Newsticker

Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Müters Söhne #23

Survival


"Ich hatte so Hunger"

Henry ist 12 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 5 und 17 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre "Mütersöhnchen".

Henrys Gesicht ist tränenüberströmt, als er sonntagmorgens von außen an die Terrassentür klopft. "Ich habe sie erschossen." Mein Blick fällt auf den toten Nachbarshund in seinem Arm. Ich gebe zu: Das passt mir gar nicht in den Kram. Unser Nachbar liebt seine Jack-Russell-Dame über alles. Ihren tatsächlichen Namen kenne ich nicht. Wenn der Nachbar von der Hündin schwärmt, nennt er sie immer nur seine "Perle". Was ich aber sicher weiß: Wenn er erfährt, dass Henry die Perle erschossen hat, war es das mit unserer guten Beziehung. Dann stellt er sicher nicht mehr unsere Mülltonnen auf die Straße und später wieder in die Garage.

Die tote Perle lässt mich zweifeln. Ist es die richtige Entscheidung gewesen, Henry allein im Garten zelten zu lassen? Er interessiert sich aktuell sehr für Survival, also für das Überleben fernab der Zivilisation. Fürs Jagen aber ganz besonders. Es gibt einen Tiktoker, den er intensiv verfolgt. Der erklärt ihm, wie er sich in der freien Natur Nahrung beschaffen kann, zum Beispiel im Amazonas-Regenwald. "Dort hat er nur mit einem angespitzten Bleistift einen Jaguar erlegt." Henry war schon immer sehr leichtgläubig. Bis vor kurzem glaubte er noch, Mütter lieben alle ihre Kinder gleich.

Ich habe schon oft gehört, dass es viele Menschen wie Henrys Tiktoker gibt. Für mich wäre das nichts. Ich liebe Wasser mit Kohlensäure und Datteln im Speckmantel. Wenn ich richtig informiert bin, lässt sich beides nicht mit selbstgeschnitztem Pfeil und Bogen erbeuten. Offenkundig finde ich es gut, wenn Henry lernt, selbstständiger zu werden. Ich glaube nur, dass andere Fähigkeiten in seiner aktuellen Lebensphase sinnvoller wären. Zum Beispiel regelmäßig sein Zimmer zu lüften.

Abends beobachtete ich, wie Henry etwas Granitsplitt aus meinem Steinbeet sammelte. Er versuchte anscheinend, eine Steinaxt herzustellen. Ein paar Stunden später schlug er damit mehrmals auf einen Maulwurfshügel ein. Na gut, dachte ich, wenn das Ergebnis seines Survivaltrainings ein toter Maulwurf sein würde, hätten ja alle etwas davon. Niemals hätte ich aber damit gerechnet, am nächsten Morgen von einem Schuss geweckt zu werden. "Ich hatte so Hunger", gesteht Henry schluchzend. In unserem Keller befindet sich ein Luftgewehr. Mein Mann hat es früher zur Abschreckung benutzt, wenn unangekündigt Gäste kamen.

In diesem Moment wird mir klar, dass Henry wichtige Informationen fehlen. Zum einen befindet sich in dem Luftgewehr seit der Sache mit Alec Baldwin keine Munition mehr. Zum anderen erzählte mir der Nachbar kürzlich, dass seine Perle sehr alt sei und an Bluthochdruck leide. Ich taste die Hündin nach einer Einschusswunde ab. Fehlanzeige. Erleichtert atme ich aus. Die Perle ist mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem Herzinfarkt gestorben. Ich fordere den aufgelösten Henry auf, die tote Hündin unter einem Laubhaufen im Garten des Nachbarn zu verstecken. Die Wahrheit verschweige ich ihm. Sein nächstes Survivalwochenende wird er freiwillig im Tropenhaus verbringen.

Die Kolumne von Viola Müter erscheint jeden Donnerstag nur bei TITANIC.

Kategorie: Allgemein



Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmmh, Iglo-Freibad-Pommes!

Ihr seid ein neues Tiefkühlprodukt, das in diesem Sommer vom grassierenden Retro- und Nostalgietrend profitieren möchte. Daher seid Ihr derzeit auf den großen Plakatwänden im Stadtbild vertreten, und zwar garniert mit dem knusprigen Claim: »Das schmeckt nach hitzefrei«.

Aber schmeckt Ihr, wenn wir uns recht erinnern, nicht ebenfalls nach einem kräftigen Hauch von Chlor, nach einem tüchtigen Spritzer Sonnenmilch und vor allem: nach den Gehwegplatten aus Beton und der vertrockneten Liegewiese, auf welchen Ihr regelmäßig zu Matsch getreten werdet?

In jedem Fall bleibt es Euch weiterhin verboten, vom Beckenrand zu springen, schimpft Eure Bademeisterin  Titanic

 Hä, focus.de?

»Deutschlands Wirtschaft wankt«, berichtest Du und fragst: »Warum will die Ampel das einfach nicht sehen?« Ähem: Vielleicht wird der Bundesregierung da ja schlecht, wenn sie zu genau hinschaut. Hast Du darüber schon mal nachgedacht?

Üble Grüße von Titanic

 Pfui, Manuel Neuer!

Was lesen wir da auf der Titelseite der Bunten? »Manuel Neuer: Liebes-Urlaub mit Baby auf Mallorca« … Wollen Sie jetzt beziehungstechnisch Lothar Matthäus übertrumpfen?

Anzeige ist raus. Titanic

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 Eine Frage, »Welt«-Newsletter …

Du informiertest Deine Abonnent/innen mit folgenden Worten über die Situation nach dem Hoteleinsturz in Kröv: »Bisher wurden zwei Menschen tot geborgen, weitere konnten verletzt – aber lebend – gerettet werden.« Aber wie viele Menschen wurden denn bitte verletzt, aber leider tot gerettet?

Rätselt knobelnd Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Schock total

Wenn im Freibad dieser eine sehr alte Rentner, der sich beim Schwimmen kaum fortzubewegen scheint, der bei seinen zeitlupenartigen Zügen lange untertaucht und von dem man dachte, dass er das Becken schon vor langer Zeit verlassen hat, plötzlich direkt vor einem auftaucht.

Leo Riegel

 Hybris 101

Facebook und Instagram, die bekanntesten Ausgeburten des Konzerns Meta, speisen seit kurzem auch private Daten ihrer Nutzer in die Meta-eigene KI ein. Erst wollte ich in den Einstellungen widersprechen, aber dann dachte ich: Ein bisschen Ich täte der KI schon ganz gut.

Karl Franz

 Unwirtliche Orte …

… sind die ohne Kneipe.

Günter Flott

 Bilden Sie mal einen Satz mit »AKW«

Der Bauer tat sich seinen Zeh
beim Pflügen auf dem AK W.

Jürgen Miedl

 Meine Mitbewohnerin

legt Dinge, die nicht mehr so ganz intakt sind, in Essig ein. Dabei ist es egal, ob es sich um verkalkte, schmutzige oder verschimmelte Dinge handelt. Ich würde bei ihr den Verbrauch von Salzsäure in den kommenden Jahren intensiv beobachten – gerade falls ihr Partner unerwarteterweise verschwinden sollte.

Fia Meissner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

Titanic unterwegs
18.09.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
18.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.09.2024 Berlin, Kulturstall auf dem Gutshof Britz Katharina Greve
19.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer