Müters Söhne #31
Erziehung
„Nein, nein, nein“
Thorben ist 5 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 13 und 17 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre "Mütersöhnchen".
Es gibt nur wenige Dinge, die mir wirklich schwerfallen. Jeden Tag Zahnseide zu benutzen zum Beispiel und meine Söhne alle gleich stark zu lieben. Das wohl größte Problem habe ich aber damit, "Nein" zu Thorben zu sagen. Obwohl ich mich sogar richtig anstrenge, standhaft zu bleiben. Aber Thorben schafft es immer wieder, mein "Nein, das darfst du nicht" in ein "Ja, natürlich!" zu verwandeln. Ich gebe seinen funkelnden Augen die Schuld, gefolgt davon, dass er so unwiderstehlich nach Weichspüler riecht und noch dazu der Sohn eines Mentalisten ist.
Als Thorben mich kürzlich fragte, ob er das neu erschienene "Call of Duty" spielen dürfe, war ich jedoch unschlüssig, ob unbedingt jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war, ein "Nein" durchzusetzen. Ich weiß schon, "Call of Duty" ist ein Ego-Shooter-Spiel, das offiziell nur Erwachsene spielen dürfen. Aber was, wenn Thorben sein ganzes Leben lang extra stark "Call of Duty" spielen muss, bloß weil er es unter der Obhut seiner Mutter nie spielen durfte?
Ich ging das Risiko trotzdem ein. Weil ich befürchtete, dass die spießigen Eltern von Thorbens Freunden ihren Kindern den Umgang mit ihm untersagen würden, wenn sie erfuhren, dass ich meinem Sohn erlaube, ein Spiel ab 18 zu spielen. Ähnlich hatten sie nämlich reagiert, nachdem Thorben seinen Kita-Freunden erzählt hatte, dass wir manchmal zusammen E-Scooter in stehende Gewässer werfen. "Aber Henry darf doch auch 'Call of Duty' spielen!", versuchte er mich wieder mit seiner zuckersüßen Stimme rumzukriegen. Das Argument kann ich nur leider nicht gelten lassen. Mit Henry möchte sich nämlich sowieso niemand verabreden.
Aber was machte ich mir überhaupt so viele Gedanken? Thorben ließ mein „Nein“ sowieso nicht durchgehen. "Wann darf ich 'Call of Duty' spielen?" – "Warum darf ich heute nicht 'Call of Duty' spielen?" – "Brennt dieser Teppich gut?" Thorben brachte mich zur Verzweiflung. Nahm er mich etwa nicht ernst? War er einfach nur sehr verhandlungsstark? Nein. Thorben hat einen siebten Sinn dafür, wie ernst ich mein "Nein" meine. Er kann mich lesen, und das obwohl er noch nicht in die Schule geht. Das liegt daran, das er hochbegabt ist.
Ich schlage meinem Sohn einen Kompromiss vor: Ein Stempelheft. Eine Win-Win-Situation, so dachte ich: Ich muss gar nicht mehr "Nein" sagen, denn ich beschreibe ja, welche Aufgaben Thorben erledigen muss, um zu bekommen, was er möchte: Und zwar dreimal seine Oma am Telefon anlügen, dass ich nicht zuhause bin. Um "Call of Duty" spielen zu dürfen. Meine Idee kam nicht gut an. "Nein, nein, nein", schrie Thorben nur. Wir verhandelten neu: Thorben bringt mir nun bei, wie man ein "Nein" durchsetzt – dafür darf er "Call of Duty" spielen und bekommt ein neues iPad. Immerhin lernte ich nun von dem Besten.
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