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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Klutes Kriegswut

Ich hätte, schrieb ich letzte Woche an dieser Stelle, immer recht, und das glaube ich natürlich selbst nicht; wie es auch viele kritische Leser (m/w) der Kolumne von vergangener Woche nicht glauben wollten; und der süddeutsche Feuilletonist Klute, aus anderen Gründen, glaubt es jetzt gleichfalls nicht. Weil die deutschen Intellektuellen und Publizisten nämlich blindlings Israel verteidigen und jedem, der Zweifel an dessen Vorgehen äußert, die Absicht unterstellen, „seinen bis dahin latenten Antisemitismus in Gestalt massiver Israelkritik an den Mann zu bringen“. Dabei, weiß Klute, sind die israelischen Linken allesamt selbst israelkritisch und warten verzweifelt auf Solidarität aus Deutschland, und wenn Gideon Levy, Kommentator der Jerusalemer Haaretz, den Krieg als „Massaker“ bezeichnet und daraufhin Polizeischutz benötigt, dann wird er „die Solidarität deutscher Intellektueller mit seinen Positionen vergeblich suchen, seine Position wird entweder verschwiegen oder gelangt gar nicht erst zur Kenntnis derer, die in einer so komplexen Gemengelage ihre bequeme Wahrheit suchen und natürlich sehr rasch finden“.

Nun kann ich deutscher Publizist erst einmal finden, daß, wer das Hirnloswort „massiv“ benutzt und sich „komplexe Gemengelagen“ vorstellen kann, ohnehin nicht weiß, wo der Bartel den Most her hat. Aber da ja auch dieser Unsinn wieder zum israelkritischen Diskurs gehört, das Nötige in Kürze.

Erstens: besteht die proisraelische Front deutscher Intellektueller, die Klute entdeckt haben will, laut Klute aus Georg Diez und Sibylle Berg; jener hat auf mitunter nötige Kriege hingewiesen, diese hatte in ihrer "Spiegel online"-Kolumne auf einen Taz-Kommentar mit der Überschrift „Israel provoziert dritte Intifada“ reagiert, der in bewährter Tendenzschriftstellerei monierte, daß Israel die Entführung und Ermordung der drei Talmudschüler nicht mit einem Dankschreiben beantwortet hat. Nehmen wir an, Klute lese meine Kolumne und habe sowohl ein Titanic- als auch ein Konkret-Abo, dann kennt er zehn sture Israelfreunde. Alle anderen sitzen in irgendwelchen Redaktionen und sind nach Kräften neutral.

Zweitens: ist die Aufgabe des deutschen Intellektuellen, vor den deutschen Türen zu kehren, und ein Haaretz-Kommentar interessiert mich naturgemäß weniger als einer in der Taz, in der SZ oder wo immer sonst der deutsche Zeitgeist Kontur gewinnt. Israels Kriegführung für einen Fehler zu halten ist nicht meine Hauptaufgabe, schon weil das Taz und und Klutes Süddeutsche übernehmen, mit eben den perspektivischen Verkürzungen, über die zu richten dann wieder mir obliegt.

„Es ist gar nicht so kompliziert, für Israel zu sein. Tendenziell. Nur ein bisserl. Nicht mehr als nötig. Und sei es nur angesichts der Zustände in Deutschland.“ Leo Fischer, 2014

Drittens: ist es etwas völlig anderes, als Israeli von israelischen „Massakern“ zu sprechen, als wenn ich das als Deutscher tue; da kann der Klute die deutsche Vergangenheit für so bewältigt halten, wie er will. Israelische Israelkritik ist etwas substantiell anderes als deutsche Israelkritik, schon weil israelischer Israelkritik eine gewisse Zwangsläufigkeit eignet, die deutsche sich aber fragen lassen muß, warum sie noch viel leidenschaftlicher und populärer ist als die an Rußland oder China.

Viertens: gilt meine Solidarität nicht einem asymmetrisch kämpfenden Israel oder dem der nationalreligiösen Siedlungspolitik. Sie gilt dem Staat Israel, dessen Legitimation von palästinensischer Seite in Frage gestellt wird und der in Deutschland, ob mit oder ohne Krieg, als Besatzer, Landräuber, eigentlich illegitim vorkommt, wobei die komplexe Gemengelage spätestens in den Leserbriefspalten zur Formel versimpelt wird, daß Israel an allem schuld ist; eine auch international so gängige Einschätzung, daß auch die Frage zur Solidarität gehörte, was der israelische Rechtsruck, die israelische „Kriegswut“ (Klute) mit der weltweiten Begeisterung für die PLO Nachf. zu tun hat. (Und nein: Es ist eben nicht umgekehrt.)

Klutes vorgebliche Solidarität gilt dem linken, pazifistischen Israel der „mutigen Kriegsgegner, die viel aufs Spiel setzen“, während der mutige Klute allenfalls riskiert, von seiner beipflichtenden Kundschaft das Postfach gefüllt zu kriegen, welche sich von der proisraelischen Hegemonie in Deutschland nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und nämlich aussprechen dürfen will, daß Israel Massaker begeht. Nicht überraschend also, fünftens, daß sich Klute für seine Solidaritätsadresse im Arsenal rechter PC-Kritik bedient: die angeblichen deutschen Sprechverbote, „Glaubenssätze“ statt der Wahrheit, verlogene „Antisemitismusdetektive“ (Klute). Daß es hier noch um Israel geht, mag glauben wer will.

Die israelische Linke kann einem leid tun: Sie hätte mich, aber ich lasse sie im Stich; und sie hat den Klute. Und der macht sie zur nützlichen Idiotin.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Die Peripherie schlägt zurück

Ich habe ja so gut wie immer recht; aber ich habe nicht immer gleich gern recht. Was den libyschen Feldzug vom Frühjahr 2011 anlangt, als der Pazifist unter einigen Mühen darauf beharrte, es gebe so etwas wie das Völkerrecht und auch andernorts Diktatoren, mit denen man nach Marktlage allerdings zusammenarbeite, und daß sich Demokratie in den seltensten Fällen herbeibomben lasse, hätte ich nichts dagegen, wenn drei Jahre später in Libyen eben nicht einer dieser zähen Bürgerkriege herrschte, wie sie Interventionen so häufig folgen. „In den Tagen nach der libyschen Revolution, als ein Volksaufstand Muammar al Gaddafis zweiundvierzigjährige Herrschaft beendete, war das Land vor Hoffnung wie elektrisiert“, blickt der lokale Schriftsteller Hisham Matar in der FAZ zurück. „Noch nie hatte ich einen Ort erlebt, an dem sich düstere Vorahnung und Optimismus so eindringlich vermischten. Menschen versammelten sich, fest entschlossen, verantwortliche und demokratische Institutionen ins Leben zu rufen. Das ganze weite Land war plötzlich übersät mit Zeitschriften, Clubs, Vereinen, NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen. Es zeigte sich die Lebendigkeit einer Gesellschaft, die so lange von Zensur und Gewalt unterdrückt worden war. Nun starren wir in den Abgrund des Bürgerkrieges. Milizen aus Misrata und Zintan zerreißen Tripolis. Explosionen erschüttern Benghasi. Hinrichtungen und Entführungen sind zur Gewohnheit geworden. Die Regierung steht kurz vor dem Zusammenbruch. Die zwei mit der Revolution aufgestiegenen bewaffneten Gruppen entwickeln sich zu einander bekriegenden Lagern.“ Usw. Daß ich das habe kommen sehen, hilft da keinem, nicht einmal mir.

„Der Blumentopp vor deinen Fensta / der duftet in dein Zimmer rein … / Leb wohl, mein liebes Kind, und wennsta / mal dreckich jeht, dann denke mein –!“ Tucholsky, 1932

Nun haben die USA, nach langem Zögern, Stellungen des „Islamischen Staats“ angegriffen, und da als alternatives Kolumnenthema nur Amazons Marktmacht zur Verfügung stand und wie sie Amazon alle hassen, aber Apple lieben, und daß das eine so schwachsinnig ist wie das andere, müßte ich jetzt schon wieder Gründe finden, warum man religiös verwirrten Mordbrennern nicht in den Arm fallen soll. In Mali hatte die französische Interventionsmacht noch so eindeutige (Rohstoff-)Interessen, daß es leicht war, das Menschenrechtsgequake als vorgeschoben abzutun, und daß es in Afghanistan nicht um Schulunterricht für Mädchen geht (den hatten sie unterm Russen schon), sei hier nicht noch mal hingeschrieben. Und nun also das Kalifat, das sich Zuständen im Irak verdankt, die sich einer früheren amerikanischen Intervention wider einen Diktator verdanken, den dasselbe Amerika lange Zeit unterstützt hat, wie sich so gut wie jede Verwerfung in der Region politischem, militärischem und/oder geheimdienstlichem Einfluß der sog. freien Welt verdankt. Die Vorgänge im Irak sind das Ergebnis eines Jahrhunderts kolonialer, imperialistischer Politik, und es ist eine direkte Folge dieser Politik, wenn jetzt wieder Luftangriffe geflogen werden müssen, um den Dschihadisten, deren übergeschnappt-atavistischer Religionskrieg ja auch ein antikolonialer, antiwestlicher ist, die Raketenwerfer zu zerlegen.

Der Terror des IS ist, soweit die Berichte stimmen, widerwärtig, und ihn per Polizeiaktion zu unterbinden, mag tatsächlich einmal alternativlos (und am Ende sogar möglich) sein; daß westliche – als nämlich imperialistische – Mittelostpolitik auch in der Höhe für ihn verantwortlich ist, bleibt davon unberührt. (Ein lahmes Fazit, ich weiß; aber ich habe kein besseres.)

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Erbarmungslos

Daß die Zeitung nur die halbe Wahrheit sagt, ist natürlich nur ein Vorurteil; man muß bloß verstehen, die Zeitung zu lesen.

Was die freie Welt dem dunklen Herrscher im Kreml vorwirft, ist, daß er separatistische Rebellen mit Waffen ausgestattet habe, die diese Rebellen dann „mutmaßlich“ (Der Spiegel) dazu benutzt haben, einen „Massenmord“ (FAZ) an Zivilisten zu verüben. Deshalb: „Stoppt Putin jetzt!“ (Der Spiegel), und zwar durch „Wirtschaftssanktionen gegen Rußland“ (SZ): „Zur verschärften Politik der Europäer beigetragen hat die Empörung über den Abschuß eines malaysischen Passagierflugzeugs über dem Osten der Ukraine. Die Separatisten stehen im Verdacht, das Flugzeug mit 298 Menschen an Bord mit einer von Rußland gelieferten Boden-Luft-Rakete versehentlich abgeschossen zu haben.“

In derselben Zeitung, auf derselben Seite, drei Fingerbreit Luftlinie entfernt, findet sich dann diese Meldung: „Eine Ermittlergruppe der EU hat schwere Vorwürfe gegen führende Mitglieder der ehemaligen ,Befreiungsarmee des Kosovo’ (UÇK) zur Zeit des Bürgerkriegs Ende der Neunzigerjahre erhoben. Die UÇK profitierte damals von einer Intervention der Nato. Es gebe Beweise für zahlreiche Kriegsverbrechen, sagte der amerikanische Chefermittler Clint Williamson am Dienstag in Brüssel. Er forderte die Einrichtung eines Sondertribunals.“ Das dann, lesen wir auf Seite 6, über folgendes zu richten hätte: „Widerrechtliche Tötungen, Entführungen, das Verschwindenlassen (politischer Gegner), illegale Verhaftungen in Lagern in Kosovo und Albanien, sexuelle Gewalt, andere Formen unmenschlicher Behandlung, die zwangsweise Vertreibung von Individuen aus ihren Häusern und Gemeinden, die Schändung und Zerstörung von Kirchen und anderen religiösen Orten“, dies alles gipfelnd in „ethnischen Säuberungen“, deren Opfer „vorrangig Serben und Roma“ gewesen seien.

„Verrat, Sire, ist nur eine Frage des Datums.“ Talleyrand, 1814/15

Diese freundliche Befreiungsarmee stand nun zur Zeit des Bürgerkriegs Ende der neunziger Jahre auf Seite der Guten, weil sie nämlich gegen Serbien kämpfte und der Feind meines Feindes mein Freund ist. Ethnische Säuberungen hatte, soweit es den Westen betraf, allein Milosevic zu verantworten, und 2011 prangerte ein Bericht eines Schweizer Abgeordneten des Europaparlaments, auch das können wir lesen, an, daß „die westlichen Alliierten der UÇK … es zugunsten der ,kurzfristigen Stabilisierung der Lage … vorzogen, die Augen (vor Kriegsverbrechen der UÇK) zu verschließen.’“ Also hatte der Westen vielleicht keine Waffen an separatistische Rebellen geliefert, aber an ihrer Seite gekämpft und ihnen den Rücken freigehalten zum Töten, Vergewaltigen, Vertreiben, was leicht war, weil dieselbe freie Presse, die sich heute schäumend über „russische Propaganda“ beklagt, an der Freundlichkeit der albanischen Befreiungsarmee keinen Zweifel ließ.

Man kann sich empören über 298 Menschen, die nur darum starben, weil Verbrechern der Verlauf einer Landesgrenze mißfällt. Man kann sich aber auch empören über die Erbarmungslosigkeit der nationalen Heuchelei, gerade dann, wenn die Heimatfront so geschlossen steht, daß die Wahrheit sogar in der Zeitung stehen kann, ohne daß es etwas ändert.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ewig

Daß wir mit unseren Juden bei Stalingrad gesiegt hätten, ist so wahr, wie daß jetzt alles gut ist, weil der Bundespräsident den Antisemitismus verboten hat: „Ich möchte alle Deutschen und alle Menschen, die hier leben, auffordern, immer dann ihre Stimme zu erheben, wenn es einen neuen Antisemitismus gibt, der sich auf den Straßen brüstet“, und nicht immer nur dann zu krähen, wenn es um Panzer in Gaza geht, mit denen, da war sich ein „Nahost-Experte“ im ZDF sicher, jeder Jude am liebsten persönlich durch die renitenten Araberhorden pflügen und Kinder massakrieren würde („den Israelis ist das egal“). Und dies drei Minuten nach dem Filmbeitrag, in dem eine junge Israeli mit der leicht konträren Einschätzung zitiert worden war, der ganze barbarische Blödsinn sei „keinen einzigen Toten wert, egal auf welcher Seite“.

Es fügt sich nun gottlob, daß der Antisemitismus, den unser aller Obergauck auf den Straßen sich brüsten sieht, kein autochthoner ist, sondern „aus dem Kreis von türkisch- oder arabischstämmigen Einwanderern“ (focus.de) kommt, die das Ziel der Hamas, die Juden ins Meer zu treiben, rundum unterstützen, wobei es reichen dürfte, das sog. „Rückkehrrecht“ durchzusetzen, das von palästinensischer und arabischer Politik, selbst der gemäßigten, zur Voraussetzung für Frieden gemacht wird; ein Rückkehrrecht, das den Staat der Juden faktisch abschaffen würde. Daß auf dieser Grundlage verhandelt werden könnte, glauben außer der Hamas aber auch die deutschen Altbaubürger, die von israelischer Siedlungspolitik alles, vom Recht auf Rückkehr lieber gar nichts wissen und sich für den Araber immer dann in die Bresche werfen, wenn er nicht hier ist oder her will.

„Bis in die Kreise der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuts mit Abscheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: ,Die Juden sind unser Unglück!‘“ Treitschke, 1880

Denn hier macht er ja doch nur auf „grobe Integrationsdefizite“ (Prantl) aufmerksam, wenn „eine neue Gruppe von migrantischen islamischen Jugendlichen … ganz selbstverständlich israelfeindlich und antisemitisch ist“, was freilich nach „pädagogischen Konzepten“ verlangt; denselben Konzepten, die die Landsleute zu solchen Vorzeigedemokraten gemacht haben, daß es z.B. die dringend nötige Israelkritik ohne den unermüdlichen Kampf für das Recht auf freie Meinungsäußerung schon gar nicht mehr gäbe: „Die Siedlungspolitik in Israel kann, darf und muß kritisiert werden. Der Gaza-Krieg“ – als notabene rein israelischer – „kann, darf und muß kritisiert werden. Man kann, darf und muß beklagen, daß Israel zur Verewigung des mörderischen Nahostkonflikts beiträgt“ (Prantl), nämlich, sofern es arabische Politik seit 1948 betrifft, qua Existenz; und wenn man mit der Klage fertig ist, kann man wieder neutralen Journalismus betreiben und die Bilder immer so montieren (Netanjahu im Kreis seiner Generäle, gleich drunter, kausal einwandfrei, die klagende Mutter in Gaza), daß die palästinensischen Propagandakompanien den Sekt holen würden, wenn sie denn Sekt trinken dürften.

Die „deutsche Mehrheitsgesellschaft“ (Prantl) soll den migrantischen islamischen Jugendlichen ruhig dankbar sein, muß sie doch, als gründlich durchzivilisierte, den Umweg über die Leserbriefspalten nehmen, wenn sie mal „Judenschweine“ rufen will, oder zu solchen Subtilitäten greifen wie die Kinorezensentin im SZ-Feuilleton am selben Tag, an dem Prantl über den „elenden alten Antisemitismus“ als „immer wieder aufgekochten Sud aus uralten Gehässigkeiten“ klagen mußte, sollte und durfte: „David (Ary Abittan) ist zwar Jude, aber immer pleite und arbeitslos“.

Man kann nicht sagen, dieser Antisemitismus brüste sich. Er ist einfach da.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Eine Farce

Er ist, gelobt sei Gott, endlich weg, der Unterhaltungschef des Zweiten Deutschen Fernsehens, der nicht nur den Tod des wunderbaren Familienspaßes „Wetten, daß...?“ verantwortet, sondern auch den gewissenlosen Manipulationen rund um die Show „Deutschlands Beste!“ taten- und sogar ahnungslos zugeschaut hat; ein Skandal, dessen schaurige Höhe- oder besser Tiefpunkte die bildungsbürgerliche Frankfurter Allgemeine, vor Empörung bebend, wie folgt zusammenfaßte: „Zuerst fielen die Online-Umfrage und die Leserumfrage der Zeitschrift Hörzu unter den Tisch, dann wurde sogar die von Forsa ermittelte Reihenfolge der ,Besten‘ umgestellt. Besonders peinlich: Der ,heute journal‘-Moderator Claus Kleber rückte nach vorn, der RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel wurde abgewertet. Unter ,Deutschlands Besten‘, so sollte es wohl scheinen, ist das ZDF selbst bestens vertreten: Eigenwerbung pur, das Publikum wird an der Nase herumgeführt, die Show zu einer einzigen Farce.“

„Und nichts ersehnen die Menschen mehr, als sich Ja zu sagen und aufzugeben und zu vernichten“ Thomas Bernhard, 1986

Die sie vorher freilich nicht war, etwa deshalb, weil man ein Publikum, dem in Tat und Wahrheit alles egal ist, zwei Stunden lang damit amüsieren kann, daß der eine Deutsche „besser“ ist als ein anderer Deutscher, was nicht nur auf betäubende Weise irrelevant ist und das vulgäre, geistaverse, gewalttätige Rankingunwesen noch vors Feierabendsofa zerrt, sondern das Fehlen tatsächlicher Mitsprache in der Marktdemokratie durch simulativen Abstimmungskokolores sowohl vernebelt als auch rechtfertigt, um nicht zu sagen feiert. Mit voller Billigung der ach so kritischen Instanzen; denn statt den Unfug zu ignorieren oder wenigstens die übliche Beschwerde über den sog. Bildungsauftrag des Staatsfernsehens anzubringen, berichten die Qualitätspreßorgane über den redaktionellen Eingriff in eine a priori vollkommen sinnlose Bestenliste, als habe tatsächlich ein Akt der Wahlfälschung stattgefunden, als sei die Volksmeinung von arroganten Autoritäten so herzhaft mit Füßen getreten worden wie in der DDR, als sei das alles nicht auf glühende Weise wurscht und Kloeppel vor Kleber dieselbe dumme „Unterhaltung“ wie umgekehrt.

Und da wird’s plausibel: Denn es ist, melden schließlich dieselben Organe, auch nicht egal, ob nun SPD oder CDU die Agenden von BDI und Bertelsmann abarbeiten, und wo Volkes Wille draufsteht, soll auch Volkes Wille drin sein, und um diesen Schwindel nicht dranzugeben, daß nämlich irgend jemandes Meinung einen Cent wert sei, gibt es Meinungsbild auf Meinungsbild auf Meinungsbild, und die „Umfrage“ auf faz.net: Wer wird Weltmeister, Deutschland oder Argentinien?, unterscheidet sich tatsächlich in nichts mehr von der Umfrage im Deppenradio, wo die „Community“ entscheiden darf, ob irgendeine Prominentenkuh nun wirklich schwanger ist oder nicht.

Postdemokratie, ich weiß. Der Aufregung nicht wert. Erschreckend allenfalls und immer wieder die Reibungslosigkeit, mit der das alles funktioniert. Und daß der Schwachsinn so tief in die Leute gesenkt worden ist, daß sie sich für ihn schon aus gut freudianischen Gründen nicht mehr zu schämen vermögen.

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Gärtners kritisches Finalsonntagsfrühstück: Einig Vaterland

Vom Hauptbahnhof nach Hause sind es mit dem Taxi zehn, mit der Bahn zwanzig Minuten, den Weg von der Haltestelle zur Haustür (fünf Minuten) noch nicht eingerechnet, und als ich am vergangenen Dienstag aus dem Urlaub kam und bei Einfahrt des Zuges das Spiel Brasilien–Deutschland bereits angepfiffen war, mußte ich wählen: 15 Minuten Spiel nicht verpassen oder 15 Euro Taxigeld sparen. Gegen Algerien war ich Taxi gefahren, um dann einen ereignislosen Grottenkick zu sehen, und nun stieg ich aus der Straßenbahn, und der Fahrer meldete, es stehe seit eben 2:0, und als ich daheim angelangt war, stand es 5:0, und wenn mich ein FAZ-Redakteur fragen wird, wo ich gewesen sei, als das 7:1 gegen Brasilien geschah, wird er zur Antwort erhalten: Im wesentlichen in der Straßenbahnlinie 2. Weil man es im Zweifel halt immer verkehrt macht.

Die israel- und insgesamt judenkritische Hamas hingegen, auch darin sind wir grundverschieden, kann es gar nicht verkehrt machen. Kaum ermordet sie drei israelische Jugendliche und belegt Tel Aviv mit Raketen, ist, weil Israel freilich zurückschießt, in der deutschen Zeitung wahlweise ein brennendes Gaza oder ein verängstigtes Palästinenserkind zu sehen, und ob die immer gleichen tendenziösen Bilder diese entsetzlichen deutschen Leserbriefe stimulieren oder umgekehrt, mag ein publizistisches Seminar beizeiten herausfinden: „Politikern aus dem Lager Netanjahus darf man zynisches Kalkül unterstellen … die maßlosen Reaktionen der israelischen Regierung … Besatzungsmacht … ohnmächtige Wut der Palästinenser … Israels fortgesetzte Mißachtung von Völker- und Menschenrecht … abscheulich … fanatische Siedler … Was sind die Werte der angeblich einzigen Demokratie im Nahen Osten?“ Jedenfalls andere als die von u.a. Günther Strödel (München), Wolfgang Behr (Herdwangen-Schönach) und Ethel Machnitzky-Baron (Röthenbach), denen die Konflikte der Welt immer dann nicht am Arsch vorbeigehen, wenn sich jüdische Nazimethoden begeifern lassen. „Nur Israel steht am Pranger“, erkennt dagegen Prof. Othmar Paar (Aachen), und das dürfte so ungefähr die Verteilung sein: Nur einer von vier aufrecht liberalen Deutschen ist kein Antisemit, pardon: Antizionist, Verzeihung: Kritiker Israels, der es sich verbittet, aufgrund seines verfassungsmäßigen Rechts auf Israelkritik in die rechte Ecke gestellt zu werden.

Wie es natürlich keinesfalls so ist, daß Israel auch deshalb nach rechts rückt, weil es sowieso von allen gehaßt wird, auch wenn seine Werte immerhin der Art sind, daß, nachdem ein nationalreligiöser Mob einen Palästinenserjungen bei lebendigem Leib verbrannt hatte, die Öffentlichkeit entsetzt war und die Regierung den Mördern „die volle Härte des Gesetzes“ in Aussicht stellte, während es im wertesatten Gazastreifen gar keine Öffentlichkeit gibt, der es erlaubt wäre, drei tote Talmudschüler als etwas anderes denn als Heldentat zu begreifen.

„Wo fing das an? / Was ist passiert? / Hast du denn niemals richtig rebelliert? / Kannst du nicht richtig laufen? / Oder was lief schief? / Und sitzt die Wunde tief in deinem Innern? / Kannst du dich nicht erinnern? / Bist du nicht immer noch Gott weiß wie privilegiert? / Was hat dich bloß so ruiniert?“ Die Sterne, 1996

Könnte übrigens sein, daß der Hase hier im Pfeffer liegt, denn auch im Streifen zwischen Rhein und Oder ist Öffentlichkeit, eine kritische zumal, kaum anderes mehr als eine Schauveranstaltung: In eben der Süddeutschen, in der sich die Philosemiten aller Bundesländer vereinigen, schreibt der Chefredakteur persönlich eine ganzseitige Schleimstrecke zu Merkels 60. Geburtstag, und wenn der gutfrisierte Hauptstadtjournalist Schumacher bei Illners Maybritt die Nationalmannschaft dafür loben darf, in ihrer „Mischung aus Souveränität und Bescheidenheit fast ein bißchen merkelig“ zu sein, dann erinnere ich mich an einen anderen Schumacher, der, obwohl nur einfacher Fußballtorwart, es noch abstoßend fand, daß Bundeskanzler zum Heldenhändeschütteln ins Stadion kamen, während es heute beklatschte Normalität ist, wenn Bundeskanzlerinnen in der Kabine Landesmutti spielen; und der, vor bald 30 Jahren, die gute zusammenfassende Frage stellte: „Darf man den Fußball umfunktionieren, um ,nationalen Konsens‘ zu demonstrieren?“

Ist lange her, und mittlerweile herrscht der nationale Konsens, s.o., ja eh; ob „wir“ (Gerd Gottlob, ARD, sic) nachher nun Weltmeister werden oder nicht.

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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: G mir weg

Das ist ja auch so was, was den Kolumnisten auf der Stelle langweilt: das ewige Geharke darum, wie viele Jahre eine(r) brauchen soll, um das Abitur zu kriegen, eine Hochschulreife, die, glaubt man denen, die an den den Unis die Einführungsveranstaltungen halten, längst keine mehr ist. Das beginnt bei der Rechtschreibung und hört bei der verwandten Fähigkeit, einen Text so zu verfassen, daß sich sein Sinn nicht erst beim dritten Lesen erschließt, nicht auf. Daß die Abiturnoten immer besser, die Kenntnisse immer geringer würden, ist neulich durch die Presse gegangen und deckt sich mit dem Befund eines Bologna-Kritikers, das Ziel der Reform seien nicht klügere Menschen, sondern mehr Abschlüsse, und statt sich, wie die Welt, in schlechter Verhohlenheit über die Verpöbelung der Gymnasien zu ärgern („Das geschenkte Abi“), soll man das Pferd nicht von der falschen Seite aufzäumen und sich über Schulen beschweren, die nur das tun, was sie sollen, nämlich auf die Universität vorbereiten. Daß die neuerdings eine Bologna-Universität ist, dafür kann die Schule nichts. (Nicht einmal die Grundschule, wo, liest man, immer häufiger keine Schreibschrift mehr unterrichtet wird: kostet nur Zeit, und wer schreibt schon noch von Hand?)

„Das erspart natürlich Diskussionen, die dann trotzdem stattfinden.“ Béla Réthy, 2014

Darum klingen auch die Klagen über die neuen Schnellgymnasien so schief, denn wo, wie partiell in Hessen, komplett in Niedersachsen, eventuell demnächst in Bayern, zum alten neunjährigen Gymnasium zurückgekehrt wird, ist es auffällig, daß in der Berichterstattung grundsätzlich diese properen Bildungsfamilien auftauchen, die zwar den Schulstreß beklagen, aber nur, weil er keine Zeit mehr für Geige, Reitstunden und Auslandsjahr läßt. Das deutsche Bürgertum, verkommen wie es ist, hat seine feine Witterung fürs Distinktive nicht verloren, und wo heutzutage die Türken schon Abitur machen, muß eben außerschulisch gebolzt werden. Aber nicht auf dem Bolzplatz, sondern im Leistungszentrum.

Besser wird dadurch natürlich nichts, und wer sich über den Stand der Merkelschen Bildungsrepublik informieren will, der schaue ein bißchen Fußball-WM und wundere sich, daß der heutige Sportreporter, trotz Abitur und Studium, selbst einfachste relativische Anschlüsse nicht mehr zustande bringt („das Spiel, was die Deutschen hier aufziehen“) und überhaupt seine liebe Not hat, mal einen Satz ohne Grammatikunfall herauszubringen, oder wenigstens ohne „sensationell“, „insofern“ und „insofern, weil“. (Wer glaubt, das sei nichts Neues: ist es aber. Gegen die neuzeitlichen Fernsehtrilobiten war Faßbender ein höheres Vernunftwesen, von gebildeten Herren wie Eberhard Stanjek nicht zu reden.) Auch die Damen und Herren, die für Peugeot die Prospekte texten, haben Abitur, und lägen diese zeitgenössischen Prosawunder nicht bei meinem Schwiegervater auf dem Küchentisch, ich könnte jetzt seitenweise Pidgin zitieren. Da ist mein Französisch noch besser, und das ist wirklich schlecht.

Das macht aber nichts, die Autos werden ja trotzdem gekauft, und wann immer wer nun Abitur macht, das Niveau ist unverrückbar das der Katrin Göring-Eckardt: „Ich wäre gern Lehrerin geworden … Ich finde es spannend mitzuerleben, wie [Kinder] eigene Werte entwickeln'“ (Zeit). Im Zweifel nämlich, w.z.b.w., sensationell spannende.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, Mey & Edlich,

preist ein sommerlich überteuertes Leinenhemd mit den Worten an: »Stellt bei Hitze keine Fragen.« Und bei Kälte? Wispert es da herbstlich aus der Achsel: »Könnte mal bitte jemand das Fenster schließen?« oder »Warum macht die Knopfleiste nicht einfach ihren Job, die faule Sau?« Wäre für uns das ganze Jahr ein Kaufargument!

Deine Modeflüster/innen von der Titanic

 Gurr-gurr, Limburger/innen!

Im Rahmen eines Bürgerentscheides habt Ihr für das Töten von Tauben in Eurem Stadtgebiet gestimmt. Die Vögel sollen durch Genickbruch abgemurkst werden. Wir wüssten nun noch gerne, ob diese Hinrichtungen öffentlich abgehalten werden. Und können die Moribunden Kirchenasyl in Eurem Dom bekommen? Oder gibt das Bistum dieser Hexenjagd seinen Segen?

Fragt die Rattenfängerin der Lüfte Titanic

 Ey, Unbekannter!

Über Sie schreibt T-Online: »Mann masturbiert vor Frau im Zug«. Wie unhöflich! Noch nie was von »Ladies first« gehört?

Fragt gentlemanlike Ihre Titanic

 Prost und zum Wohl, lieber Lidl!

Rückblickend möchten wir uns noch einmal für Dein schönes Angebot »Freude schenken zum Vatertag« bedanken, bei welchem Du auf acht Plastikflaschen Deines ohnehin schon extrem billigen Perlenbacher Pils aus lauter Herzensgüte einfach eine neunte gratis obendrauf gelegt hast!

Und warum, Lidl? Weil Du ihre Herzen (und Lebern) in- und auswendig kennst und daher weißt: Erst die neunte Flasche ist es, die Männern regelmäßig die unverfälschte, überschäumende Freude bringt!

Nach Diktat vom Bürostuhl gekippt und sogleich eingepennt:

Deine »Jungs« von Titanic

 Lange nichts von Ihnen gehört, Sigmar Gabriel!

In einem Stern-Interview, das mit Ihrem zauberhaften Zitat »Wir müssen Putin den Eisenfuß entgegenstellen« überschrieben war, sagten Sie noch allerlei anderes Zauberhaftes, unter anderem: »Krieg hat immer die Gefahr der Eskalation.«

Da hätten wir aber schon gerne das ein oder andere Beispiel erfahren. Zu was kann Krieg denn eskalieren? Zu diplomatischen Verstimmungen? Gegenseitigen Sanktionen? Peinlichem Anschweigen auf internationalen Kongressen? Sagen Sie’s uns, und vor allem Putin!

Eskaliert sonst vor Aufregung: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Beim Marktstand mit dem schlechten Verkäufer

»Entschuldigung, dürfte ich die zwei Gurken da hinten links haben und drei kleine Äpfel?«

»Nein!«

Laura Brinkmann

 Helmut Kohls Erbe

Endlich beginnen auch in unserem Viertel die Bauarbeiten für den Glasfaseranschluss. Bis es soweit ist, lässt die Leis ung des urzeitlich n Kupfe k bels a l rdi gs m hr de n je z wü sc n übr

Teresa Habild

 Große Schmerzen

Nachdem ich in den letzten Wochen für eine Hausarbeit historische Handschriften aufarbeiten musste, kann ich kleine Schnörkelschriften echt nicht mehr sehen. Ich habe ganz offensichtlich einen Minuskelkater.

Karl Franz

 Unterirdischer Anlagetipp

Viele Vermögende kaufen Gold oder Kunstwerke, um ihren Reichtum gegen Inflation etc. abzusichern. Dabei gäbe es Investments, die wahrlich auf die Ewigkeit verweisen: Reliquien. Reliquien wären Finanzprodukte mit Hand und Fuß, die nicht nur die Überreste der Heiligen, sondern auch das eigene Kapital konservierten. Einen Namen gäbe es auch schon für diese geniale Anlageoption: »Krypta-Währung«.

Jürgen Miedl

 Morning Routine

Obst zum Frühstück ermöglicht einen gesunden Start in den Tag, aber wer keine Lust hat, sich schon morgens in die Küche zu stellen und Früchte zu schnippeln, dem empfehle ich stattdessen Snoozies.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
17.07.2024 Singen, Gems Thomas Gsella
19.07.2024 Hohwacht, Sirenen-Festival Ella Carina Werner
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«