Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Inside TITANIC (31)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Torsten Gaitzsch über die Duplizität der Ereignisse.

Meinen letzten richtigen Lach-Erfolg auf dieser unserer Netzseite hatte ich mit einem derben Toilettenwitz, weswegen auch die heutige (Scheiß-)Hauskolumne mit einem WC-Gag beginnen soll. Bleiben Sie dran!

Am vorletzten Montag kam ich nach dem Post-Konferenz-Gelage spät nach Hause und musste feststellen, dass sich die Klobrille in meinem Badezimmer (da steht das Klo) gelockert hatte, so dass ich die sie fixierenden Schrauben festzurren musste – eine tolle nächtliche Beschäftigung, zumal wenn man halb trunken ist. "Und wo ist jetzt der Gag?" fragen Sie? Hier: Einen Tag später suchte ich eines der drei Klos in unserer Redaktion auf, um festzustellen, dass dessen Brille ebenfalls locker war! What are the odds? Hier verzichtete ich natürlich darauf, handwerklich tätig zu werden; bin ich denn der Himbeer-Toni?!

Von dieser unheimlichen Parallele berichte ich, weil sie nicht die einzige geblieben ist. Die Mine eines meiner privaten Lieblingskugelschreiber ging mitten beim Kreuzworträtselausfüllen alle-alle; zur selben Zeit (2020) trocknete ein Arbeitskuli (meine Waffe!) einfach so aus. Vor einigen Wochen hatte ich Probleme mit dem heimischen Laptop; unterdessen hebt mein Dienst-Macbook mindestens zweimal täglich die Hufe, friert spontan ein, während ich meine Tex ...

Verzeihung, da bin ich wieder. Woran also liegt's? Man kennt ja Geschichten von poltergeistgeplagten Familien, die selbst nach einem Umzug in eine andere Stadt fortgesetzt von bösem Spuk heimgesucht werden. Ich vermute hingegen, dass hier Kommissar Zufall am Werk war bzw. ist. Denn bei der Häufung von Kuddelmuddel und Malheur in den TITANIC-Räumen – undichte Fenster, tropfende Wasserhähne, durchsuppende Deckenplatten, bizzelnde Mikrowellen, explodierte Spezi-Flaschen im Eisschrank, Nager in den Zwischenwänden – braucht es wahrlich keinen Hausgeist, um einen Klosettsitz instabil werden zu lassen.

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

TITANIC Meinung: Dummheit und Scholz

von Michael Ziegelwagner

Polit-Deutschland rotiert. Früher als erwartet ist die Katze aus dem Haus und geht uns auf den Sack: Olaf Scholz, der uncharismatische Kommisskopf aus Hamburg, der eiskalte Finanzclown mit dem Herz aus Geld, der Deus cum-ex machina der SPD, führt seine Partei in die nächste Bundestagswahl. Was noch vor drei Jahren, zu Schulz-Zeiten, wie ein dummer Schreibfehler gewirkt hätte, der uns ein U für ein O vormachen möchte ("Ulaf"), ist nun bittersüße Realität. Kanzlerkandidat Scholz. Wie konnte es soweit kommen?

Experten wie ich sind längst im Bilde. Denn die Antwort, warum es Scholz und kein anderer werden musste, ist simple Mathematik. Bzw. simples Alphabet: Seit 26 Jahren sucht die SPD ihr Heil darin, immer und immer wieder Männer mit einem S vornedran zu nominieren – Scharping, Schröder, wieder Schröder, nochmals Schröder, Steinbrück und Steinmeier, Schulz und Scholz. Das habe ich bereits 2017 in einer vielbeachteten Analyse nachgewiesen, die Sie jetzt noch einmal aufmerksam lesen und sich auf der Hirnrinde zergehen lassen können.

Die Wahrheit ist: Aus dem S-Dilemma gibt es keinen Ausweg. Die lähmende Angst, sich für den falschen Buchstaben zu entscheiden, sitzt der Sozialdemokratie bis in alle Ewigkeit tief im Nacken. Und es wird immer schlimmer. Ein Blick zurück: Mit Schröder lief es anfangs gut, danach passabel, beim dritten Mal so lala – warum das Erfolgsrezept ändern? Entsprechend strukturkonservativ die Entscheidung, den glücklosen Steinmeier (2009) im nächsten Anlauf durch einen anderen, ähnlich klingenden Steintypen zu ersetzen (2013). Jetzt, da es eigentlich das Jahrhunderttrauma Schulz (20,5%) zu verarbeiten gälte, scheint das Risiko, ganze Silben auszutauschen, zu groß: Nur ein winziger Vokalwechsel durfte es sein. Nächtelang tagten die Gremien, um bei Tag zu nächtigen; erwogen Schülz, Schalz und Schælz und ersetzten am Ende das mutlos unmusische U durch ein stolz strotzendes O. Ottos Mops kotzt formlos: "No-go."

Ist damit der Drops gelotscht? Mal langsam. Scholzens Chancen sind tadellos, ja nachgerade glänzend. Eine große Überraschung, wenn man diesen Artikel bis hierher gelesen hat! Denn ausgerechnet jetzt begeht auch die Union den Kapitalkardinalfehler, sich mit einem S-Kandidaten ins eigene Knie zu manövrieren. Scholz/Söder, Scho/Sö – die Chosö verspricht, interessant zu werden. Denn wenn die Union je gegen einen S-Mann aus der SPD verlieren sollte, dann mit einem S-Mann aus Bayern. Ob Strauß gegen Schmidt oder Stoiber gegen Schröder: Die Kombination SS ist in Wahrheit Scholzens einzige Chance. Ihm könnte ein coup de grâce gelingen, der seinesgleichen sucht.

S ist, was S ist, sagt die Liebe bzw. der Erich Fried. Die Zeichen der Zeit stehen auf fünf vor zwölf. Dass die Ära dummer Wortspiele vorbei ist, haben Norbert Walter-Boring und Saskia Eskimo mit schaumschlägerischer Sicherheit erkannt, als sie ihren Kandidaten aus der Traufe gehoben haben. Sollte es schiefgehen, bleibt der SPD immer noch das Exil. Wobei, ins Exil soll man ja derzeit nicht, wegen Corona.

Dann also doch gewinnen. Alles Gute, SPD!

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Meditation und Markt mit Dax Werner

Augmented reality

Liebe Leser_innen,

bitte einmal kurze Rückmeldung per Mail: Wer von euch war damals auch so Pokémon-Go-süchtig? Wir erinnern uns: Man lief stundenlang mit Smartphone und Powerbank durch die Gegend und ständig erschienen aus dem Nichts wilde Evoli, Karpadors und Pummeluffs. Pokéball draufgecurved, in den Pokédex registriert und weiter ging die geile Jagd! Das Geheimnis des Pokémon-Go-Erfolgs: Die App legte sozusagen einen neuen, viel spannenderen Layer über die bis dahin bekannte Realität. Stichwort augmented reality.

Der große Pokémon-Hype ist zwar fürs Erste schon wieder vorbei, aber das Prinzip der erweiterten Realität ist geblieben. Zum Beispiel mit der Corona-Warn-App ("Funktioniert sie oder funktioniert sie nicht? Hab ich’s vielleicht schon gehabt? Aufregend!"), aber auch in Bezug auf Verschwörungstheorien (oder wie wir im Internet inzwischen woker sagen: Verschwörungsmythos!). Noch das Bedeutungsloseste sieht man mithilfe von Verschwörungsmythen plötzlich in einem zwar komplett ausgedachten, dennoch viel phantasievolleren Bedeutungszusammenhang, 5G-Masten werden von Einrichtungen des neuesten Mobilfunkstandards zu Covid-19-Verstärkern, Donald Trump zum Retter der Menschheit und Bill Gates zum Impf-Endgegner: Für Verschwörungsmystiker_innen ist die Welt in Zeiten der Pandemie ein riesiges interaktives Rollenspiel geworden.

Dieses Live-Action-Roleplay (LARP) ist nun aber spätestens seit der Corona-Pandemie kein Exklusiv-Zeitvertreib von ohnehin auch sonst wenig zurechnungsfähigen Zeitgenossen mehr: Bei der Anti-Corona-Demo in Berlin am vergangenen Wochenende tummelte sich neben QAnons, Hippies, Rechtsextremen und Nudisten eben auch das pensionierte Lehrer-Ehepaar aus Stuttgart-Zuffenhausen, durch die explosive Mischung aus Lockdown-Langeweile und Youtube-Algorithmus binnen Wochen von den besten Volker-Pispers-Auftritten über die Nachdenkseiten zu KenFM und Coronaverschwörung hochgelevelt. Oder wie man auch sagen könnte: Gamifiziert.

Und noch bevor du factcheck buchstabieren kannst, findest du dich an einem heißen Samstag auf der Straße des 17. Juni neben einem in Pluderhose und Merinowolle-Oberteil gegen 5G-Masten anflötenden Medizinmann wieder und tanzt dich zu Heiko Schrangs Enthüllungen in Trance.

Schwamm drüber, kann passieren. Auch ich verbringe manchmal viel Zeit im Internet. Wenn man den intellektuellen Vordenker_innen der Republik glauben darf (und ich will ihnen glauben), ist es für uns Netflix-Globalisten und hyperironische Internet-Satiriker jetzt nicht an der Zeit für die üblichen Reflexe (Memes, Faktenchecks, change.org-Petitionen), die inzwischen nur noch so hilflos wirken wie Trumps Covid-19-Krisenmanagement; nein, für uns steht jetzt ein bullet point ganz oben auf der To-Do-Liste: Wir müssen das Gespräch mit denen suchen, die noch nicht ganz abgedriftet sind, die aufgewachten Schafe wieder einfangen und neues Feuer entfachen für das faktenbasierte liberale Projekt. Wenn wir die Deutschland AG nach den jüngsten Katastrophen-Quartalszahlen wieder auf Kurs bringen wollen, ja wenn Peter Altmaiers Traum vom wiedereinsetzenden Wirtschaftswachstum ab Oktober nicht bloß Traum bleiben soll, dann müssen wir zuallererst eines akzeptieren: Der Ball liegt in unserer Spielhälfte. Es geht um unser Land.

Wieder einmal machen die entrepreneurs in den Staaten und dem Silicon Valley vor, wie es gehen kann: Während in Deutschland noch heiß debattiert wird, ob Thalia die Bücher von Attila Hildmann verkaufen darf, generiert Amazon-Boss Jeff Bezos mit den bahnbrechenden Studien Heiko Schrangs ("Die Jahrhundertlüge, die nur Insider kennen", 24,90 €, gebunden, bitte so schnell es geht mit Prime an mich) und der QAnon-Bibel "An Invitation to The Great Awakening" (führte letztes Jahr die Amazon-Toplisten an) an Cancel-Twitter vorbei ein nicht gerade kleines passives Nebeneinkommen. If you can't beat them, join them. Hoffentlich hat Bezos bald genug verdient, um sein Raumschiff zu bauen!

Vielleicht müssen wir diesen ganzen Wahnsinn einfach proaktiv umarmen, so wie der reichste Mann der Welt. Mehr noch: Vielleicht endet das Spiel ja in dem Augenblick, wenn Fr. Merkel laissez-faire in einem ihrer Regierungspodcasts verkündet, dass alles, was sich die truther so ausdenken, wirklich wahr ist. Dass sie die ganze Zeit – mit was auch immer – Recht hatten. Dann hätten sie ihr Spiel gewonnen, wir unsere Ruhe und wir könnten uns alle gemeinsam wieder dem widmen, was wirklich wichtig ist: Wertschöpfung und Innovation für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Der Pokémon-Go-Hype endete damals für mich, als die Arenakämpfe immer verbissener wurden. Lasst uns die ideologischen Waffen ablegen und zusammen in eine neue sonnige Zukunft blinzeln.

Pack ma's, euer Dax Werner

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Inside TITANIC (30)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Redakteur Leo Riegel über "Schöne Tage" und perfektes Timing.

Oft ist es bei der Komik ja alles eine Frage des Timings. Wie lang ist die Pause vor der entscheidenden Zeile im Dialog? Wie stark spitzt sich die Erzählung vor der Pointe zu? Muss die Pointe überhaupt ans Ende? Man feilt so vor sich hin und freut sich, wenn's gelingt. Manchmal, wenn auch selten, ereignet sich so ein präziser Schlagabtausch auch im echten Leben. Ein Teil der TITANIC-Redaktion stand vor kurzem rauchend und Bier trinkend in dem von weiteren Anwohnern genutzten Innenhof und spielte irgendeine Witzidee durch. Anscheinend ziemlich lange, jedenfalls kam Korrekturleserin Kristin Eilert von unserem immer wieder aufbrandenden Gelächter genervt irgendwann hinausgeeilt. Ob uns schon mal in den Sinn gekommen sei, dass wir möglicherweise die Nachbarn stören? Da entstand eine peinliche Stille, die wiederum von dem Quietschen eines schräg über uns sich öffnenden Fensters beendet wurde. Es war die Nachbarin, die uns mit einer Flasche in der Hand fröhlich zuträllerte: "Wer will Eierliköhöör?" Wenig überraschend, dass das Gelächter daraufhin doppelt so laut wieder losbrach. Nur die Nachbarin, die nicht ahnte, mit welch sketchreifem Timing sie auf der Bildfläche erschienen war, schaute etwas verdutzt drein.

Nachtrag: Falls es Sie verwundert, dass am helllichten Arbeitstag in der TITANIC-Redaktion Alkohol getrunken wird, möchte ich von einer Praxis aus früheren TITANIC-Zeiten erzählen, von der ich selbst erst vor kurzem hörte, nämlich von dem "Schönen Tag". Der "Schöne Tag", so wurde mir erklärt, beginnt damit, dass ein Redaktionsmitglied ins Büro kommt und vorschlägt, einen "Schönen Tag" zu machen, woraufhin die Redaktion den Rest des Tages saufend im Biergarten verbringt. Ende. Leider ist von dieser Praxis nicht viel übrig geblieben. "Halbe schöne Nachmittage" kommen aber durchaus noch vor. Der oben erwähnte und dankend entgegengenommene Eierlikör hat den Tag zumindest nicht überlebt.

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Meditation und Markt mit Dax Werner

Kaufmann der Gefühle

Liebe Leser_innen,

neulich musste ich richtig staunen: Der britische "Guardian" hat ein 100 Seiten langes Porträt über Julian Reichelt veröffentlicht und nennt ihn darin einen "emotional entrepreneur". Ich dachte, um es mit einem Roman von Biker-Legende Thomas Glavinic zu sagen: Das bin doch ich! Ein Großhändler der Regung! Doch bevor ich der wurde, der ich heute bin, gab es ein Leben davor. Eines, von dem ich heute berichten möchte.

Denn da war ich noch jemand ohne Reichweite im Netz, der mit seinen Meinungen und Thesen zu allen möglichen Themen lediglich seinen Mitbewohner_innen und den 14 Freund_innen auf Facebook auf die Nerven gehen konnte.

Sagen wir es, wie es ist: Ich war ein Underperformer, ein Low-Achiever, einer von denen, die ihre eigene Unzulänglichkeit auf ihre Umwelt projizieren, weder mit sich noch mit irgendetwas anderem im Reinen. Mehr noch: Ich stand meinem eigenen Erfolg selber im Weg.

Ich brauchte einen kleinen Stups vom Schicksal. Und dieser erreichte mich in Form einer heruntergekommenen Litfaßsäule auf einem dreckigen Bahnhofvorplatz: "Call-Center-Agent gesucht! Attraktive Provisionsmodelle! Einstieg sofort!"

Für viele ignorante Menschen sind Call-Center ja nachgerade die formvollendetsten Manifestationen des Spätkapitalismus, Labyrinthe aus Zuständigkeiten, in denen man nie die eine Person an den Apparat bekommt, die einem wirklich weiterhelfen kann.

Ja, so dachte ich damals auch. Die ersten Wochen waren mühsam, ich machte kaum Scheine, zweifelte von früh bis spät an mir selbst. Während meine Kolleg_innen sich morgens um 8 die erste Monster Energy reinjagten, bis 18 Uhr durchtelefonierten und alles Mögliche und Unmögliche am Telefon verkauften, träumte ich mich immer wieder durch die Fensterscheiben unseres Großraumbüros zurück in mein altes Leben. Doch auch da war kein Platz mehr für mich: Ich war zu einem Wanderer zwischen den Welten geworden.

Und dann, an einem Dienstag im April, nahm mich unser Sales Coach Richie zur Seite und gab mir diese eine entscheidende Frage mit auf den Weg, von der ich bis heute zehre: "Du musst den Kunden direkt fragen: 'Kunde, bist du glücklich?' Und dann sagt er: 'Ja, ich bin glücklich!'" Fiebertraum, Epiphanie, endlich sah ich klar: Ich bin ein Händler der Gefühle, ein Kaufmann der Emotionen! Das war meine Bestimmung, mein destiny!

Mein Weg führte mich rasch an die Spitze der Verkaufscharts und schnell danach raus aus dem Call-Center, auf meinen eigenen Weg. Doch diese eine Sache habe ich in den wenigen Tagen als Mobilfunkvertragshändler gelernt: Telefoniert wird immer, Kaffee wird immer getrunken und emotionaler Content wird immer gebraucht!

Vielleicht konnte ich dir heute mit dieser kleinen Anekdote weiterhelfen.

Dein Dax Werner

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Inside TITANIC (29)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Redaktionspraktikant Teja Fischer über scharfe Zungen in weichen Zügen.

Die ersten Kommentare meiner Kollegen:

Prima!
Spitze!
Weiter so!
Hut ab!

Und dies bereits, nachdem ich wie verabredet gegen 11 Uhr in die angenehm verschattet gelegene Redaktion gefunden hatte.

Normalerweise weicht der Schreck über eine neue soziale Umgebung nach etwa einer Woche aus meinem Gesicht. Hier musste ich schon am zweiten Tag nur noch einstellig auf Toilette. Unter den – auch temporären – Mitgliedern der TITANIC-Redaktion scheint eine auf spezielle Weise defizitäre Atmosphäre zu herrschen. Die überaus leidenschaftliche Satire-Arbeit zieht offenbar so viel Schärfe, Angriffslust und Empörungskräfte aus ihren zarten Gemütern, dass sie füreinander nur noch gute Laune übrig haben.

Ich muss das noch weiter vertiefen, aber einige Details im Umgang miteinander scheinen meine Theorie zu stützen: Man redet nicht übereinander, sondern miteinander – oder mit sich selbst. Die einzige Macht im Haus zirkuliert paritätisch zwischen den beiden, die aktuell die Toiletten besetzen. Es gibt ganze 0,25 Kühlschränke pro Mitarbeiter, in denen meistens sogar was Kühles drin ist. Und über Geld spricht man nicht – aber nur, weil eh jeder gleich viel bekommt, egal ob Redakteur, Assistent oder Praktikant.

Im Prinzip also die exakten Koordinaten für ein Arbeiten, wie es sein sollte. Die ewige Utopie, von der wir alle träumen, während wir vor Sonnenaufgang willfährig ins Büro stolpern, das El Dorado für unsere verkümmerten Seelen – es liegt mitten in Frankfurt.

Und bringt auch mich selbst so überraschend gut drauf, dass ich mich nicht mal mehr darüber aufregen kann, wie unverschämt lang die Rotphasen für Fußgänger in dieser Stadt sind. 

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Meditation und Markt mit Dax Werner

Erinnerung, sprich

Liebe Leser_innen,

im Februar dieses Jahres hatte ich das große Glück, einen leisure day in der Ländle-Metropole Stuttgart (oder wie ich als Kenner inzwischen sage: 0711 Stuggi-Benz-Town) zu verbringen, noch bevor ein paar Dutzend Halbstarke das schwäbische Kleinod in Schutt und Asche legten. Die Rede ist natürlich von dem Wochenende, das als "Stuttgarts Stunde Null" ins kollektive Gedächtnis eingehen sollte. 9/11 im Ländle.

Nachrichten aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt erreichen uns bekanntlich seither nur noch unregelmäßig, die seltenen Tweets des aus Stuttgart stammenden Kollegen Cornelius W. M. Oettle lesen sich noch kryptischer, diffuser als ohnehin sonst: So zwitscherte Oettle zuletzt vor 16 Stunden "Als echter Stuttgarter trinke ich natürlich STUGGI SCHORLE" an seine 15 000 Follower. Gedanken, ja fast Beschwörungen von einem, der das new normal noch nicht akzeptieren kann oder will: Das Stuttgart, wie wir es kannten, existiert nicht mehr.

Umso kostbarer erscheinen mir heute die Erinnerungen an das Stuttgart, wie es inzwischen nur noch auf Postkarten existiert. Rückblende, Februar 2020: Die A8 runterjagend lassen wir Nürtingen links liegen, im Autoradio läuft das neue Album von Max Herre, gemeinsam mit dem immerjungen Lockenkopf träumen wir uns nach “Athen”. Die Sonne geht langsam auf, wir liegen gut in der Zeit. Und steuern einen Second-Hand-Laden an, in dem ich einige Jeanshemden mit Tiermotiven anprobiere, dann aber doch nicht kaufe, weil mir 120 Euro für ein Textil mit edlen Pferden, welche einen Fluss passieren, einfach als verdächtig wenig Geld erscheint.

In Gedanken war ich noch ganz bei den Hannoveranern, die wild entschlossen den Bach bezwingen, als ich im Hinterhof in ein Fotoshooting mit zwei Frauen stolpere. Erst viel später erklärt mir unser Guide: Das im Hinterhof waren die beiden Internet-Stars Lisa und Lena, die zu Spitzenzeiten mal über 32 Millionen Follower_innen auf TikTok hatten.

Ich hatte von den beiden noch nie vorher gehört, und unter uns Millennials gehörte es bis vor kurzem ja auch noch zum guten Ton, "echt nicht zu wissen, was da auf TikTok abgeht!", aber seien wir ehrlich: Spätestens seit selbst 7-Zwerge-Star Martin "Maddin" Schneider (Baujahr 1964) mit seinem rätselhaften bis gruseligen Content eine halbe Million Follower_innen beim chinesischen Datenvampir erspielt hat (mancherorts nennt man ihn schon den "El Hotzo von TikTok"), geht auch bei uns nach 1985 Geborenen die Angst um: Ist die augenzwinkernde Caption über dem erotischen Robert-Habeck-Foto mit 200 Favs offenbar doch gar nicht mehr der heißeste Scheiß im Internet? Mutieren wir zu den neuen Boomern? Die Social-Media-Uhr tickt gnadenlos.

TikTok ist neben allem anderen auch die Plattform, die Menschen eine Reichweite verschafft, die in Deutschland noch nicht den Führerschein machen dürften. Erst neulich machte ein TikTok die Runde, in der eine Vertreterin der Generation Z – also der nach 2000 zur Welt gekommenen – den Finger gnadenlos in die Millennial-Wunde hielt: Unser Harry-Potter-Buzzfeed-Lifestyle-Liberalismus ist nicht woke, sondern peinlich. Rumms, Treffer. Der sitzt.

Doch wir Millennials geben nicht so schnell auf und schlagen mit unseren Millennialwaffen zurück: Unterbezahlte Artikel für irrelevante Medien schreiben und diese dann auf unseren randständigen sozialen Plattformen posten. "Demokratisierung der dance culture hin oder her, der Chinese will nur ans Öl des 21. Jahrhunderts: unsere Daten." Fertig ist der Artikel, ab dafür ins Internet. 

Allein, man fragt sich, wie lang das noch so gut gehen kann. Wir "Jahrtausender" lebten zwar lange (wie jetzt immer noch) ohne Geld und Karrierechancen, hatten aber wenigstens die Deutungshoheit im Internet, verwalteten relativ ungestört unsere kulturelle Hegemonie zwischen Bits und Bytes. Stuttgarts 9/11 vor zwei Wochen zeigt jedoch, wie hart die Realität mitunter hitten kann.



Take care, fellow millennials.

Euer Dax Werner

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mal wieder typisch, Bundespolizei!

Du testest gerade den Einsatz von Tasern, hast Dir in einem vertraulichen Bericht aber eingestehen müssen, dass diese ihre Mannstoppwirkung oder gleich das ganze Ziel gerne mal verfehlen. Ein Grund für das Versagen der Taser ist wohl: eine »offene Softshell-Jacke«. Und das ist ja mal wieder typisch! Wer muss sich um Polizeigewalt in Taserform also keine Sorgen machen? Gutsituierte Krautwurst-Teutonen in ihren ewigen Softshell-Jacken! Komm, Bundespolizei, Rassismus kannst Du doch auch weniger auffällig, weiß aus anders gekleideter Quelle

Deine Titanic

 Und aber apropos, brigitte.de!

»Diese Angewohnheit schadet deinem Gehirn mehr, als du denkst« – eigentlich ist uns das als Vorlage zu billig. Aber schwer fällt uns der Verzicht schon!

Gewohnheitsmäßig nicht Deine Titanic

 Bei Dir, »O₂ Surftown MUC«,

handelt es sich um eine künstliche stehende Welle im tiefsten Bayern. Und es ist natürlich nur recht und fair, dass Bayern als Bundesland mit Alpenzugang nun Strandsport anbieten kann, nachdem ja auch durch Skihallen in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen beide Meere mit Deutschlandzugang längst mit Bergsportnähe ausgestattet sind.

Wie viel Energie es kostet, das Wasser für die Wellen und den Schnee jeweils auf die richtige Temperatur und in die entsprechenden Formen zu bringen, ist dabei auch egal, denn letztlich ist die ganze Angelegenheit ja klimafreundlich as fuck: Braucht doch jetzt niemand mehr quer durch Deutschland zu reisen, um einem für die Umgebung untypischen Angeberhobby nachzugehen.

Zur Eindämmung weiterer Kurz- und Fernreisen sind daher sicherlich auch schon die nächsten Naturerlebniswelten in Planung! Wir denken da etwa an die »Saharaworld Schwarzwald«, das »Urwalderlebnis Wattenland«, »Wildwasserkajaktouren am Ku’damm«, »Hochseeangeln in der Sächsischen Schweiz« oder »Indoorparagliding im Zollverein Essen«.

Grüßt Dich hoffnungsvoll aus dem Korallenrifftauchparadies Frankfurt: Titanic

 Hello, »Zeit«!

»Wenn Berlin das New York Deutschlands ist, dann ist München das deutsche Los Angeles«, schreibst Du. Aber wenn München das deutsche Los Angeles ist, ist Hamburg dann auch das deutsche Miami? Und Wolfsburg das deutsche Detroit? Und die Zeit die deutsche New York Post? Und so ein Städtevergleich deutscher Unsinn?

Fragt aus dem deutschen Frankfort (Kentucky) Titanic

 Herzlichen Glückwunsch, lieber Fundus!

Herzlichen Glückwunsch, lieber Fundus!

Die erste Handlung der neugegründeten TITANIC-Redaktion im Jahr 1979, noch vor dem Einrichten, Möbelaufbauen und Bieröffnen, bestand darin, einen Raum zu erkiesen, in dem in Zukunft alle für Fotoromane und Bilderstrecken benötigten Kleidungsstücke und Gegenstände aufbewahrt werden sollten. Dieser füllte sich dann zur großen Verwunderung der Mitarbeiter/innen im Handumdrehen mit geschmacklosen Kleidungsstücken, ausgeleierten Sexpuppen und Naziuniformen unbekannten Ursprungs.

So malt sich zumindest die aktuelle Redaktion heute, 45 Jahre später, Deine Entstehungsgeschichte aus, lieber Fundus! Denn Du bist fürs Büro unabdingbar und wirst von Heftkenner/innen als wichtigster und titanischster Raum der Bundesrepublik gehandelt.

Und das völlig zu Recht: In Dir hängt der edle, von Martina Werner aus der Modemetropole London importierte Leopardenfellmantel (unecht) direkt neben der Kiste mit der dubiosen Aufschrift inklusive seltsamer Anführungszeichensetzung »Brüste, Propellermütze, ›Muslim‹, Jude, Papst, Kippa«. Hier steht die Thermoskanne, aus der beim Öffnen ein Dildo hervorschießt, neben der Kleiderstange mit dem penibel gebügelten Messdienerkostüm.

Hier befindet sich das ekligste Make-up der Welt, das einmal an einem Akne- und Staublungenausbruch bei der gesamten Belegschaft schuld war, als es bei einem der vielen gescheiterten Aufräumversuche herunterfiel und in alle Atemwege und Poren gelangte. Hier steht der Kistenstapel, dessen unterster Karton mit »Frauke Petry« beschriftet ist, der darüber mit »Clown«, und den obersten ziert die Aufschrift »Pferd«. Und nur hier liegt die SS-Uniform herum, die schon im Stuttgarter Haus der Geschichte bewundert werden konnte.

Nicht nur stehst Du für die geniale Dialektik der (alten) TITANIC, Du fungierst auch als Seismograf des Zeitgeistes: Die immer größer werdende Verklemmtheit der Redaktion lässt sich daran ablesen, dass das in Versalien geschriebene »Sex« auf dem ehemaligen Sexkarton mittlerweile durchgestrichen ist. Stattdessen befinden sich in der Kiste laut Aufschrift »Wolle, Seile, Kordel, Nähzeug«. O tempora! Auch Deine Unordnung, in der sich selbst die erfahrensten Angestellten nicht zurechtfinden, lässt sich symbolisch verstehen, erinnert sie doch stark an die Gesprächsführung während einer durchschnittlichen Titelkonferenz.

Du hast schon viel mediale Aufmerksamkeit bekommen, Fundus: Du wurdest für die Vice abgelichtet und im Musikexpress abgebildet – im Grunde hast Du alles erreicht!

Nur eines fehlte Dir – bis jetzt: eine Laudatio von Deiner eigenen Redaktion. Deshalb nun endlich, geehrter Fundus: Alles Gute zum 45jährigen Bestehen! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Schmettert Dir ein kräftiges »Vivat, vivat!« entgegen:

Für immer Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Schattenseite des Longevity-Trends

Ob ich mit fast 60 noch mal Vater werden sollte? Puh, wenn das Kind 100 ist, bin ich schon 160!

Martin Weidauer

 Krass, krasser, Kasse

Wenn ich im Alltag mal wieder einen Kick suche, gehe ich kurz nach Feierabend oder samstags bei einem Discounter einkaufen. Finde ich dort eine richtig lange Kassenschlange vor, stelle ich mich nicht etwa an, sondern lege meine Einkäufe auf die nicht besetzte Kasse daneben. Hier beginnt der Nervenkitzel: Werde ich wie der letzte Idiot erfolglos auf die Öffnung der neuen Kasse warten oder wie ein allwissender Gott über den gewöhnlichen Einkäufern schweben? Mehr Spannung geht nicht. Anfängern rate ich allerdings, sich erst nach dem Schrillen, mit dem im Supermarkt Kollegen gerufen werden, an der leeren Kasse anzustellen. So kann man sich mit ein paar sicheren Erfolgen langsam an das freie Anstellen herantasten.

Karl Franz

 Bibelfest

Ich habe letztens geträumt, dass ich Teil einer christlichen Punk-Band war. Unser größter Hit: »Jesus muss sterben, damit wir leben können«.

David Sowka

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 28.10.:

    Das Schweizer Nachrichtenportal Watson preist den aktuellen Titel der Novemberausgabe im "Chat-Futter" an.

Titanic unterwegs
31.10.2024 Hamburg, Zinnschmelze Ella Carina Werner
01.11.2024 Oschatz, Thomas-Müntzer-Haus Thomas Gsella und Hauck & Bauer
05.11.2024 Sylt, Feuerwache Tinnum Gerhard Henschel
05.11.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview«