Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Nostalgie schadet nie

Im Frankfurter Zoo, lese ich in einer Frankfurter allgemeinen Zeitung, wird z.Z. das Leben Bernard Grzimeks als „Familiendrama“ verfilmt, „für das die Kostümbildner und Ausstatter so akribisch vorgehen mußten wie für eine historische Dokumentation. Vier Jahrzehnte umspannt die Handlung, die zu Kriegsende einsetzt und mit dem Tod Grzimeks im Jahr 1987 endet. Die Kostümbildner müssen dabei die Mode mehrerer Jahrzehnte berücksichtigen. In einer Szene aus dem Jahr 1973, als der alternde Grzimek nachdenklich durch den Zoo spaziert, tragen beispielsweise die Komparsen, die für den Film ausgewählt wurden, typische Siebziger-Jahre-Mode. Ein junger Mann in knapper Kunstlederjacke und rosafarbenen Schlaghosen macht mit einer altmodischen Spiegelreflexkamera ein Foto von einem Kamel, das Mädchen neben ihm trägt einen akkurat gebundenen Pferdeschwanz und einen schwingenden Rock.“ In der Hauptrolle der unvermeidliche Ulrich Tukur, der nur deshalb in der ebenfalls vom Regisseur Roland Suso Richter in Szene gesetzten, mit vergleichbarem Aufwand hergestellten „Spiegel-Affäre“ (ARD, 7.5.) aussetzen mußte, weil er weder Augstein noch Ahlers noch sonst einem der „Rock'n'Roller des Rudolf Augstein“ (Meedia) ähnelt; und dem Bundesanwalt Buback halt leider auch nicht.

„Alles liegt so weit, so weit. / So schön, schön war die Zeit.“ Freddy Quinn, 1956

Es ging auch so, denn die Übung, einem Massenpublikum (Zeit-)Geschichte als sentimentales Heimatkino anzudienen, gelingt ja längst auch ohne ihn, und im Fall der Spiegel-Affäre nicht einmal schlecht, wenn man die Maßstäbe des Unterhaltungsfernsehens zugrunde legt: die Männer schneidig und lässig rauchend, die Damen im Rock, frisiert und adrett, und die BRD zeigt, unter Augsteins Führung, zum erstenmal die Zähne der Zivilgesellschaft, als die sie sich bis heute feiert. Nichts weiter als selbstverständlich dabei, daß Augstein ein cooler Frauenheld mit Hornbrille ist und nicht ein Deutschnationaler mit Stilschwächen, der in seinem Blatt alte SS-Männer beschäftigt, und daß der Verlagsleiter Becker evtl. bessere Kontakte zum Bundesnachrichtendienst hatte und haben wird, als unabhängigem Journalismus guttut, muß, wer mag, bei Gremliza nachlesen. Daß die Deutschlandkarten, auf denen der topliberale Spiegel 1962 das Kräfteverhältnis zwischen dem aggressiven Osten und dem bedingt abwehrbereiten Westen ausmalt, in den Grenzen von 1937 gehalten sind (DDR = „Sowjetzone“), wird da zur putzigen Reminiszenz an die gute alte Zeit, als die Eltern ihren ersten Käfer fuhren und es mit der Demokratie, wider Halbfaschisten wie Strauß, erst so richtig losging, auch wenn sechs Jahre später noch mal ein alter Nazi Bundeskanzler wurde und, einen Radikalenerlaß und einen deutschen Herbst der inneren Sicherheit später, nicht viel gefehlt hätte, daß der neue Nazi Strauß 1980 Bundeskanzler geworden wäre, angetreten gegen einen Mann, der mit der Erfindung einer „Rüstungslücke“ und als Vater des Nato-Doppelbeschlusses das Reich des bolschewistischen Bösen so totrüsten half, wie es seinem alten Oberbefehlshaber 1941ff nicht gelungen war.

Und während der prototypisch gute Deutsche Tukur-Grzimek familiendramatisch und in akkurater Zeitgarderobe durch das bundesdeutsche Beste aus den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren wandelt, ist ein Gesetz auf dem Weg, das bundesdeutsche Behörden der zehner Jahre ermächtigt, Asylbewerber in Schutzhaft zu nehmen, und werden Maschinengewehre und andere Kleinwaffen im dreistelligen Millionenwert hauptsächlich „in arabische Diktaturen“ (Spiegel online) exportiert. Denn die sind kulturindustriell noch nicht soweit, daß sie die gute alte Zeit auch ohne Waffengewalt als ganz und gar vorbildlich konservieren könnten. 

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Der Esel schweigt

Mag sein, es ist an dieser Stelle in jüngerer Zeit etwas häufig und geradezu leichtfertig von „Faschismus“ die Rede gewesen; aber ich bin ja nicht der einzige, der da so einen Verdacht hat: „Wenn Putin von den Feinden des russischen Volks spricht, denkt er grundsätzlicher, tiefer. Die Mächte, denen er den Kampf angesagt hat, trachten nicht nur danach, ihren Einflußbereich immer weiter nach Osten zu verschieben, sie greifen nach der russischen Seele … ein ideologischer Kampf, den Rußland aus Sicht seines Präsidenten kämpft: gegen die Oberflächlichkeit des Materialismus, gegen den Verfall der Werte, gegen die Verweiblichung und Verweichlichung der Gesellschaft, die mit der Auflösung aller traditionellen Bindungen einhergeht, kurz: gegen alles Unrussische … Putin ist nicht Postkommunist, er ist Postfaschist … Da ist der Körperkult, die pathetische Rhetorik der Selbstbehauptung, die Abwertung des Gegners als verkommen und degeneriert, die Verachtung der Demokratie und des westlichen Parlamentarismus, der übersteigerte Nationalismus … Man hat die Gesetzgebung gegen Homosexuelle in ihrer Bedeutung nicht richtig verstanden, als sie vor einem Jahr auf den Weg gebracht wurde. Heute sieht man, daß sich hier zum ersten Mal das neue Rußland zu erkennen gab … lupenreiner Faschismus.“

Nun müßte man sagen, der Jan Fleischhauer, der dem freiheitlich-demokratischen Affen hier auf Spiegel online Zucker gibt, hat ganz recht, wenn er nicht auf eine Weise halb recht recht hätte, die ihn schon wieder unrecht haben läßt, und nicht nur dann, wenn er sich zwischen „Faschist“ und „Postfaschist“ nicht entscheiden kann und einen Nationalismus insinuiert, der als nicht übersteigerter etwa vorstellbar wäre. Wer sich vor einem Vierteljahrhundert über die Implosion der Zweiten Welt, Putins vielzitierte Jahrhundertkatastrophe, so diebisch (sic) gefreut hat, soll jetzt nicht Überraschung heucheln, daß aus der UdSSR keine USA geworden ist (wofür die sich auch bedankt hätte), sondern eben jenes ewige Schwellenland, das sich gegen die ausbeutende Eine (ehemals: Erste) Welt nur mit autoritären Mitteln wehren zu können glaubt. Diesen klerikal grundierten, nationalistisch angemalten, intoleranten Kommandokapitalismus kann eins leicht faschistisch nennen, wenn man, in guter deutscher und westlicher Tradition, dessen defensiven Charakter ausblendet, wie sich auch nie wer die Frage stellt, ob der Stalinsche Kriegskommunismus ohne Krieg – erst den kalten des Westens, dann den heißen der Deutschen – einer hätte zu werden brauchen.

„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ Horkheimer, 1939

Wer über russischen Faschismus und dessen antimaterialistisch-volksgemeinschaftliche Sendung spricht, der darf über den gleichfalls recht körperkultigen Kapitalismus westlicher Machart, dem die asymmetrische Verteilung seiner materiellen und ideellen Wohltaten eingeschrieben ist und der grad hierzulande neuerdings immerfort „wir“ sagt, allerdings nicht schweigen: „Bei den Freiheitsfeinden am rechten Rand haben sie die Witterung sehr viel früher aufgenommen. Hier hat man sofort verstanden, daß in Putin jemand zu Europa spricht, der ihre Zwangsvorstellungen und Ressentiments teilt. Putin revanchiert sich bei seinen Bewunderern, indem er sie als Verwandte im Geist anerkennt. ,Was das Überdenken von Werten angeht, sehen wir in Europa denselben Prozeß‘, sagte er in seinem Fernsehauftritt am vergangenen Donnerstag und verwies auf den ,Sieg von Viktor Orban in Ungarn‘, den ,Erfolg von Marine Le Pen in Frankreich‘.“ Und wieder unterschlägt der Fleischhauer (er wird dafür bezahlt), wo diese Faschismen wurzeln: Nicht in irgendeinem isolierten, korrupten, von Wirrköpfen bevölkerten Freiheitsfeindesland der Ewiggestrigen, sondern da, wo die Freiheit strukturell eine „Freiheit zur Feindschaft“ (Karl Kraus) ist und die Ressentiments der Depravierten (und zu Depravierenden) nur darauf warten, daß sie ein Orban, eine Le Pen oder ein Pirinçci kitzelt, dessen schwulen-, frauen- und ausländerfeindliche Tiraden im so wunderbar antifaschistischen Deutschland denselben reißenden Absatz finden wie die nazistischen Heimatfilmschnulzen, in denen Flugkapitäne, Karrierefrauen und andere heimatlose Figuren nach 90 Minuten auf die Scholle zurückfinden. Und man nimmt die „populistischen“ (SZ) Langohren nicht in Schutz, wenn man den liberalen Esel anzeigt, den von seiner Verwandtschaft nicht mehr trennt als die bessere Exportbilanz.

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Rasant, rasant? Nee: Asylant

Alles, was in diesem Land geschieht, geschieht für die gesellschaftliche Mitte. Stimmt nicht? Muß aber stimmen, wenn sich gleich zwei Einlassungen in der faz.net-Kommentarleiste für den kleinen Mann (in Gestalt des deutschen Autofahrers) in die Bresche werfen; und nämlich wider die erwogene Straßenreparaturabgabe: „Man wird den Eindruck nicht los, daß hier eine Einnahmequelle geschaffen werden soll, die früher oder später Lust auf mehr weckt. (…) Den deutschen Autofahrern ist schließlich versprochen worden, daß sie über die üppigen Abgaben und Steuern hinaus, die sie schon leisten, nicht noch mehr belastet werden sollen“, insistiert Jasper v. Altenbockum, und die unverwüstliche Heike Göbel sekundiert: „Doch Albig weiß auch, daß er mit Zuspruch rechnen kann für den Befund, die Reparatur der kaputten Verkehrswege erfordere mehr Geld als bisher vorgesehen. Wenn dem so ist, lautet der naheliegende Schluß freilich nicht, die Abgaben – unter welch klingendem Namen auch immer – noch weiter zu erhöhen. Naheliegender wäre es, die rekordverdächtig steigenden Steuereinnahmen stärker zur Sanierung der Infrastruktur zu nutzen, die Ausgaben anderswo also entsprechend zu kürzen.“

Dies von einer, die vor Jahren den Entschluß des Handyherstellers Nokia begrüßte, sein hochsubventioniertes Werk in Bochum, nachdem genügend hochsubventionierte Gewinne eingefahren waren, zu schließen, weil derlei nämlich im „Interesse des Kunden“ sei, und jenes von einem, der so aussieht, als habe er noch nie im Leben Schlange gestanden. Und trotzdem wird das zentrale Ressentiment des brav steuerzahlenden Staatsbürgers mit leichter Hand bedient: daß er nach Strich und Faden abgezockt werde und daß von seinem schönen Geld nur irgendwelche „Ausgaben anderswo“, nämlich „Sozialausgaben“ (Altenbockum) finanziert würden, die übrigens „deftig gestiegen“ (ders.) seien. Im Sub- bzw. Klartext: Erst muß ich Pöbel und Faulenzer mästen, und jetzt soll ich auch noch Schlaglöcher flicken helfen?

Die Münchner Kollegen können es, am selben Tag, nicht schlechter: „Mindestlohn treibt die Preise“ lautet die Printtitelschlagzeile, weil sich das Kilo Spargel absehbarerweise um „20 bis 50 Cent“ verteuern und auch der höhere Lohn für Taxifahrer und Friseurinnen die Kundschaft erreichen wird. Nachdem der niedere Instinkt bedient ist – Preistreiber Mindestlohn –, kann derselbe Redakteur, man ist ja linksliberal, drei Seiten später die Stühle wieder geraderücken: „Die große Mehrheit hält die 8,50 Euro für eine gute Sache. Da wäre es nur konsequent, nicht nur fürs Auto oder den Urlaub, sondern auch für Lebensmittel ein bißchen mehr auszugeben.“ Oder den Friseur, der am unteren Rand für zehn Euro/Haarschnitt operiert und der doch eigentlich im selben Boot sitzt wie der automobile, enragierte Leser, der bei der Netz-Rundschau die „sozialen Wohltaten“ höhnisch in Anführungszeichen setzt, weil er nicht gelernt hat, sie um „Arbeitgeber“ zu setzen.

„Mehr Unrecht in der Welt, weil es eine Presse gibt, die es erlogen hat und die es beklagt!“ Kraus, 1914

Die 100 Euro, die der Albig fürs Straßenwesen eintreiben will, verjubelt der Qualitätszeitungsredakteur an einem gewöhnlichen Abend beim Italiener, und das Geld, das ihm der Verlag für den Biospargelkauf überweist, erhält er dafür, den Kleinbürger, dessen zeitgenössische Synonyme „Steuerzahler“ und „Autofahrer“ sind, bei der freiheitlich demokratischen Stange zu halten. Denn ohne ihn läuft der Laden nicht, und er muß nicht wissen, wo der Feind steht (nämlich seit Tucholskys und noch älteren Zeiten unverändert rechts), sondern bloß, wie er aussieht: etwa wie ein rumänischer Spargelstecher mit Lust auf mehr samt seinen politischen Sachwaltern. Selbst wenn bürgerlicher Journalismus nicht bereits strukturell Propaganda wäre, so wäre er's jedenfalls da, wo er für die kleine Frau Partei ergreift, indem er deren Ressentiment als begründet spiegelt, damit es nur nicht jene treffe, die es verantworten und ausbeuten. Und auch wenn wir mit dem Etikett „faschistisch“ gern haushalten wollen: leicht machen's uns die Kollegen (m/w) nicht.

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Ostersonntagsfrühstück: Nimm mich

Daß alles immer besser wird, predige ich ja wochein, wochaus, und siehe, ich habe recht: Das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen berichtet, daß nur mehr jede zwölfte Frau, die nach einer Vergewaltigung zur Polizei geht, eine Verurteilung des Täters erlebt; vor 20 Jahren war es noch jede fünfte. Was ja auch schon nicht die Welt gewesen ist; aber acht Prozent? Von denen wohlgemerkt, die überhaupt erst einmal zur Polizei gehen?

Erklärt wird das u.a. damit, daß, seit Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist, der Quotient aus Verurteilungen und Anzeigen sinkt, weil sich mehr anzeigen als beweisen läßt. Springt ein fremder Täter aus dem Busch, ist mit dem Argument, die Dame habe das doch so gewollt, vor Gericht weniger auszurichten, als wenn der Ehemann auf Vollzug bestanden hat und vor Gericht Aussage auf Aussage trifft. (Die verrückte Lehrerin aus dem Hessischen, die mit einer allerhöchstwahrscheinlich frei erfundenen Vergewaltigung einen Kollegen fünf Jahre in den Kahn gebracht hat, hat nicht nur dessen Leben ruiniert, sie hat auch ungezählten Frauen einen Bärinnendienst erwiesen.) Es darf trotzdem festgehalten werden, daß Vergewaltigungen – zumal in den (von der Studie nicht genannten) Bundesländern, in denen die Verurteilungsquote sogar nur bei vier Prozent liegt – so gut wie faktisch straffrei geworden sind.

„Weil nun … die Menschen sich in dem Zustand des Krieges aller gegen alle befinden und jedweder sich der Leitung seiner eigenen Vernunft überläßt … : so folgt, daß im Naturzustand alle ein Recht auf alles, die Menschen selbst nicht ausgenommen, besitzen.“ Hobbes, 1651

Was daran der Gesetzeslage bzw. „Strafbarkeitslücken“ geschuldet ist, mögen die Fachleute klären; wir Gesellschaftsklimaforscher wollen hier lediglich und noch einmal die volle Fahrt in den emanzipatorischen Rollback verzeichnen, die zum Beispiel in Münchner U-Bahnhöfen Gestalt gewinnt, wo von drei Reklameplakaten, nebeneinander hängend, zwei unverblümt sexistisch sind: Eine Zweitkläßlerin in rosa Tüll wirbt für einen neuen (seinerseits natürlich prima misogynen) „Frauensender“, und drei junge Damen im Dirndl, denen irgendein dummer Agenturschwanz Senf an den Mund hat spritzen lassen, sind „scharf und süß“. Mag sein, daß mehr Frauen studieren (und zwar mit dem besseren Abitur), aber eine studierte, sogar promovierte Mutter aus der Nachbarschaft klagt, daß sie mit dem Töchterchen in die Jungsabteilung muß, wenn sie irgendwas kaufen will, das nicht rosa ist. Unter den aggressiv-regressiven Bedingungen der Zeit herrscht Gleichberechtigung allenfalls da, wo Frauen für den Mehrwert gebraucht werden, wobei es keine neue Erfahrung ist, daß Frauen sich jederzeit zur Verfügung zu halten haben; weshalb die Vereinbarkeit von Beruf und Karriere etwas ist, was Frauen zu kümmern hat, nicht Männer. 

Eier, wir brauchen Eier!“ Oliver Kahn, 2003

Es gibt keinen Grund anzunehmen, die gesamtgesellschaftliche Tendenz zum Arretierten, hermetisch Selbstunbewußten, offen Reaktionären als dem Gegenteil von welcher Emanzipation auch immer (auch die Homo-Ehe, sosehr man sie begrüßen mag, ist ja nur dann emanzipativ, wenn man das zutiefst Traditionelle und Konforme von Ehe und Familie ausblendet) wie die unwiderstehliche Gewalt der ubiquitären Ökonomisierung ließen das Verhältnis von Mann und Frau unberührt: Wer etwas will, der muß es sich nehmen, und wo Zivilisation war, herrsche das Recht des Stärkeren. Warum sollen Gerichte verurteilen, was die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft doch fordert? Und was sagt es über den Laden, wenn sich für Gewalt, die Frauen angetan wird, die Frauen schämen?

Eigenwerbung: Am nächsten Freitag liest der Autor im Berlin-Neuköllner Laidak aus dem mit Jürgen Roth verfaßten rüpelkritischen Kultpamphlet „Benehmt Euch!“ (19.30 Uhr).   

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Privatnützig

Ich bin gern in München, weil Freunde hier wohnen, das Augustiner-Bier sehr bekömmlich ist und im Millionendorf insgesamt eine urban abgefederte „Gemütlichkeit“ (Polt) herrscht, in der man die Übersicht wahren kann, ohne daß es dafür einen Kiez bräuchte. Eine Großstadt, keine Metropole; schee. Andererseits dauert es nach dem Verlassen des Intercity keine fünf Minuten, bis einem diese spezifische Münchner Hackfresse über den Weg läuft, die nah an dem west, was in Österreich unter „Feschismus“ verhandelt wird, dieser haiderhaften Mischung aus Bergsteigen, Busineß, Bussibussi und Brutalität samt einer Leutseligkeit, die sehr gut ohne die Leut' auskommt, und da sind wir beim Thema.

In Haidhausen, einem teuren, schwungvoll durchgentrifizierten Stadtviertel, ist nämlich gebaut worden, allerdings nicht für Klempner, Krankenschwestern und andere Stützen der Gesellschaft, sondern für Geländewagenfahrer, deren Funktionsbekleidung nicht von Jack Wolfskin, sondern Moncler stammt, mehrgeschossige, blaßgelbe, sanft altbauzitierende Wohnstätten für den solventen Kunden, der für einen Platz in der Kita nebenan, in der man unter sich ist, ohne weiteres 600 Euro im Monat ausgeben kann. Eine Mietpreisbremse braucht's hier schon deshalb nicht, weil man annehmen darf, es handele sich um Eigentum. Es wäre, falls nicht, aber auch ganz wurscht.

Die Verächter kontrollierter, gedeckelter Mietpreise (in der FAZ und anderswo) sagen, derlei sei ein unzulässiger Eingriff in die freie Preisgestaltung als Kern der freien Marktwirtschaft, denn nichts indiziere Knappheiten so akkurat wie der Preis: Was knapp sei, sei teuer, und was teuer sei, lohne sich, also sei die Knappheit bald behoben, und zu solch akkurater Selbststeuerung sei eine Planwirtschaft nun einmal per se nicht in der Lage. Was am warmen Redaktionsschreibtisch völlig einleuchtend klingt, funktioniert aber nur so lange, wie es nicht mehrerlei Sorten Knappheit gibt, nämlich lukrative und nicht so lukrative, und unter der Voraussetzung, Wohnraum sei in einer Stadt wie München im Grundsatz knapp, hat ein Investor die Wahl: Er baut Wohnungen für Leute mit Geld oder für Leute ohne Geld, und man muß nicht BWL studiert haben, um die Entscheidung zu verstehen, die er in München-Haidhausen, der Hamburger Hafencity oder auf dem Areal, das durch Stuttgart 21 oberirdisch frei werden wird, getroffen hat.     

„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ Wittgenstein, 1918

Privater Wohnungsbau orientiert sich, wie auch nicht, an der Möglichkeit, Profite zu erwirtschaften, und mit bezahlbaren Wohnungen für die Intensivpfleger, die an dem Klinikum, an dem eine befreundete Münchner Ärztin arbeitet, 1400 Euro netto verdienen (im Haus derselben Freundin, das nicht einmal im In-Viertel liegt, werden z.Z. 60-Quadratmeter-Wohnungen für knapp 1000 Euro gehandelt), ist das nicht drin, oder wenigstens nicht so sehr wie mit den sonnendurchfluteten Wohnträumen für die Erben und Akkumulationsruinen, die mit ihren Porsches und Range Rovers die Maximilianstraße säumen. Was der Staat oder die Wohnungsbaugenossenschaft nicht baut für die, die 16 Euro für den Quadratmeter schlicht nicht haben, baut keiner, und es spricht durchaus für die Verhältnisse, daß die ehedem gemeinnützige bayerische GBW, wie mich die Abendzeitung informiert, noch einmal 4500 Wohnungen an privat veräußern wird, nachdem im Mai 2013 bereits „knapp 32 000 Wohnungen der GBW von der Bayerischen Landesbank an eine private Investorengruppe um die Augsburger Patrizia AG" verkauft worden waren. „Die GBW galt mal als sehr sozialer Vermieter“ (AZ), aber da war sie noch gemeinnützig. Jetzt ist sie privat und also nicht mehr sozial, denn privat ist das Gegenteil von gemeinnützig. Schon begrifflich.

Da sollte jetzt sogar einem von der Jungen Union mal irgend etwas auffallen.

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Unvorstellbar

Ich mag die Bild nicht lesen, manchmal aber eben doch, denn es gibt die Kopie, und es gibt das Original: „Schluß mit Roaming-Abzocke“, „Die russische Regierung ist massiv verstimmt“, „Sibel Kekili, die frühere Porno-Darstellerin“, die es sowenig mehr ist wie Michaela Schaffrath, es aber auf dem Boulevard ebenso ein Leben lang bleiben wird. Und daß es in Bonn noch Ministerien gibt, wo man doch eine so tolle Hauptstadt hat und die ständigen Dienstreisen im laufenden Jahr die phantastische Summe von 7,7 Millionen Euro verschlingen (um diese Summe wächst die deutsche Staatschuld in nicht einmal fünf Stunden), geht natürlich gar nicht: „Wie ein besonders drolliger Ausdruck dieser Stimmungslage“, nämlich der von damals, als die Splitting-Entscheidung fiel, „mutet im Rückblick an, daß ernsthaft gestritten wurde, ob Berlin Sitz von Regierung und Parlament werden sollte. Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus; heute wäre das unvorstellbar.“

„Wir spielen immer nur dasselbe  / Wir spielen immer nur dasselbe / Du sagst das wär zwar nicht das Gelbe / Doch wir spiel'n immer nur dasselbe / Und wenn wir damit fertig sind / Dann spiel'n wir's gleich noch mal von vorn // Bei anderen Gruppen, da wechselt der Schlagzeuger manchmal den Takt / Das gibt's bei uns nicht / Das wär' für uns ein viel zu großer Akt“ Rodgau Monotones, 1988

Denn heute sind wir weiter, und was damals noch erst anfing: die Liebe zum Vaterland und seinen Symbolen, steht heute, „25 Jahre nach dem Fall der Mauer“, in voller Blüte. Natürlich war der Entschluß, das Parlament nach Berlin zu verlegen, einen Teil der Regierung aber in Bonn zu lassen, ein verdruckstes Zugeständnis an alle, die in Bad Godesberg ihr Häuschen gebaut hatten, aber es war auch ein letzter Vorbehalt gegenüber dem Großen, Zentralen, darin notwendig Autoritären, insgesamt: Nationalen. „Mit dem Namen Bonn“, warb der Bonner Blüm für den Nicht-Umzug, „verbindet sich der längste freiheitliche und friedliche Zeitabschnitt unserer Geschichte“, und was sich, militärpolitisch gesprochen, mit dem Namen Berlin verbindet, muß hier nicht noch mal ausgeführt werden. „Es geht heute nicht um Bonn oder Berlin“, hielt derselbe Wolfgang Schäuble, der 23 Jahre später den russischen Staatspräsidenten mit Hitler vergleichen würde, dagegen, „sondern es geht um unser aller Zukunft, um unsere Zukunft in unserem vereinten Deutschland, das seine innere Einheit erst noch finden muß, und um unsere Zukunft in einem Europa, das seine Einheit verwirklichen muß, wenn es seiner Verantwortung für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit gerecht werden will.“ Die Verantwortung für den Frieden hat längst der Kriegshetzer Gauck übernommen, „soziale Gerechtigkeit“ bedeutet praktisch gar nichts mehr und „Freiheit“ unterm Banner von Minijob und Leiharbeit bloß die Freiheit, zu sehen wo man bleibt. Die Einheit Europas, immerhin, ist verwirklicht, als antikommunistisch-antirussische unter deutscher Führung, während der deutsche Bürger Sarrazin liest und das Geld, das die deutsche Exportwirtschaft Europa abpreßt, in Manufactum-Gartenmöbel, Kleinkind-Weltreisen oder ähnlich hilflose Selbstverwirklichungsversuche stopft.

Damals war das vielleicht nicht unvorstellbar, aber die „Stimmungslage“ noch längst nicht so „massiv“ geschlossen wie heute, wo die Leut', von derlei Orwellschem Knalldummdeutsch beharkt, schon gar keine Worte mehr haben für das, was ihnen falsch vorkommen könnte. Daß es so kam und daß es so bleibe, dafür sorgte und sorgt der Boulevard, der längst nicht mehr nur Bild heißt. Sondern, man hat's geahnt, auch Süddeutsche Zeitung.

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Nach Jahr und Tag

Es sagt viel, womöglich alles über die neue Zeit, daß Lego-Figuren, in meiner Kindheit noch selbstverständlich geschlechtsneutral, heute als lockenköpfige „Lego Friends“ mit Minirock und Einkaufstasche ein Jahrhundert der Emanzipation zu jenem Teufel schicken, der in den pinkfarbenen Regalmetern der Spielzeugabteilungen haust und per Spielzeugbügeleisen und Plastik-Dampfkochtopf unsere famos durchlässige Leistungseselgesellschaft als eine ausweist, die will, daß Frauen wissen, was zu tun ist, sollte die gesamtwirtschaftliche Lage gerade nicht genügend Karriereposten für beide Geschlechter bereithalten. Und es ist auch hier der Markt, der mit feinem Gespür für die allgemeine Ressentimentlage die Leute da abholt, wo zu stehen ihnen die Herrschaft anweist.

Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bzw. ihrer „Frankfurter Anthologie“ springt mir ein Gedicht entgegen („Nach Jahr und Tag“), das die vom seligen Reich-Ranicki protegierte, dabei kurios untalentierte Ulla Hahn verfaßt und auch gleich kommentiert hat: „Ein Waggon fährt vorbei / Er hat Kohle geladen // Männer links Frauen rechts / Zu den Kabinen im Freibad // Schuhe liegen auf einem Haufen / Im Sommerschlußverkauf // Haare werden geschnitten / Zu einer neuen Frisur // Menschen gehen ins Bad / Zum Baden // Ein Feuer brennt / Es wärmt // Rauch steigt auf / Eine Kerze verlischt“, fabelhafter Auschwitz-Kitsch mithin, zu dem der Dichterin die passend perfiden und immerhin ebenso hilflos formulierten Blödheiten eingefallen sind: „Was damals geschah, schlägt einem die Wörter in die Kehle zurück – und doch. Auch mit unserer kleinen Sprache müssen wir versuchen, das Un-Faßbare in Worte zu fassen.“ Denn der Zweck, Millionen Ermordete mit den Mitteln des Kunsthandwerks für die nationale Lesebuchkultur in Dienst zu nehmen, heiligt noch die sprachlichen Mittel, die nicht und nicht zur Verfügung stehen („Wörter, aus dem Rasseln der Waggons geformt“ – so strukturell unmöglich klingt's dann auch).

Enthalten ist, informiert uns die bibliographische Angabe, das Artefakt nicht nur in Hahns „Gesammelten Gedichten“ (877 S.!), sondern auch in dem bei Reclam erschienenen Band „Spring ich durch den Feuerreifen. Lyrik für Mädchen“, und wo es schon nicht einleuchten will, daß es in Jungsbüchern um Fußball, in Mädchenbüchern um Pferde gehen muß, ist „Lyrik für Mädchen“ die ungleich gröbere Verlade: denn Lyrik ist nicht männlich oder weiblich, sondern Kunst oder nicht, und wenn wir dem Titel des Bandes trauen, dann wird, in früher zielgruppendynamischer Konditionierung, jungen Leserinnen gefühliges Frauenpower- und Betroffenheitsverswerk als ihnen gemäßes angedreht, statt Gedichte nach ihrer Tauglichkeit für Jugendliche beiderlei Geschlechts auszusuchen. Wenn die Jungs dann trotzdem lieber Fußball spielen, selber schuld.

„Solange ihre Bücher einer sogenannten Frauenliteratur und nicht der Literatur zugeordnet werden, solange sie nicht nach den üblichen kritischen Normen und ästhetischen Kriterien, sondern im Hinblick auf das bewertet werden, was von Männern als weiblich betrachtet wird, fühlen [Frauen] sich aufgrund ihrer biologischen Merkmale in ein Ghetto gedrängt, wo sie nicht anerkannt, sondern lediglich geduldet werden.“ Gisela Elsner, 1983

Es versteht sich, daß der Band von zwei wohlmeinenden Damen erstellt worden ist, deren engagiert-blinde Gender-Betulichkeit sich tautologisch im Klischee verhakt: Denn wo Mädchen sowieso mehr lesen als Jungs, dient „Lyrik für Mädchen“ nicht einer Förderung, die es nicht braucht, sondern der Stigmatisierung „weiblicher“ Lyrik und ihrer reibungslosen Überweisung an weibliche Empfänger, was so stereotyp und reaktionär ist wie Spielfiguren mit Lockenkopf und Einkaufstasche.
Im übrigen liest und hört man in adoleszenten Jahren genügend Unsinn; da muß es nicht auch noch Ulla Hahn sein.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Salām, »GMX«!

»Irans Präsident wird vermisst: Wer ist Ebrahim Raisi?« fragst Du, weswegen wiederum wir uns fragen: Wenn man nicht so richtig weiß, wer er ist, kann er dann überhaupt wirklich vermisst werden?

Sind bereit, mit dieser Pointe abzustürzen:

Deine Humorbruchpilot/innen von Titanic

 Recht hast Du, Influencerin Tina Ruthe!

»Das hat einfach niemand verdient.« Mit diesem Satz kommentiertest Du in Deiner Insta-Story ein Bild, das ein brennendes Geflüchtetenlager in Rafah zeigte, und setztest noch ein Herz-Emoji dazu. Da können wir Dir nur zustimmen: Es hat wirklich niemand verdient, der gerade in einem Kriegsgebiet um sein Leben fürchten muss, als Content einer Influencerin herzuhalten und damit die Reichweite der kurz darauf geposteten Rabattcodes für die Shoppingbag in Leo-Optik zu pushen.

Stellt fest:

Deine Menschenrechtskommission von Titanic

 Los, los, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)!

In einer ersten Reaktion auf das berüchtigte Sylt-Gesangsvideo sagten Sie: »Wer Nazi-Parolen wie ›Deutschland den Deutschen – Ausländer raus‹ grölt, ist eine Schande für Deutschland.«

Da es für uns alle aber nichts Wichtigeres gibt, als Schande von Deutschland fernzuhalten, sollten Sie unbedingt versuchen, mit diesen im Grunde netten jungen Leuten ins Gespräch zu kommen, damit sie zusammen mit Ihrer Regierung und der oppositionellen CDU demokratische Parolen grölen wie: »Die Integrationsfähigkeit des Landes darf nicht weiter überstrapaziert werden!«

Bitte keinesfalls zögern und zaudern, sondern sofort in die Tat umsetzen, damit den echten, den bösen Nazis endlich das Wasser abgegraben wird!

Rät ganz tief unten aus der Mitte der Gesellschaft: Titanic

 Die Frage, »Spiegel«,

»Wer ist Nemo?«, die Du im Anschluss an den Eurovision Song Contest auf einem Sharepic verbreitetest, können wir Dir beantworten: ein Niemand.

Also kümmere Dich nicht weiter drum, rät Dir

Deine Titanic

 Kinky, Senckenberg-Museum Frankfurt!

In Sachen Außenwerbung wolltest Du offenbar ganz am Puls der Zeit sein. Deshalb orientiertest Du Dich an Kampagnen wie der von diesem Start-up, das seine pfandfreien Mehrwegbehälter mit dem Slogan »Bowljob for free« anpreist – ein freches Wortspiel für Sex- und Porno-Fans!

Auf Deinem Plakat sehen wir das Bild eines Tintenfisches vor schwarzem Hintergrund, dazu den Text »Wilder Kalmar wartet im Darkroom«. Ha! Der augenzwinkernde Hinweis auf anonymen Gruppensex ist uns nicht entgangen, Senckenberg!

Aber warum da aufhören? Wann sehen wir Slogans wie »Doktorfisch will Dich untersuchen«, »Ausgestopfter Affe wartet auf der Sexschaukel« oder »Orchidee erblüht im Garten der Lüste«?

Schon ganz geil auf die Natur: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit »Hinduismus«

Absprachen zur Kindbetreuung,
manchmal sind sie Schall und Rauch bloß.
Beide in der Hand die Klinke:
»Wo willst hin du? Is mus auch los!«

Wieland Schwanebeck

 Offene Fragen

Wenn man älter wird – also nicht mehr jung, aber noch nicht tot ist –, fängt man unweigerlich an, sich Gedanken über die noch offenen Fragen im Leben zu machen. Eine meiner: Was hat es mit dem Lied auf sich, das mir in meiner bedauerlicherweise in der Pfalz verbrachten Kindheit und Jugend immer wieder begegnet ist? Vorgetragen von Alkoholisierten verschiedenen Alters: »Wichs am Bee, wichs am Bee / Fasnacht is schon lang nimee« – zur Melodie des Narhallamarsches. Neben dem faszinierenden, aber eher unwichtigen Umstand, dass es im Pfälzischen möglich ist, »nicht mehr« auf »Bein« zu reimen, treibt mich die Frage um: Was genau bedeutet das: »Wichs am Bee, wichs am Bee / Fasnacht is schon lang nimee«? Liege ich richtig in der Annahme, dass der Autor dieses Liedes bedauert, sich selbst befriedigen zu müssen, weil die Fastnacht vorüber ist und – vermutlich – nicht mehr genug vom Alkohol derangierte Menschen verfügbar sind, um Sexualpartner abzugeben? Und wenn das so ist: Warum singen das so viele Leute nach? Ist das etwas, das vielen Pfälzer Männern so geht? Warum schaffen es pfälzische Männer außerhalb der Fastnacht nicht, Geschlechtsverkehr zu haben? Gut, am absolut sexualfeindlichen Dialekt könnte es liegen. Aber selbst dann bleibt die Frage: Warum wichst sich der Pfälzer aufs Bein? Um dann die Abwesenheit der sexbringenden Fastnacht zu beklagen – in Form der Fastnachtsmelodie schlechthin?

Man sieht: Es sind noch genug Fragen offen, dass wir nicht sterben müssen. Bitte beantworte sie niemand!

Tim Wolff

 Im Rahmen

meiner Arbeit als Psychiater musste ich einmal eine Dame untersuchen, die leider dement, aber dennoch sehr feinsinnig und geistreich war. Ich überprüfte standardmäßig die örtliche Orientierung und fragte, in welchem Land wir seien. Sie spekulierte, es könne Island sein, musste aber einräumen, dass sie es nicht wisse. »Kennen Sie denn die Stadt?« versuchte ich es mit der nächstkleineren Kategorie.

Da schaute sie mich an und sagte: »Hören Sie mal, junger Mann, wenn ich noch nicht mal weiß, in welchem Land wir uns befinden, werde ich die Stadt ja wohl erst recht nicht wissen!«

Robert Friedrich von Cube

 Helmut Kohls Erbe

Endlich beginnen auch in unserem Viertel die Bauarbeiten für den Glasfaseranschluss. Bis es soweit ist, lässt die Leis ung des urzeitlich n Kupfe k bels a l rdi gs m hr de n je z wü sc n übr

Teresa Habild

 Unterirdischer Anlagetipp

Viele Vermögende kaufen Gold oder Kunstwerke, um ihren Reichtum gegen Inflation etc. abzusichern. Dabei gäbe es Investments, die wahrlich auf die Ewigkeit verweisen: Reliquien. Reliquien wären Finanzprodukte mit Hand und Fuß, die nicht nur die Überreste der Heiligen, sondern auch das eigene Kapital konservierten. Einen Namen gäbe es auch schon für diese geniale Anlageoption: »Krypta-Währung«.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
17.07.2024 Singen, Gems Thomas Gsella
19.07.2024 Hohwacht, Sirenen-Festival Ella Carina Werner
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«