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Müters Söhne #21

Musical


"Das wird meine Karriere ruinieren"

Gideon ist 17 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 5 und 12 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre "Mütersöhnchen".

Die Handschellen klicken. Ich schließe die Augen und versuche, mir das Geräusch einzuprägen. "Danke, Mama, diesen Weckruf habe ich gebraucht" sind Gideons letzte Worte, bevor er von der Polizei abgeführt wird. Ich verdrücke eine Freudenträne. Gideon verdrückt mehrere. Er lächelt. Ich lächele. Auch der extrem attraktive Polizist lächelt und zwinkert mir sogar noch zweideutig zu, bevor die Haustür ins Schloss fällt. Ich bin glücklich.

So wäre die Situation in einer idealen Welt abgelaufen. In der Realität aber wurde Gideon nicht von der Polizei abgeführt. In der Realität waren die Polizisten schnell wieder weg, nachdem ich sie gerufen hatte. "Dafür ist der Notruf nicht da." Es hatte sie nicht interessiert, dass Gideon ein Verbrechen plante. Und zwar nichts Geringeres als eiskalten Rufmord. Ich verstand Deutschland nicht mehr. Sonst werden Jugendliche doch schon in Präventivhaft gesteckt, wenn sie privat eine Rolle Tesafilm zweckentfremden. Wenn Gideon aber plant, mit einer Protestaktion das Schulmusical zu stören und damit meinen Ruf in der Elternvertretung zu ruinieren, schaut der Rechtsstaat weg.

Gideon ist nicht einverstanden, dass seine Schultheatergruppe dieses Jahr nicht zum vierten Mal in Folge mit ihm in der Hauptrolle Hamletaufführt, sondern das Musical Cats. Gideon findet Musicals ordinär. Vielleicht hat seine Abneigung auch damit zu tun, dass er als Dreijähriger auf die Rollbahn vom Starlight Express gefallen ist und ihn die Diesellokomotive Greaseball darauf zwei Runden mitgenommen hat. Ihm hat es nicht gefallen, dafür 82 meiner Facebookfreunde. Gideon wurde nun die Rolle des Mr. Mistoffelees zugeteilt, des Katers, der zaubern kann. "Das wird meine Karriere ruinieren!" jammerte er mich voll. Wohl kaum.

Für mich ist eindeutig, dass Gideon vorsätzlichen Rufmord begeht. Er weiß genau, dass die Wahl zur Elternvertretungsvorsitzenden bevorsteht. Alle Eltern freuen sich auf Cats. Einige sogar, obwohl der Film eine starke Katzenhaarallergie bei ihnen ausgelöst hat. Gideon reißt ein, was ich mir mühselig wieder aufbauen musste, nachdem er mit einem Protestcamp unseren Elternabend gestört hatte. Nur weil es Waffeln mit Eiern aus Käfighaltung gab. Natürlich wünscht man sich für seinen Sohn keinen Gefängnisaufenthalt. Das ist ein harter Ort mit harten Typen. Gideon ist eher schwach. Aber manchmal muss eine Mutter zugeben dürfen, dass es ihrer Karriere guttun würde, wenn ihr Sohn ein paar Wochen im Knast verbringen würde.

Wie genau Gideons Aktion aussehen wird, weiß ich nicht. Wenn er mit seinen Freunden im Zimmer probt, höre ich sehr laut die Musik von Danger Dan, dazu Perkussion und Gideon, der in verschiedenen Sprachen "Schande" ruft. Ich habe über Ecken gehört, die Theaterlehrerin habe Gideon einen Kompromiss vorgeschlagen, nachdem sie bereits wiederholt die Proben gestört hatten: Hamlet, aber in Katzenkostümen. Seitdem sind aus Gideons Zimmer auch Kampfhunde zu hören. Ich hoffe, ich kriege ihn bis zur Aufführung noch wegen Ruhestörung dran.

Die Kolumne von Viola Müter erscheint jeden Donnerstag nur bei TITANIC.

Kategorie: Allgemein



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Briefe an die Leser

 Mmmmmh, Iglo-Freibad-Pommes!

Ihr seid ein neues Tiefkühlprodukt, das in diesem Sommer vom grassierenden Retro- und Nostalgietrend profitieren möchte. Daher seid Ihr derzeit auf den großen Plakatwänden im Stadtbild vertreten, und zwar garniert mit dem knusprigen Claim: »Das schmeckt nach hitzefrei«.

Aber schmeckt Ihr, wenn wir uns recht erinnern, nicht ebenfalls nach einem kräftigen Hauch von Chlor, nach einem tüchtigen Spritzer Sonnenmilch und vor allem: nach den Gehwegplatten aus Beton und der vertrockneten Liegewiese, auf welchen Ihr regelmäßig zu Matsch getreten werdet?

In jedem Fall bleibt es Euch weiterhin verboten, vom Beckenrand zu springen, schimpft Eure Bademeisterin  Titanic

 Heda, »FAZ«

»Schlechte Politik verhindert Fortschritt« – das stimmt. Aber ist das nicht haargenau die Politik, für die Du immer trommelst?

Fragt schlecht und recht Titanic

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lesen wir in Deinem Urlaubsartikel »Entzauberte Idylle« die Behauptung: »In den Ferien wollen wir doch alle nur eins: Aperol Spritz und endlich mal in Ruhe lesen.«

Das können wir natürlich sehr gut verstehen. Wir wollen in den Ferien auch nur eins: 1. eine eigene Softeismaschine auf dem Balkon, 2. einen Jacuzzi im Wohnzimmer, 3. eine Strandbar auf dem Balkon, 4. einen Balkon.

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Im Interview mit der Rheinischen Post beschwerte sich Sängerin Cyndi Lauper darüber, dass Frauen ständig auf ihr Alter reduziert würden. Aus diesem Statement hast Du, Welt, nicht nur geschafft, einen ganzen Artikel zu stricken, Du hast auch noch äußerst subtil Deinen eigenen Standpunkt zur Causa klargemacht und Laupers Aussage folgendermaßen zusammengefasst: »Popsängerin Cyndi Lauper hält es für sexistisch, Frauen nach ihrem Alter zu fragen: ›Alter ist eine Kategorie, die benutzt wird, um uns kleinzuhalten‹, sagte die 71jährige.«

Wie clever von Dir! Indem Du das Alter genüsslich anmerkst, hast Du es der meckernden alten Frau aber mal so richtig gezeigt! Andererseits: Es nötig zu haben, aus Interviews anderer Zeitungen Artikel zusammenzukloppen – lässt das nicht Dich und Deinen angeblichen journalistischen Anspruch auch ziemlich alt aussehen?

Fragt Dein greises Kollegium von Titanic

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Du informiertest Deine Abonnent/innen mit folgenden Worten über die Situation nach dem Hoteleinsturz in Kröv: »Bisher wurden zwei Menschen tot geborgen, weitere konnten verletzt – aber lebend – gerettet werden.« Aber wie viele Menschen wurden denn bitte verletzt, aber leider tot gerettet?

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Fred Feuerstein hat nie im Steinbruch gearbeitet, er war Rhetoriker! Er hat vor 10 000 Jahren zum Beispiel den Whataboutism erfunden und zu seiner Losung erhoben: »Ja, aber … aber du!«

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 Unwirtliche Orte …

… sind die ohne Kneipe.

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  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

Titanic unterwegs
18.09.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
18.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.09.2024 Berlin, Kulturstall auf dem Gutshof Britz Katharina Greve
19.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer