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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Deutsch im Original

Der Publizist Sebastian Haffner, der ein kluger und mitreißender, freilich auch konservativer und nicht ganz unfrivoler Schriftsteller war, hatte in seinen klugen und mitreißenden, freilich auch konservativen und nicht ganz unfrivolen „Anmerkungen zu Hitler“ den Einfall, Hitler eher einen Bolschewiken denn einen Faschisten sein zu lassen, denn was sei, angesichts der vergleichbar kollektiv verfaßten Gesellschaften, Stalins „Sozialismus in einem Lande“ terminologisch anderes als eben ein „Nationalsozialismus“?

Die Worte, die Worte, die Worte, und zum 1. Mai räumte Gustav Seibt in der SZ seinerseits mit dem begriffsgestützten Vorurteil auf, Neoliberalismus sei etwas Schlimmes. Walter Eucken, Alfred Müller-Armack, Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke, Erfinder des historischen Neoliberalismus 1930ff., „waren alles andere als Marktradikale“, gerade Röpke nicht, der allenfalls „zeitgemäß ,anti-kollektivistisch’“ war. „An die Planwirtschaft der Funktionäre und Bürokraten glaubt er nicht. Den ,Plan’ machen für ihn die Konsumenten mit ihren Bedürfnissen, auf einem Markt, der in einer ,Anarchie ohne Chaos’ lebt … Doch dafür bedarf es rechtlicher und moralischer Rahmenbedingungen: einen starken und unparteiischen Staat“, und zwar „als Schiedsrichter. Man müsse, schreibt Röpke, den ,Kapitalismus vor den Kapitalisten’ schützen. Die Finanzwirtschaft mit ihrer Tendenz, der Allgemeinheit die Übernahme der Risiken aufzubürden – Röpke schreibt ausdrücklich von ,Sozialisierung der Verluste’ – ist ihm schon damals tief suspekt.“

„,Warum heißt das Bett nicht Bild’, dachte der Mann und lächelte, dann lachte er, lachte, bis die Nachbarn an die Wand klopften und ,Ruhe’ riefen. – ,Jetzt ändert es sich’, rief er, und er sagte von nun an dem Bett ,Bild’.“ Bichsel, 1969

Der eigentlich gute Neoliberalismus ist also nicht Credit Suisse und Hedgefonds, sondern Daimler-Benz und BASF, die ihre Verluste bekanntlich eher aufessen, als sie zu sozialisieren: eine rheinische Deutschland-AG, beruhend auf der „Freiburger Schule, die später die soziale Marktwirtschaft begründete. Der Markt sollte sowohl vor der politischen Übermacht staatlicher Regulierung wie vor der ökonomischen Übermacht großer Firmen geschützt werden – das ist genuin ,liberal’, aber nicht marktradikal, eben weil auch zu starke Marktteilnehmer gebändigt werden sollen. Der übermächtige Staat, der mit seinen Schulden ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen kann, vertritt selten das Gemeinwohl, so diagnostizierte Röpke kühl, sondern die Interessen der ihn beherrschenden und ausbeutenden Gruppen. Dafür ist Griechenland heute ein bizarres Beispiel, aber natürlich lassen auch Putins Rußland und Chinas gelenkte Marktwirtschaft solche Pathologien erkennen.“

Ganz anders als die pumperlgsunde, gemeinwohlorientierte und nämlich auch schuldenfreie deutsche, die gar nicht daran denkt, zugunsten von (Kapital-)Herrschaft zu operieren: „Daß das Problem übermächtiger Firmen heute zurückgekehrt ist, muß im Zeitalter von Google und Facebook kaum erläutert werden“, während die deutsche Demokratie zwischen Audi und Evonik bekanntlich allenfalls ein klein bißchen marktkonform ist. „Schuldenkrise, autoritäre Marktwirtschaften, Internet- und Finanzgiganten – die miteinander zusammenhängenden Probleme“, die das Ausland sich und uns unpolitischen Betrachtern aufhalst, „auf die der ursprüngliche Neoliberalismus mit seinen Ordnungsideen reagierte, sind alle wieder da“, weshalb es an der Zeit ist, „das Original des Neoliberalismus wiederzuentdecken“.

Als nämlich romantisch-hegelianische Idee, die den Staat als grundvernünftige Neutralinstanz vorsieht und nicht als (ich weiß, klingt langweilig) Agentur der Bourgeoisie. Und daß wir eine neue soziale Marktwirtschaft bräuchten, fordert allerdings auch die marktradikale „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“, die darauf, daß unsere Feuilletonisten ihren Ludwig Erhard wiederhaben wollen, gern eine Kiste Schampus trinkt.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ein völkischer Beobachter

Um das einmal klarzustellen: Mir gefällt dieses Land immer besser. Diese herrlich vitale Mischung aus links und rechts, Prantl und Pegida, Feuilleton und Leitartikel! Denn daß, zum Beispiel, das alles sehr schlimm ist für die vielen Flüchtlinge, ist das eine, sich für mehrseitige Zeitungsstrecken gerade am Wochenende Empfehlende, wenn der Bohnenkaffee dampft und man die Muße hat, einmal Anteil zu nehmen; daß es auch aber schlimm ist mit den vielen Flüchtlingen, ist das andere, das man aber heute nicht mehr sagen kann, ohne als Ausländerfeind zu gelten, weshalb es auch bloß wieder in der FAZ steht:

„Just zu einer Zeit, in der Europa kaum weiß, wie es der Einwanderung Herr werden kann, wollen die Grünen jeden automatisch zu einem Deutschen machen, der hier geboren wird, sofern sich ein Elternteil rechtmäßig in Deutschland aufhält. Wer wollte etwas dagegen sagen, schließlich kennt ja auch das klassische Einwanderungsland Amerika das Geburtsprinzip. Doch achtet das Land genau darauf, wen es hineinläßt … Zu dem mitten in der freizügigen EU gelegenen Deutschland hat aber jeder Zugang, der es auf diesen Kontinent geschafft hat. Wer dann noch großzügig die deutsche Staatsangehörigkeit verteilen will, sollte seine eigene abgeben. Denn er versündigt sich an den Einheimischen wie an den Flüchtlingen. Nein, die Einbürgerung ist der feierliche Endpunkt einer Integration. Der bodentief ideologische Vorschlag der Grünen würde wohl Flora und Fauna nicht schaden, aber das Gemeinwesen kompostieren. Schade, daß die Stasi das nicht mehr erlebt.“

„Zunächst wird doch wohl niemand das bekannte Sprichwort in Zweifel ziehen: ,Wo die Sache fehlt, ist der Schein das Beste.’“ Erasmus von Rotterdam, 1511

Wer hier meinen guten Freund Jasper am Werke wähnt, tippt falsch; richtig ist hingegen, daß Reinhard Müller den Jasper-v.-Altenbockum-Ähnlichkeitswettbewerb gewonnen hat und daß er dabei, wie das so ist bei übereifrigen Schülern, sogar ein wenig übers Ziel hinausschießt: Denn sicher achten die USA genau darauf, wen sie legalerweise ins Land lassen, aber wer illegal im Land ist und ein Kind bekommt, dessen Kind ist US-amerikanischer Staatsbürger. Zu dem mitten in der EU gelegenen Deutschland hat legalerweise nicht jeder Zugang, denn dafür gibt es die (von Deutschland mit Zähnen und Klauen verteidigte) Drittstaatenregelung, und daß Europa nicht wisse, wie es der Flüchtlingsströme Herr werden könne, ist ebenfalls geflunkert: Die Wahrheit ist, daß, wie wir in der Süddeutschen lesen, „gegen ein Quotensystem … eine solide Abwehrfront (steht), zu der auch Großbritannien und Dänemark gehören, die aber angeführt wird von den Staaten Mittelosteuropas“. Denn „Länder wie Tschechien, Kroatien und Rumänien haben sich … schlicht entschieden, dem Willen ihrer Bevölkerung entsprechend so wenig Flüchtlinge wie möglich aufzunehmen“, weil es zur schwer errungenen Freiheitlichkeit gehört, Zigeuner und Bimbos hassen zu dürfen, nicht daß die nationale Fauna durch blut- und bodenlose Ideologie auf eine Weise beschädigt werde, die die Stasi gefreut und die der Führer bolschewistisch genannt hätte.

Nachdem jetzt fast alle alten Nazis tot sind, die so gut wie sämtlich unbehelligt geblieben waren, wird jetzt noch rasch dem Auschwitzer Kassenwart (93) der Prozeß gemacht, der seinem Vaterland den letzten Dienst erweist und sich für alles entschuldigt. Im selben Vaterland zur selben Zeit will das Selbstverständigungsorgan der Bourgeoisie volksfremde Politiker ausbürgern und redet überhaupt daher, als heiße es Das Reich. Wo das Reich des Bösen bekanntlich Geschichte ist, müssen wir uns dieses Reich als das des unbedingt Guten vorstellen, und daß der Vorsitzende dieses Reichs ein neoliberaler Pfarrer ist, ist dann eine dieser Fugenlosigkeiten, die mir wirklich immer besser gefallen.

Veranstaltungshinweis: Der Autor liest morgen, 27.4., im Frankfurter Satiredorfkrug „Henscheid“ (Mainkurstr. 27), aus seinem so fugen- wie bodenlosen Roman „Putins Weiber“ (21 Uhr).

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Eine Befreiung

Wer, vor 70 Jahren, die Befreiung des deutschen Konzentrationslagers Buchenwald erlebte, der mochte der Überzeugung sein, niemals könne vergessen werden, was sich hier zugetragen hatte und wer dafür angetreten war, daß es sich hatte zutragen können. Vergeßlich freilich ist der Mensch; aber daß nach bereits 70 Jahren, einem mittleren Menschenleben also, die Erinnerung ans Was die Erinnerung ans Wer umfänglich hat tilgen dürfen, mag als Höhe- und Endpunkt deutscher sog. Erinnerungskultur gelten. Die ihren Zweck damit vollauf erfüllt hat.

„Ausgerechnet vor den Toren Weimars, der Goethe-Stadt, Hort der deutschen Hochkultur, hatten die Nazis ihr größtes Konzentrationslager errichtet“, moderierte die ZDF-Dame Slomka im Heute-Journal den Bericht über einen (allein das ist schon gut:) „Europäischen Gedenkakt“ an und hatte damit das Attribut „deutsch“ zum ersten und gleichzeitig letzten Mal fallen lassen, im Zusammenhang mit der deutschen Hochkultur nämlich und als Kontrast zu dem, was Barbarei der Nazis war. „Als US-Militärs das Lager in Augenschein nahmen, konnten sie nicht fassen, mit welcher Bestialität sie konfrontiert wurden.“ Wessen Bestialität? Da uns besser nicht mit konfrontieren. „Einer von ihnen, General Eisenhower, erkannte damals schon die Notwendigkeit einer detaillierten Dokumentation, weil er voraussehend ahnte, es würde Menschen geben, die das Geschehene leugnen“, und sei’s gar ohne Absicht, als Sprechpuppen und Aufsagemaschinen der öffentlich-rechtlichen Amtswahrheit, die ergriffen vom Roß tremoliert und den Reiter nicht nennt.

„Vorbei, verweht, nie wieder.“ Tucholsky, 1930

„Und mit jedem Jahr, das vergeht, gibt es weniger Zeitzeugen. Wie künftige Generationen das Erinnern wachhalten, auch darum ging es heute beim Gedenken in Weimar“ (Slomka) und aber auch beispielhaft im Filmtext, in dem wiederum kein einziger deutscher Täter, ja nicht einmal ein (wie bei Kanzlerin Merkel) abstrakt verantwortliches „Deutschland“ vorkam, dafür aber „die mörderische Hölle der Nazi-Barbarei“ sowie die wünschenswert kommune Gratis- und Gretchenfrage: „Wie konnten Menschen das Menschen antun?“ Und Festredner Martin Schulz (Europa) stand nicht an, den Freistellungsauftrag zu erweitern: „Die europäische Einigung ist deshalb eine Antwort auf Auschwitz und Buchenwald. Unsere kollektive europäische Identität erwächst aus dem gemeinsamen Erinnern unseres zuweilen barbarischen Handelns in der Vergangenheit.“ Auschwitz, eine Folge europäischen Handelns, das zuweilen barbarisch war, und die im deutschen KZ Buchenwald von deutschen Schergen in deutschem Auftrag Gequälten und Ermordeten müßten aufstehen und dem Lügner Schulz diese Sauerei, die niemand mehr auch nur bemerkt, um seine treugroßdeutschen Ohren hauen. Deutsche Freiheit, so sieht sie aus. Künftige Generationen, das ahne ich voraussehend, werden nichts anderes mehr kennen.

PS: „Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geht in diesem Jahr an die ‚Heute-Journal’-Moderatorin Marietta Slomka (45). Die ZDF-Journalistin gebe sich nicht mit Floskeln der Nachrichtensprache zufrieden, hieß es am Mittwoch in der Begründung der Juroren“ (Stern.de). W.z.b.w.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Überfordert

Der Deutsche ist ja gern mal überfordert, und wenn er überfordert ist, passiert was: „Nicht nur die Konflikte in Tröglitz sind darauf zurückzuführen“, auf diesen deutschen Hang zum Überfordertsein nämlich. „Auch Pegida speist sich aus dem Zulauf aus Dresdner Vororten und sächsischen Kleinstädten, die sich überrumpelt vorkommen“, und zwar von unwiderstehlichen Flüchtlingsmassen (40 Menschen, Tröglitz), mit denen die „Gefahr einer Überforderung der Bevölkerung“ anreist, „wenn etwa ein kleiner Ort über Nacht damit konfrontiert wird, daß eine hohe Zahl von Flüchtlingen kommt“. Diese Sätze stammen, wie auch nicht, von unserem liebsten Konfliktforscher Jasper von Altenbockum, bis auf den bedingenden Satz mit der hohen Zahl allerdings, denn da hat der Geschäftsführer von Pro Asyl, ein Herr Burkhardt, die Stimmung im Land, die sich im Jahr 2014 zu 150 Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte verdichtet hat, anscheinend gut genug begriffen, um bei den Volksgenossen nicht noch das letzte bißchen Verständnis zu verspielen.

„The Hun is always either at your throat or at your feet.“ Churchill, 1943

„Die Ängste“, kann Altenbockum da mit grimmiger Genugtuung zitieren, „seien nachvollziehbar, die dann entstehen“, und wäre ich nicht der, der diesen einsamen und sinnlosen Kampf gegen den schlimmsten aller Wortskandale führt, ich müßte sagen, „nachvollziehbar“ fände ich das kein Stück, und daß drei Dutzend Menschen, die vor Bürgerkrieg und Elend Schutz suchen, bei mir absolut keine Ängste auslösen, außer jener vielleicht, der Herrgott werde mich beizeiten dafür strafen, immer bloß auf meinem kritischen Faularsch sitzen geblieben zu sein, statt selbst mal Suppe auszuteilen oder Flüchtlingskindern beizubringen, daß „nachvollziehen“ vielleicht Landessprache, aber deshalb noch lange nicht Deutsch ist.  

Diesen Kindern das Dach über dem Kopf anzustecken ist also schlimm, ein „Verbrechen“ (Altenbockum), aber halt auch irgendwie nachvollziehbar, weil man ja Realist bleiben muß, nicht wahr, und sich nicht dagegen wehren soll, „multikulturelle Naivität gegen handlungsfähigen Realismus einzutauschen“, denselben nämlich, den die von den lokalen Bürgerwehren ermunterten Nazis mit dem Streichholz in der Hand bewiesen haben, um eben jener Überforderung Ausdruck zu verleihen, die die Landsleute durch ihre Geschichte seit spätestens Luther begleitet: Erst waren sie mit Politik per se überfordert und damit, auch mal selbst mal was zu entscheiden, dann mit der frivolen Zivilisation französisch-angelsächsischen Zuschnitts, dann mit Versailles (aber sowas von), dann neuerlich mit der westlichen Demokratie, dann mit den Juden, dann damit, sie umgebracht zu haben, dann (nachdem man mit dem nationalen Sozialismus schon überfordert gewesen war, jedenfalls im Rückblick) mit dem realen Sozialismus, dann, als der passé war, mit dem ganzen Ausländerpack, das zu jagen und anzuzünden lt. bekanntlich M. Walser als Überforderungsreaktion gelten mußte auf die Auschwitzkeule und die emotionale Verlorenheit der nationalen Jugend, die mit der Dauerpräsentation unserer Schande ganz einfach nicht mehr einverstanden war. Bzw. eben: überfordert.

Sollte es da wunder nehmen, daß es wiederum mich bisweilen überfordert, diesem Volk der zur Einsicht unfähigen, wehleidigen, brutalen Mimosen anzugehören?

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Gärtners kritisches Ostersonntagsfrühstück: Unser Staat

In Mainz gibt es einen Handwerksbetrieb namens Neger. Das Logo dieses Betriebs ist eine stilisierte Schwarze mit Wulstlippen. Dagegen regt sich Protest, zumal der Großvater des Chefs eine Größe in der Stadt und nämlich Fastnachtslegende war, und der um liberale Ansichten nie verlegenen Süddeutschen Zeitung fiel im Vermischten sogleich Originelles ein: „Die Frage ist: Wird der laut diversen Studien ohnehin ausländerfeindliche Deutsche durch so etwas noch ausländerfeindlicher? Und was ist mit den derzeit in einigen Läden angebotenen ,Schaumwaffeln mit Migrationshintergrund’? Muß man die auch verbieten?“

In Fragen der politischen Korrektheit kann man sich auf die deutsche Qualitätspresse also verlassen, die stets das Recht der Kundschaft verteidigt, einen Bimbo Neger zu nennen und Israel für einen SS-Staat zu halten, und was das deutsche Bürgertum hier eigentlich umtreibt, beleuchtet, in derselben SZ-Ausgabe vom Gründonnerstag, die Rezension eines Buches übers deutsche „hermetische Klassensystem“, das bekanntlich in der Schule beginnt und dessen Schamlosigkeit besonders blendend strahlt, wenn man ein paar Schritt Abstand nimmt. Der Autor Marco Maurer, selbst aus den sog. kleinen Verhältnissen stammend, „hat ein paar Tage lang eine Schule in Finnland besucht, ein Kapitel, das einem die Tränen in die Augen treiben kann: zwei Lehrer für zehn Schüler, Migrantenkinder sind nicht in Resteschulen ausgelagert, sondern sitzen mit im Unterricht. Alle Materialien sind umsonst. All das hat man schon gelesen. Neu ist der Blick der Finnen auf Deutschland. Von Helsinki aus wirkt das deutsche System wie irgendeine mittelalterliche Erfindung, ungerecht, statisch, feudalistisch. Eine Lehrerin, die länger in Deutschland war, kann bis heute nicht fassen, daß Gymnasiastenkinder nur mit anderen Gymnasiasten befreundet waren. ,In Finnland sind wir alle nur Menschen, alle sind gleich, aber in Deutschland gibt es diese Art von Menschen und jene Menschen, mindestens zwei, eher drei Gesellschaftsgruppen.’“

„Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.“ Matthäus 25, 42f.

Und dafür stehen sie ein, der deutsche Bürgersmann und die deutsche Bürgersfrau, die über Jahrhunderte hinweg gelernt haben, sich für fehlendes politisches Rückgrat mit einem Sonderbewußtsein zu entschädigen, das vielleicht wirklich einmal Grund gehabt hat, sich für ein bildungsbürgerliches zu halten, heute aber nur mehr und ausschließlich ein borniert privilegswahrendes, klassenkämpfendes und pöbelfeindliches ist. In der städtischen Kita meines Stadtteils, der sozial eigentlich recht gut durchmischt ist, spielen (nach Informationen einer Insiderin) ausschließlich Akademikerkinder bzw. werden natürlich „gefördert“, während die Kinder aus den kommunalen Wohnungen zuhause fernsehen, dem Betreuungsgeld sei Dank. „Immer wieder gibt es in diesem Buch den verwunderten Blick von außen: Franzosen, die darüber staunen, daß bei uns nicht alle Krippen umsonst sind, schließlich öffnet sich die Bildungsschere schon in einem Alter, in dem die Kinder noch nicht mal ,Schere’ sagen können. Oder die Hirnforscherin von der ETH Zürich, die sagt, eine Begabungsprognose in der vierten Klasse sei ,hochgradig unseriös’. Und dann ist da noch der finnische Lehrer, der Maurer einmal abends in die Stadt bringt und zum Abschied fragt: ,Weißt du eigentlich, daß ihr Deutschen genau das Schulsystem habt, das wir vor 40 Jahren abgeschafft haben, weil es uns zu altmodisch und zu ungerecht vorkam?’“

Aber die Deutschen und ihre Entscheider wollen es so, weil sie nämlich nicht durchzivilisiert, sondern feudal und dünkelbesoffen denken und immer nur nach unten treten: Ob Neger oder asozial: / Was nicht wir selbst sind, kann uns mal. Man möchte ausspucken. Sommermärchen, my ass.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ohne Worte

Seit Jahren warte ich darauf, daß mich mal einer fragt, welchen Witz ich im nachhinein lieber nicht gemacht hätte, damit ich nämlich antworten kann: Den mit Petra Schürmann, deren Tochter ein geisterfahrender Selbstmörder getötet hatte und die an diesem Tod im Wortsinn kaputtgegangen ist.

„Es gibt das immer wieder“, sagte der von der Morgenzeitung zur Stellungnahme herbeigerufene Suizidexperte, nachdem ein lebensmüder Copilot sich und das mit 149 Menschen besetzte Verkehrsflugzeug, in dem er saß, gegen einen Berg gelenkt hatte, „etwa bei Geisterfahrern, die in suizidaler Absicht bewußt und wahllos in ein entgegenkommendes Auto fahren. Solche Fälle gibt es vermehrt seit 20 bis 30 Jahren. Vielleicht hat es gesellschaftliche Gründe, daß es weniger Respekt vor dem Leben anderer gibt, vielleicht hat es auch mit Kränkungen und Rachegelüsten zu tun. Aber das ist alles wirklich nur reine Spekulation.“
Die hatte auch Theodor W. Adorno schon angestellt, der als guter (und sei’s negativer) Dialektiker wußte, daß „Individualität“ in der totalen Marktgesellschaft eine mindestens traurige, schlimmstenfalls aggressive Lüge ist: „Person, als Absolutes, negiert die Allgemeinheit, die aus ihr herausgelesen werden soll, und schafft der Willkür ihren fadenscheinigen Rechtstitel. Ihr Charisma ist erborgt von der Unwiderstehlichkeit des Allgemeinen, während sie, irre geworden an dessen Legitimität, in der Not des Gedankens sich auf sich zurückzieht. Ihr Prinzip, das unerschütterlicher Einheit, wie es ihre Selbstheit ausmacht, wiederholt trotzig im Subjekt die Herrschaft … Vollendete Ichschwäche, der Übergang der Subjekte in passives und atomistisches, reflexähnliches Verhalten, ist zugleich das Gericht, welches die Person sich verdiente, in der das ökonomische Prinzip der Aneignung anthropologisch geworden war.“

„Unterm Strich zähl’ ich.“ Postbank, 2008ff.

Die Beispiele für die asozialen Egokrüppel, die, am allwaltenden ökonomischen Prinzip irre geworden, trotzig (und systemisch korrekt) ihre rücksichtslose Selbstheit ausspielen, sind derart Legion, daß das tägliche Rabaukentum hier nicht abermals exemplifiziert, sondern lediglich auf weiterführende Literatur verwiesen sei (Gärtner/Roth, Benehmt Euch! Ein Pamphlet, Köln 2013), und so spekulativ das alles freilich bleiben muß, so schwer fällt es doch, dieses neuerliche Beispiel barbarischer Egozentrik nicht als genauso emblematisch aufzufassen wie den Fall des Fahrzeuglenkers, der neulich den Notarztwagen angezeigt hat, weil er, der Lenker, ihm, dem Notarzt, hatte ausweichen müssen. Kurios allerdings, daß über diesen dialektisch-ironischen Umweg die nationale, obszön vereinnahmende Geste der ubiquitären Trauerbeflaggung plötzlich völlig einleuchtet: Denn das Kollektiv, das hier um seine Söhne und Töchter trauert, wäre ja dasselbe, in dem die ewige Rede vom Individuum und dessen unbedingt primärem Glück all jene zu individuellen Spitzenleistungen aufstachelt, „denen schon gar nichts mehr übrigbleibt als das begriffslose Diesda ihres Daseins“ (Adorno). Das sie dann ggf. so begriffslos beenden, wie sie es im Zweifel geführt haben.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Deutsche Fingerzeige

Man soll Jan Böhmermann ruhig noch einmal loben für seine Idee mit dem Stinkefinger, der, ob echt oder nicht, seinen Zweck so aufrecht erfüllt hat: nämlich nachzuweisen, daß auf dem Weg zur Volksgemeinschaft wieder ein Schritt weniger zu machen ist: „Es trifft aber wirklich einen Nerv. So sind wir Deutschen halt. In einem Jahrhundert zweimal Europa verwüstet, aber wenn man uns den Stinkefinger zeigt, dann flippen wir aus. Dann kennen wir keine sachliche Diskussion mehr! … Denn wir sind Deutsche. Liebe Redaktion von Günther Jauch: … Ihr habt das Video aus dem Zusammenhang gerissen und einen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen. Damit sich Muddi und Vaddi abends nach’m Tatort noch mal schön aufregen können. ,Der Ausländer, raus aus Europa mit dem! Er ist arm und nimmt uns Deutschen das Geld weg! Das gibt’s ja wohl gar nicht! Wir sind hier die Chefs!“ (Böhmermann) Oder jedenfalls die Freunde unserer Chefs, für deren Wohlergehen die griechischen Kredite bekanntlich coute que coute zurückzuzahlen sind, was unsere nationalliberalen Trommler dann so völkisch verbrämen, daß Muddi und Vaddi abends nach’m Tatort genau wissen, warum gemeinsame Wut ein gemeinsames Blut zum Kochen bringt. (Jauch zu Varoufakis: „Um so mehr sind die Deutschen zuweilen irritiert, in welcher Art gerade Sie auch gegenüber unserem Land aufgetreten sind.“ Dagegen Gerhard Polt gültig: „Wer ist wir? Ich sicher nicht!“)

„Im übrigen herrscht darüber, wie mir aus ungezählten Briefen aus der Heimat und Zustimmungskundgebungen von der Front mitgeteilt wird, im ganzen deutschen Volke überhaupt nur eine Meinung.“ Goebbels, 1943

Die Schicksalsfragen der Nation erkennt man daran, daß die Herrschaft sie falsch stellen läßt, damit das Schicksal, an der Laterne zu enden, einen griechischen Finanzminister treffe und nicht jene, die seinem Land, als es schon pleite war, noch deutsche Panzer verkauft haben, die mit Krediten deutscher Banken bezahlt wurden, Krediten, auf deren Rückzahlung wir Deutsche jetzt in einem Ton bestehen, wie ihn Propagandakompanien anschlagen: Eine „psychotische Persönlichkeit“ erkannte Fleischhauers Jan in Varoufakis, ja, psychotisch sei die ganze griechische Regierung, die, wir erinnern uns, laut FAZ-Mann Frankenberger bereits aus „Ganoven“ besteht. Auch weil sie, wie sein Kollege Müller mich umstandlos paraphrasierte, nicht einsehen will, daß wir Deutsche uns nicht fünfzig Jahre lang für Hitler geschämt haben, um jetzt noch Reparationen zu zahlen: „Die deutsche Innen-, Europa- und Außenpolitik ist nahezu ein einziges Bekenntnis zur deutschen Vergangenheit. Das reicht von der Einbindung Deutschlands in internationale Organisationen über Bildung und Bauten bis hin zu Milliardenzahlungen an NS-Opfer und auch an Staaten. Kaum eine öffentliche Handlung, kaum ein Staatsbesuch kommt ohne einen Hinweis auf den Nationalsozialismus aus. Auch im Ausland wird nicht nur die Einzigartigkeit deutscher Verbrechen, sondern auch der einzigartige Umgang mit der eigenen Vergangenheit gesehen. Wer das in Frage stellt und auch noch das Reparationsfaß wieder aufmacht, ist nicht von dieser Welt – und muß sich an seinen Amtseid erinnern lassen.“

Wer sich also volksfeindlich verhält, ist nicht von dieser Welt und gehört in einen Sack mit den Ganoven und Psychopathen jenseits der Grenzen. Daß für Adolf Hitler z.B. Churchill regelmäßig ein „Wahnsinniger“ und „Paralytiker“ war und der jüdische Marxismus „Banditentum“, daran will ich den Reinhard Müller, für den die Vergangenheit unserer Großväter und die Gegenwart seiner Hausbank ein guter Grund ist, den europäischen Hungerleidern herrenmenschlich in den Arsch zu treten, hier gern erinnern.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Liebe britische Fallschirmspringer/innen!

Bei der diesjährigen D-Day-Gedenkfeier habt Ihr die Landung in der Normandie nachgestellt. Wegen des Brexits musstet Ihr aber direkt im Anschluss zur Passkontrolle. Danach erst ging’s weiter zur Feier.

Jetzt wollten wir mal ganz lieb fragen, ob Ihr angesichts des ganzen Rechtsrucks in Europa beim nächsten Mal dann wieder auf solche Formalitäten verzichten und stattdessen Nazis abknallen könnt?

Mit ganz großen Augen: Titanic

 Danke, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach,

für Deinen Gesetzesentwurf, der dem Apothekensterben mit »Apotheken light« begegnen will. Das Fehlen von Fachkräften durch Quereinsteiger/innen und ungelerntes Personal auszugleichen, ist eine klasse Idee. Das klappt bei unserem Schulsystem ja auch schon hervorragend!

Einschätzung Deiner Schmerzmittelexpert/innen von Titanic

 Jawoll, Ijoma Mangold!

Jawoll, Ijoma Mangold!

Im Zeit-Feuilleton sinnieren Sie ausführlich über die Verbissenheit, mit der politische Debatten mittlerweile geführt werden, und darüber, wie Humor und Heiterkeit gegen diese helfen können.

Ihren Essay schließen Sie mit der Feststellung, »dass Demokratie nicht mehr als funktionales Rollenspiel begriffen wird, dessen primärer Zweck es ist, einen zivilen Machtwechsel herbeizuführen, sondern als Kampf um Leben und Tod. Vielleicht sollten wir uns öfter Perücken aufsetzen? Selbstironie ist nämlich die beste Form der Gewaltenteilung und könnte die Politik davor retten, sich im Stellungskrieg einzubunkern.«

Manch eine/r mag sich fragen, was zur Hölle Sie hier sagen wollen. Doch unsereins erkennt sogleich, was Sie beabsichtigen: Ihr Text soll nicht nur ein Appell gegen den heiligen Ernst und die Verbissenheit in der Politik sein, sondern diesen auch direkt etwas entgegensetzen, nämlich Nonsens! Als Fachleuten fällt uns das sofort auf.

Lupft die Perücke zum Gruß: Titanic

 Aha, Daniel Brühl …

»Am Ende jedes Drehtags stand ich in meinem Apartment unter der Dusche und habe wahrscheinlich ein ganz trauriges Bild abgegeben. Meine Haare waren ja getönt, und die dunkle Farbe lief mir jedes Mal übers Gesicht, wie bei einer Midlife-Crisis …« So berichteten Sie der Zeit von Ihren Erfahrungen während des Drehs der Serie »Becoming Karl Lagerfeld«.

Na, das ist ja nun wirklich typisch Midlife-Crisis, dass einem während jeder Dusche dunkle Farbe über das Gesicht läuft! Haben Sie auch andere charakteristische Symptome bemerkt wie die plötzliche Fähigkeit, mit Toten zu kommunizieren, einen Heißhunger auf Kinderseelen und das rötliche Verfärben Ihrer Pupillen? Dann handelt es sich um einen ganz normalen Verlauf!

Weiß Ihre Titanic

 Du, »FAZ«,

betitelst in Deinem Wirtschaftsteil einen Artikel über bezahlbaren Wohnraum mit »Eine neue Waffe gegen Wohnungsnot«. Aber ist es volkswirtschaftlich überhaupt sinnvoll, überzählige Mieter/innen zu erschießen?

Ist da noch nicht ganz entsichert: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Beim Marktstand mit dem schlechten Verkäufer

»Entschuldigung, dürfte ich die zwei Gurken da hinten links haben und drei kleine Äpfel?«

»Nein!«

Laura Brinkmann

 Unterirdischer Anlagetipp

Viele Vermögende kaufen Gold oder Kunstwerke, um ihren Reichtum gegen Inflation etc. abzusichern. Dabei gäbe es Investments, die wahrlich auf die Ewigkeit verweisen: Reliquien. Reliquien wären Finanzprodukte mit Hand und Fuß, die nicht nur die Überreste der Heiligen, sondern auch das eigene Kapital konservierten. Einen Namen gäbe es auch schon für diese geniale Anlageoption: »Krypta-Währung«.

Jürgen Miedl

 Vorteil Mensch

In der Süddeutschen lese ich »Scholz will sich einschalten« und denke: Das kann die Künstliche Intelligenz noch nicht.

Jürgen Simon

 Aufschieberitis

Ich schiebe alles gern auf, inzwischen sogar Erkrankungen: Der Nephrologe zeigte sich höchst erstaunt, wie lange ich schon an einer behandlungsbedürftigen Nierenbeckenentzündung laboriert haben musste, bis diese sich schließlich schmerzhaft bemerkbar gemacht und mich zu ihm geführt hatte. Wahrscheinlich leide ich an Prokrastinieren.

Thorsten Mausehund

 Helmut Kohls Erbe

Endlich beginnen auch in unserem Viertel die Bauarbeiten für den Glasfaseranschluss. Bis es soweit ist, lässt die Leis ung des urzeitlich n Kupfe k bels a l rdi gs m hr de n je z wü sc n übr

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
17.07.2024 Singen, Gems Thomas Gsella
19.07.2024 Hohwacht, Sirenen-Festival Ella Carina Werner
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«