Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ohne Weichbild
Publizistische Pseudokritik hatten wir letzte Woche, und für alle, die nicht dabei waren, sie geht, z.B. auf dem Titel vom dummen Stern, so: „Stark und schön: Die Sehnsucht nach einem perfekten Körper. Was treibt uns an? Was macht uns wirklich besser? Plus: Welche App für welche Sportart“; genau.
Kritischer gestern die SZ zum selben Thema: „Fit und fertig: Urlaubsreif, das bedeutete früher: blaß, schlapp und überarbeitet zu sein. Heute wollen am Strand alle unbedingt eine perfekte Figur machen – dafür gehen die Deutschen so oft ins Fitneßstudio wie niemand sonst in Europa. Muß das sein?“ Und wo die Hamburger Kollegen noch halbverblümt ja sagen, erfahren wir hier kapitalismuskritisch etwas von „standardisierten Körpern“, „jederzeit einsatzfähigen Leistungsträgern“ und „Machbarkeitsideologie“, von „skulpturalen Körpern“ gar, die bekanntlich faschistische sind, aber soweit geht die Autorin freilich nicht; verwendet sich aber immerhin fürs Ungestählte, Schwache, darin Autonome: „Körper verfallen, verändern, verformen sich, sie erzählen Geschichten über ihre Bewohner – manchmal schöne und manchmal weniger schöne. Aber immerhin sind es echte Geschichten. Und es sind unsere eigenen.“
„In unseren Augen, da muß der deutsche Junge der Zukunft rank und schlank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl.“ Hitler, 1935 – „Der Nationalsozialismus errichtete in Deutschland nicht nur eine brutale Diktatur, die alle Lebensbereiche kontrollierte. Die Nazis wollten auch einen neuen Typ Mensch schaffen, der dem System willenlos dienen sollte.“ Deutsche Welle, 2012
In Klaus Theweleits „Männerphantasien“ ist Faschismus, ist der faschistische Körper, einzeln oder in der Masse, das Harte, Geformte, klar Umgrenzte und Strukturierte, und wenn laut Zeitung „völlig normalgewichtige Männer der Ansicht sind, ihr Körper benötige mehr Kontur“, dann positionieren sich auch diese Männer gegen das, wovor der faschistische Mann sich fürchtet: das Weiche, Schwache, Fließende, den „Brei“, eine zentrale Metapher in faschistischer Prosa, welche, noch einmal, das (männlich) Konturierte, Entschlossene, Tatkräftige gegens (weibisch) Konturlose, Zögernde, Rhetorische in Stellung bringt: „Zum törichten Geplapper deutscher Innenpolitik gehören mit großer Zuverlässigkeit die Schuldzuweisungen, wenn Asylbewerber oder deren Heime angegriffen werden. Dann werden Sprüche geklopft wie: „Den realen Brandstiftungen gehen meistens rhetorische Brandstiftungen vorweg“ (Ralf Stegner). Gemeint sind damit nicht etwa Volksverhetzer oder Fremdenfeinde, sondern die Politiker, die sich Gedanken darüber machen, wie das Asylrecht im Sinne der Flüchtlinge und deren Unterbringung besser, schneller und gerechter verwaltet und vollzogen werden kann: Dazu mögen auch (bayerische) Politiker gehören, die gern Sprüche klopfen. Aber da steckt wenigstens etwas dahinter, wohingegen die reinen Sprücheklopfer außer durch moralistische Selbstgerechtigkeit nur noch durch ihr Nichtstun auffallen. ... Es ist unbegreiflich, wie lange es dauert, bis ein augenscheinlicher, vielfach festgestellter und sichtlich die Empathie gegenüber Flüchtlingen nicht gerade fördernder Mißbrauch des Asylrechts von Landes- und Bundespolitikern beim Namen genannt wird. Das überlassen sie viel lieber Beamten und Kommunalpolitikern, die allerdings ... ohnehin mehr Ahnung von der Materie zu haben scheinen als sie, vor allem aber: mehr Tatkraft, mehr Mut. … Niemand sollte sich angesichts dieser verklemmten Schüchternheit der Bundes- und Landespolitik wundern, daß rechtsradikale Stimmungsmacher ein leichtes Spiel haben. ... Lieber redet man an der Sache Monate lang vorbei, aber mit einer hundertfünfzigprozentig reinen Gesinnung, als daß man dabei erwischt wird, politische Verantwortung zu übernehmen.“
Jasper von Altenbockum (FAZ) sieht nicht so aus, als habe er Übergewicht. Ich für meinen Teil kann jedenfalls sagen, daß ich, rein körperlich, ein ziemlicher Antifaschist bin.