Überschätzte Lebensmittel (LIII)
Heute: Süßkartoffeln
Löste die Farbe Orange in unseren Breitengraden lange Zeit reinweg positive Assoziationen (Niederlande, Halloween, Trump) aus, ist sie leider Gottes ebenso ein Merkmal der Süßkartoffel – diesem nachgerade epidemisch verbreiteten Windengewächs, das uns trendige Bars im Hipsterviertel von Bad Sooden-Allendorf in Form von Pommes feilbieten. Wie konnte es so weit kommen? Anerkannte Theoretiker*innen sind sich weitgehend einig: Die Deutschen werden ihrer Lieblingsknolle, der handelsüblichen Kartoffel, langsam überdrüssig. Zu sehr verweist diese auf die Kollektivschuld des Landes. Der Erdapfel entwickelte sich von einer vormaligen Leibspeise hin zur Beleidigung von Bio-Deutschen. Die Süßkartoffelrezepte (z. B. Süßkartoffelpommes) dagegen haben eine entscheidende Zutat, die hierzulande seit jeher als gut verdaulich gilt: Geschichtsrevisionismus. Süßkartoffel – das klingt nach dem entnazifizierten Nachkriegsdeutschen, der allzeit schmunzelnd diesen knubbeligen VW Käfer fährt und seiner Frau immer nur Markenwaschmittel kauft, obschon er das nicht müsste. Es klingt nach dem niedlichen Bub in Freital, der sich "einen frechen Streich erlaubt hat" und trotzdem von der Dorfgemeinschaft geschätzt wird (Freiwillige Feuerwehr). Die Süßkartoffel nennt man auch Batate. Das erinnert an Nachbarin Beate, deren Eltern "schon damals" im Widerstand waren. Und so können sich immer mehr Menschen auf die ursprünglich aus Südamerika stammende Nutzpflanze einigen, welche Laboruntersuchungen zufolge ähnliche Nährwerte wie dieser neue Veggie-Wurstsnack hat: keine! Solange jedoch die Grünen Fritteusen nicht verbieten, müssen wir wohl oder übel lernen, mit der Süßkartoffel zu leben. Nebenbei bemerkt: In Bier getränkte Wattepads schmecken besser und lösen keinen orangefarbenen Durchfall aus – sondern weißen!
MWei
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