spaß, manchmal der Applaus, je nachdem, wer sich gerade darüber ärgert. An Ihnen fällt uns bloß auf, dass Sie selbst so ein peinlicher Distinktionswicht sind! Denn wenn unter alten weißen Männern Swiftkritik tatsächlich Konsens und Massensport ist, dann sind Sie (*1970) wieder nur der eine nervige Quertreiber, der sich abheben will und dazwischenquäkt: Also ich find’s eigentlich ganz gut!

Finden das eigentlich auch ganz gut: Ihre Affirmations-Aficionados von Titanic

 Gut möglich, lieber spiegel.de,

dass es an der drückenden Hitze liegt. Doch wenn wir in Deinem Ratgeber-Artikel »So schützen Sie Ihr Gehirn bei hohen Temperaturen« lesen, wie wir uns im Sommer »gehirngerecht« verhalten können, dann rauchen uns die Köpfe. Haben wir uns unseren Hirnen gegenüber schon häufiger unangemessen aufgeführt? Hätten die grauen Zellen nicht auch von selbst an unser Fehlverhalten denken können? Und vor allem: Ist es jetzt nicht am wichtigsten, unsere Gehirne vor weiterem Spiegel-Konsum zu schützen?

Schließt eiskalt den Browser: Titanic

 Drama, Reinhold Messner!

»Ich stand am Abgrund«, beklagten Sie sich in einem Interview mit der Apotheken-Umschau über den anhaltenden Erbschaftsstreit in Ihrer Familie. Nachdem Sie den vier Kindern bereits vor Ihrem Tod testamentarisch einen Großteil des Messner’schen Vermögens überlassen hätten, sei es nur noch darum gegangen, wer mehr bekommen habe, und daran sei Ihre Familie letztlich zerbrochen. Ach, kommen Sie, Messner! Dass Sie den Mitgliedern Ihres Clans je nach Grad der väterlichen Zuneigung tatsächlich unterschiedlich große Geldbündel zugeworfen und dann dabei zugesehen haben, wie sich Ihr Nachwuchs um die Differenz kloppt, war für Sie alten Adrenalinjunkie doch bestimmt ähnlich vergnüglich wie eine Achttausenderbesteigung!

Sieht das sogar vom Fuße des Bergs der Erkenntnis aus: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Aus einer Todesanzeige

»Wer sie kannte, weiß was wir verloren haben.« Die Kommasetzung bei Relativsätzen.

Frank Jakubzik

 Meine Mitbewohnerin

legt Dinge, die nicht mehr so ganz intakt sind, in Essig ein. Dabei ist es egal, ob es sich um verkalkte, schmutzige oder verschimmelte Dinge handelt. Ich würde bei ihr den Verbrauch von Salzsäure in den kommenden Jahren intensiv beobachten – gerade falls ihr Partner unerwarteterweise verschwinden sollte.

Fia Meissner

 Fachmann fürs Leben

Im Gegensatz zur Schule hat man im Zivildienst viele nützliche Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass man die Körper von Menschen, die sich selbst nicht mehr bewegen können, regelmäßig umlagert, damit keine Seite wund wird. Um anhaltenden Druck auf die Haut zu minimieren, wende ich auch heute noch die Pfirsiche in der Obstschale alle paar Stunden.

Friedrich Krautzberger

 Verdrehte Welt

Vermehrt las ich in letzter Zeit, bei Männern werde die Kombination aus langen Haaren und Dreitagebart als besonders attraktiv wahrgenommen. Da bin ich kurz davor wohl doch wieder falsch abgebogen. Dafür bin ich jetzt stolzer Träger eines langen Bartes und Dreitagehaars.

Dennis Boysen

 Schock total

Wenn im Freibad dieser eine sehr alte Rentner, der sich beim Schwimmen kaum fortzubewegen scheint, der bei seinen zeitlupenartigen Zügen lange untertaucht und von dem man dachte, dass er das Becken schon vor langer Zeit verlassen hat, plötzlich direkt vor einem auftaucht.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
Titanic unterwegs
19.09.2024 Berlin, Kulturstall auf dem Gutshof Britz Katharina Greve
19.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer
24.09.2024 Oldenburg, Jasper-Haus Bernd Eilert
24.09.2024 Stade, Stadeum Hauck & Bauer und Thomas Gsella