Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: NS, 1a
Der Deutsche Oskar Gröning, der „Buchhalter von Auschwitz“, wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt, hat, weil er steinalt ist, um Gnade ersucht. Das war der Morgenzeitung Anlaß für ein Pro und Contra.
Kollege Prantl, Überraschung, war dafür: „Es leben nur noch ganz wenige von denen, die vor langer Zeit verbrecherischen Dienst getan haben im Schlachthaus der Weltgeschichte … Er ist wohl der allerletzte überlebende Täter der NS-Vernichtungspolitik … Es wäre dies nur Recht, angesichts der Ungeheuerlichkeit der NS-Verbrechen … Heinrich Wefing von der ,Zeit’ hat in bezug auf den Gröning-Prozess geschrieben: ,Am Ende aber, wenn es um die Zumessung der Strafe geht, steht immer ein Individuum vor den Richtern, ein Mensch, welch ungeheuerliche Taten er auch begangen haben mag. In Lüneburg stand der Mann Oskar Gröning vor Gericht. Nicht die NS-Gewaltherrschaft an sich.’ Das gilt auch jetzt in bezug auf das Gnadengesuch Grönings. Es ist verständlich, wenn viele Opfer oder deren Nachkommen die NS-Täter in Haft sehen wollen – wenn und weil es nicht mehr anders geht, auch als Hundertjährige … Die Zeugin Eva Mozes Kor, Überlebende von Auschwitz, hat im Strafprozeß dem Angeklagten Gröning die Hand gereicht. Der Staat kann das nicht. Er kann nur gnädig sein“.
Kollege Kreye war dagegen: „Deutschland ist das einzige Land, in dem Verbrechen der NS-Jahre noch vor Gericht gebracht und bestraft werden können … Die Täter der NS-Verbrechen haben ihren Opfern gegenüber niemals Gnade gezeigt … Ginge Oskar Gröning nun ins Gefängnis, wäre dies ein Signal an alle anderen NS-Verbrecher, daß sie ihrer Schuld nicht entkommen … Rechnet man durch, wann die jüngsten Täter geboren wurden und welche hohen Lebenserwartungen Menschen heute in Europa haben, dann steht die Welt in der Pflicht, das größte Verbrechen der Menschheit noch bis in die 2030er Jahre zu verfolgen. Nur dann kann die Menschheit zeigen, daß sie auch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Kambodscha, Burundi, Ruanda, Bosnien, Syrien, im Irak und all den anderen Ländern sühnen will.“
„Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn hundert Leichen beisammenliegen, wenn fünfhundert daliegen oder wenn tausend daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht und ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“ Himmler, 1943
Mein Vorschlag zur Güte: Sperrt ihn ein, den deutschen Verbrecher aus dem deutschen Schlachthaus, den Täter der deutschen Gewaltherrschaft und gnadenlosen deutschen Vernichtungspolitik, auf daß alle anderen deutschen und von Deutschen angestifteten Verbrecher dies als Signal empfangen, daß sie ihrer Schuld am größten Verbrechen gegen die Menschheit, einem Verbrechen, erdacht und ins Werk gesetzt vom Reich der Deutschen und diesen Deutschen selbst, nicht entkommen. Steht allerdings die Welt in der Pflicht, das größte Verbrechen ihrer Menschheit gegen die Menschlichkeit zu sühnen, damit die vielen anderen Verbrechen im Schlachthaus der Weltgeschichte nicht in Vergessen geraten, von Kambodscha bis Burundi, von Ruanda bis Syrien, dann soll er sein ein freier deutscher Mensch, der sich zu schade sei, stellvertretend überstaatlich als NS-Verbrecher in den Kahn zu gehen.
Laßt ihn von mir aus laufen. Aber Euch nicht.